26.12. - Hl. Stephanus, Patrozinium in Weistrach
Wenn wir den Festtag unseres Kirchenpatrons in Weistrach feiern, dann bin ich beim Durchschauen der Schrifttexte des heutigen Tages in einem Jahr, in dem wir unsere Kirche innen so schön renovieren konnten, bei dem Ausruf hängengeblieben, den der hl. Stephanus kurz vor seinem Tod tätigt:
"Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen."
"Ich sehe den Himmel offen" - was der hl. Stephanus bei seiner Hinrichtung erlebt, das wollten und wollen Kirchengebäude schon immer architektonisch umsetzen: ein Stück geöffneter Himmel sein. Im Barock, der in unserer Gegend oft anzutreffen ist, hat man das versucht, mit den großen barocken Altargemälden zu verdeutlichen. Sie sollten gleichsam Fenster sein, durch die wir in den Himmel blicken dürfen. Und in der älteren Gotik war es die Architektur des Gebäudes selbst, die in gewisser Leichtigkeit nach oben verweist. Unser verspieltes gotisches Schlingrippengewölbe hier in Weistrach ist dafür ein eindrucksvoller kunsthistorischer Beleg. Wenn wir unseren neugotischen Hochaltar betrachten, wo die Szene dargestellt ist, in der Stephanus über sich den Himmel offen sieht, dann fallen uns die vielen Säulchen, Dächer und detaillierten Elemente auf, die je höher man blickt, umso verspielter werden, also auch mit einer gewissen Leichtigkeit nach oben in den Himmel weisen.
"Ich sehe den Himmel offen" - so hat jede Epoche der Kunstgeschichte im sakralen Raum versucht, dieses Wort des Stephanus auf je eigene Weise darzustellen, weil wir hier im Kirchenraum, vor allem, wenn wir die Liturgie feiern, eben tatsächlich den offenen Himmel erleben dürfen. Das, was wir zu Weihnachten feiern, wird in der Liturgie nicht nur dargestellt, sondern wird echte Gegenwart: Gott kommt zu uns auf die Welt, der Himmel steht uns tatsächlich offen. "Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen", wie es in einem Weihnachtslied heißt.
Wenn man moderne Kirchenbauten betrachtet, dann meine ich zu bemerken, dass man noch ein wenig auf der Suche ist, wie sich der geöffnete Himmel in moderner Formen- und Bildersprache ausdrückt. Ein wirklich einheiltiches Konzept sakraler Kunst, das wir als die moderne oder postmoderne Ausdrucksform des geöffneten Himmels bezeichnen könnten, ist noch nicht gefunden. Jedenfalls wird abstrakter gedacht und dargestellt als etwa in Gotik oder Barock.
Einen Anhaltspunkt für die moderne Gestaltung eines Kirchenraumes bietet dabei sicher die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzils, wenn sie die Messfeiern dramaturgisch auf drei verschiedene Orte im Kirchenraum aufgeteilt hat: den Vorstehersitz, den Ambo und den Altar. Jene drei Orte, die wir bei der Kirchenrenovierung versucht haben, etwas freier und lockerer - eben in gewissem Sinn, etwas "moderner" - zu gestalten.
Der Vorstehersitz ist zwar einerseits ein in Größe und Form von den anderen Sitzen in der Kirche abgehobener Sitz. Es heißt aber ausdrücklich in den liturgischen Vorgaben, dass er nicht "die Form eines Thrones" haben soll (vgl. AEM 271; GORM 310). Das Zweite Vatikanum hast festgehalten, dass Christus gegenwärtig ist, dass der Himmel offensteht, im Priester, der Christus als das Haupt der Kirche darstellt. Deshalb auch die hervorgehobene Stellung des Priestersitzes bei der Messfeier. Die Gemeinde kreist bei der Messe nicht um sich, sondern ist auf Christus verwiesen - das bringt der Priester mit seinem Amt zum Ausdruck. Aber diese Herausgehobenheit hat nichts mit Überheblichkeit oder einem Herrschergehabe zu tun - deshalb auch die trotzdem schlichte Form des Priestersitzes. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit wird uns ja vor Augen geführt, dass der irdische "Thron" Christi kein Prunkstuhl, sondern eine einfache Futterkrippe gewesen ist; und bis hin zum Kreuz wird sich daran auch nicht viel ändern.
Der Ambo ist der Ort, wo uns das Wort Gottes verkündet wird. Der Ambo unserer Kirche ist zwar aktuell noch ein provisorisches Modell, bis bei der zweiten Bauetappe im kommenden Jahr eben ein fester Ambo aufgestellt werden wird, wir haben uns aber bereits jetzt vorgenommen, dass hier tatsächlich konsequenter als bisher ausschließlich die Verkündigung des Wortes Gottes geschehen soll. Andere Reden und dergleichen werden an einem anderen Ort gehalten. Wenn am Ambo das Wort Gottes verkündet wird, ist es nämlich mehr und etwas anderes als eine einfache Rede. Das Zweite Vatikanum sagt, dass Christus tatsächlich hier gegenwärtig ist, dass der Himmel offen steht, in seinem Wort, wenn es verkündet wird. Vor der Steinigung des hl. Stephanus hält dieser eine lange Predigt, verkündet die Frohe Botschaft; vielleicht kann er gerade deshalb kurz danach auch am Ende seines Lebens ausrufen: Ich sehe den Himmel offen.
Und schließlich ist der Altar der Ort, an dem das eucharistische Opfer gefeiert wird. Er ist der Ort, an dem Jesus sich uns ganz schenkt - in den sakramentalen Gestalten von Brot und Wein - so wie er als das große Geschenk Gottes an Weihnachten geboren wurde und sich am Kreuz ohne etwas zurückzubehalten ganz hingibt an Gott und die Menschen. Hier steht der Himmel offen. Hier wird Jesus, wird Gott gegenwärtig. Deshalb hat der Altar auch als Symbol eine herausragende Bedeutung im Kirchenraum. Dadurch, dass wir den Altarraum vergrößert haben, sodass der Altar in der Mitte des Altarraumes steht, und dass wir darauf geachtet haben, dass er frei und fast schon locker dasteht, wirkt er ganz von sich aus als natürliches Zentrum der Kirche, das die Aufmerksamkeit automatisch auf sich lenkt. Der Altar ist nicht einfach ein Rednertisch oder eine Schanktheke. Schon gar nicht ist er eine Abstellfläche für Blumen, Zettel, Bücher oder sonstiges. Der Altar steht für Christus selbst; deshalb wird er auch mit Küssen, Verneigungen und Weihrauch geehrt.
Liebe Brüder und Schwestern!
Unser Kirchenpatron sagt: "Ich sehe den Himmel offen!" - Es ist wohl die Aufgabe einer jeden Generation, diesen Ausspruch in dem Gotteshaus, das seiner Fürsprache anvertraut ist, neu zum Ausdruck zu bringen und sich dessen bewusst zu werden.
- Wenn der Priester an seinem Sitz die Liturgie leitet, dann "steht der Himmel offen", dann ist Christus als Haupt der Kirche gegenwärtig.
- Wenn uns am Ambo das Wort Gottes verkündet und ausgelegt wird, dann "steht der Himmel offen", dann ist Christus als unser Lehrer gegenwärtig, der uns Wegweisung für unser Leben gibt.
- Wenn auf dem Altar die Eucharistie gefeiert wird, wenn hier sein Opfer dargebracht wird, dann "steht der Himmel offen", dann ist Christus als Priester und Opfergabe zugleich gegenwärtig, dann schenkt er sich ganz und gar an Gott und uns hin.
Zu den liturgischen Texten (zusätzlich 1. Lesung: Sir 51,1-8)

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