24.10.2021 - Gastpredigt zum 70-jährigen Kirchweihjubiläum in Eichgraben

Hochwürdiger Herr Pfarrer,
liebe Ehrengäste,
geschätzte Gäste von der evanglischen Pfarrgemeinde,
werte Festgemeinde,
liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Bei der Recherche zum historischen Rückblick in der Festschrift, die am Ende der hl. Messe vorgestellt wird, habe ich einige Interviews mit "Zeitzeugen" der Eichgrabener Pfarrgeschichte geführt. Und unter anderem habe ich gefragt: "Was würden Sie sagen, war in den 70 Jahren seit es die Kirche gibt, die größte Veränderung für die Pfarre?" - Eine Antwort darauf ist gewesen:

"Ich würde sagen der Kirchenbau selbst. Es war eine besondere Stimmung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl"

Liebe Brüder und Schwestern!

Ja, es muss ein großartiges Gefühl, eine richtige Aufbruchsstimmung, ein Freudentag gewesen sein, als am 21. Oktober 1951 diese große Kirche von Bischof Michael Memelauer geweiht werden konnte! Viel Arbeit, manche Sorgen um das große Projekt, ehrenamtliche Mitarbeit, finanzielle Opfer und dergleichen sind dieser Feier vorausgegangen, deren 70. Jahrestag wir heute festlich begehen dürfen. Pfarrer Josef Seiwald beschreibt den Tag der Kirchweihe in der Pfarrchronik als den "schönsten und herrlichsten Tag [s]eines Lebens" und als "schönsten und denkwürdigsten Tag der Pfarre Eichgraben"; und ähnliche Gefühle werden wohl nicht wenige Menschen damals verspürt haben. Vor allem sind es wohl der Krieg und die unmittelbare Nachkriegszeit gewesen, die noch immer in den Köpfen der Eichgrabener Pfarrbevölkerung und unseres ganzen Landes und weit darüber hinaus präsent gewesen sind - eine Not, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Unlängst hat eine ältere Frau in Scheibbs zu mir gesagt: "Heute beschwert sich die Jugend, dass ihr wertvolle Lebenszeit durch die Corona-Pandemie genommen wird; was soll denn unsere Generation sagen ... wir hatten auch keine Jugendzeit, die mussten wir dem Krieg und dem Wiederaufbau opfern!" Und bestimmt gab und gibt es auch in Eichgraben genügend Menschen, die davon berichten können. Umso größer muss eben die Freude gewesen sein, als hier diese große Kirche mit vereinten Kräften erbaut und schließlich durch den Ritus der Kirchweihe feierlich eröffnet werden konnte: Die Kirche von Eichgraben - ein Zeichen des Neubeginns nach den Kriegs- und Nachkriegsjahren, ein Bauprojekt aus Dankbarkeit dafür, dass Eichgraben und die große Eisenbahnbrücke vom Krieg verschont geblieben sind, ein Denkmal der Hoffnung für die "neuen Zeiten", die wir bis heute in unserer Bundeshymne besingen. So ist es wohl kaum ein Zufall, dass die neue, große Pfarrkirche von Eichgraben den Namen "Herz-Jesu-Friedens-Kirche" bekommen hat.

Eine Friedenskirche sollte der Wienerwalddom also sein. Friede und Kirche - das ist ein Wortpaar, das, wie ich meine, gut zusammenpasst, ja sogar untrennbar zusammengehört. Schon im Alten Testament ist - wir haben es in der Lesung aus dem Buch Jesaja gehört - die Hoffnung auf endgültigen Frieden verbunden mit dem "Berg des Hauses des Herrn", mit dem Tempel, dem Gotteshaus auf dem Zion in Jerusalem:

"Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des Herrn steht fest gegründet ... Zu ihm strömen alle Nationen ... Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg."

Auch im Psalm 122, einem alten Wallfahrtslied bei der Pilgerreise nach Jerusalem, der heute als Antwortpsalm verwendet wurde, heißt es:

"Erbittet für Jerusalem Frieden ... Wegen meiner Brüder und Freude will ich sagen: In dir sei Friede. Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen."

Auch hier gehören also Friede und Tempel zusammen. Und es ließen sich noch einige Stellen im Alten Testament finden, die diese Verbindung bekräftigen.

Friede - das ist sicherlich eine tief im Menschen verwurzelte Sehnsucht. Dabei meint Friede sicher mehr als die Freiheit von Krieg. Wolfgang Teuschl umschreibt in seinem Neuen Testament in Wiener Dialekt den Gruß des Auferstandenen "Friede sei mit euch", wie wir ihn im Evangelium heute wieder gehört haben, mit den Worten: "Griass eich, oes leiwand!" (1)

Ich habe diese Umschreibung hier in Eichgraben schon öfter in einer Predigt zitiert, weil ich eben meine, dass sie die Aussage des biblischen Grußes Jesu sehr schön zusammenfasst. Einerseits ist "Friede sei mit euch" der einfache, alltägliche Gruß gewesen. "Shalom - Friede", so begrüßt man sich bis heute im hl. Land; und auch aus der arabischen Welt kennen wir den Gruß "salam alaikum - Heil und Friede sei mit euch"; insofern passt die Übersetzung mit "Griass eich" ganz gut. Und anderseits meint "Friede" eben mehr als dass es keinen Krieg gibt. Friede meint umfassendes Heil-Sein, Geborgenheit, Glück, Zufriedenheit; insofern trifft die pointierte Formulierung "oes leiwand", wie ich meine, genau ins Schwarze.

Friede meint also das umfassende Glück. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und das Ende der Besatzung Österreichs haben denen, die sie erlebt haben, sicher einen Eindruck vermitteln können, was "Friede" in diesem Sinne bedeuten kann. - Und unsere Herz-Jesu-Friedenskirche soll das durch die Zeit hindurch bewahren, soll dafür Denk- und Mahnmal sein.

Liebe Brüder und Schwestern!

Freilich wäre es zu wenig, den Wienerwalddom nur als Friedensdenkmal zu betrachten. Dazu braucht es eigentlich keine Kirche, diese Funktion können auch andere Denkmäler, etwa unser Kriegerdenkmal draußen an der Straße, übernehmen. Aber wenn diese Kirche auch ein Friedensdenkmal ist, dann will sie uns eben darauf hinweisen, wie eng der Friede, dieses umfassende Glück, und die Kirche, die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich um Jesus Christus versammelt, zusammenhängen.

Herz-Jesu-Friedens-Kirche heißt die Eichgrabener Pfarrkirche. Und damit will sie uns eben tiefer führen zu den Quellen dieses Friedens. Das Hochaltarbild ist eigentlich eine bildliche Darstellung des Evangeliums, das heute verkündet wurde und das uns im Laufe des Kirchenjahres vom Weißen Sonntag, vom Sonntag nach Ostern, bekannt ist. Über dem Bild steht groß der Buchstabenzug PAX - Friede; eben der Gruß des Auferstandenen an seine Jünger und auch an uns, die wir uns hier um ihn versammeln. Und die Darstellung Jesu ist, in der Kreuzesform, so konzipiert, dass er seine Arme weit ausbreitet, uns sozusagen zu sich einlädt - wir dürfen denken an seine Verheißung: "Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen". Ja, er zieht uns zu sich und möchte uns seinen Frieden, sein umfassendes Glück schenken. Aber nicht nur die ausgebreiteten Arme zeugen davon, dass Jesus selbst Quelle des wahren Friedens für uns ist, sondern auch sein geöffnetes Herz, aus dem, in leichten Strahlen dargestellt, Blut und Wasser strömen. So hat es ja im Evangelium auch geheißen, dass Jesus nach dem Friedensgruß seinen Jüngern seine Hände und seine Seite, also die Wunden seiner Kreuzigung, gezeigt hat.

So ist die Gemeinschaft mit und um ihn, der sich für uns geopfert hat, und uns diese seine Opferhingabe in der Eucharistie Sonntag für Sonntag, ja Tag für Tag, als gegenwärtiges Geschehen erleben lässt, der letzte Grund und die Quelle eines tiefen Friedens, den uns auch äußere Umstände nicht nehmen können, seien es Krieg, eine Corona-Pandemie oder sonstige Widrigkeiten des Lebens. Diese Erfahrung jedenfalls durfte die junge Kirche machen, die sich Sonntag für Sonntag versammelt hat und die Gegenwart des Auferstandenen erleben durfte:

"Acht Tage darauf", also wieder am Sonntag, "waren seine Jünger wieder drinnen versammelt." Und es wiederholt sich die Begegnung Jesu mit ihnen am Osterabend: "Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!"

Es mag verschiedene Herausforderungen geben, vor denen wir stehen, als Kirche, als Gesellschaft, als Familie, als Einzelperson. Verschiedene Umstände können den tiefen Frieden stören, der uns geschenkt ist, aber bei ihm dürfen wir, ganz besonders in der sonntäglichen Eucharistiefeier, Kraft, Hilfe, Trost und Frieden finden. Das ist schließlich der innerste und wichtigste Sinn und Zweck unserer Herz-Jesu-Friedenskirche, dass sich die Pfarrgemeinde hier Sonntag um Sonntag versammelt und in der Eucharistie die Begegnung mit dem Auferstandenen erfährt, der uns sein Herz öffnet und seinen Frieden schenkt.

Liebe Brüder und Schwestern!

Es mag sein, dass vielleicht Zeiten kommen werden, in denen es nicht mehr möglich sein wird, an allen Orten jeden Sonntag die hl. Messe zu feiern. Entsprechende Entwicklungen zeichnen sich leider ab. Trotzdem, so auch die steingewordene Aufforderung der Eichgrabener Pfarrkirche, müssen wir uns bemühen, diese Begegnung mit dem auferstandenen Herrn aufrecht zu erhalten, auch wenn das manche Anstrengung erfordern mag. Die Zeiten mögen sich ändern, Kreativität mag gefordert sein, doch bei allem gilt uns die Mahnung des hl. Paulus aus der zweiten Lesung:

Ich habe "den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus."

In diesem Sinne möchte ich schließen mit den Worten, mit denen Josef Seiwald in der Pfarrchronik den Höhepunkt des Kirchweihtages 1951 beschreibt, nämlich die Feier der hl. Messe in der neugeweihten Kirche. Mögen sie auch heute wahr sein und bleiben! Mögen auch durch die Zeit hindurch viele Menschen in der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, der uns besonders in der Eucharistie sein Herz öffnet und uns seinen Frieden schenken will, tiefes Glück, Erfüllung und Zufriedenheit erfahren! Josef Seiwald schreibt:

"Christus, der Herr des Hauses, stieg nun in seine von Menschenhand gemachte Wohnung, die wir Ihm unter Gebet und Opfer und mit viel Liebe im Herzen erbaut haben, herab vom Thron des Himmels. Möge die Liebe des Herrn in seinem heiligsten Herzen in diesem Gotteshaus wohnen zum Segen und zum Trost der Gläubigen, die in diesen Tagen hier wohnen und auch den folgenden Generationen bis zum Ende der Zeiten."

(1) TEUSCHL, Wolfgang: Da Jesus & seine Hawara. Das Neue Testament im Wiener Dialekt, Purkersdorf/Wien 1981 (5. Aufl.)

Verwendete Schriftstellen in der Liturgie:
Jes 2,1-5;
Ps 122;
1 Kor 3,9c-11.16-17;
Joh 20,19-23.26acde

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