15. Sonntag i. Jk. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern!

In der Leseordnung der Sonntage wird für gewöhnlich das Evangelium fortlaufend gelesen, im heurigen Jahr das Markusevangelium. Die alttestamentliche Lesung ist dann thematisch passend zur jeweiligen Evangeliumsstelle ausgesucht.
Damit will die Kirche zweierlei erreichen: Einerseits soll uns auch der große Reichtum des Alten Testaments aufgezeigt werden; andererseits kann der Blick ins Alte Testament auch unseren Blick auf die Texte des Neuen Testaments, auf die Botschaft Jesu schärfen. Jesus selbst und die Apostel lebten und dachten ja durch und durch in den Strukturen der heiligen Schrift des Alten Bundes.

Die heutige alttestamentliche Lesung aus dem Buch Amos stellt uns in diesem Sinne einen grundlegenden Konflikt vor Augen, auf dessen Hintergrund wir dann versuchen können, die Botschaft des Evangeliums besser zu verstehen.

Der Prophet Amos ist der älteste der Schriftpropheten. Sein Auftreten fällt in das 8. vorchristliche Jahrhundert im sogenannten Nordreich Israel mit der Hauptstadt Samarien, ungefähr ein halbes Jahrhundert vor dessen Eroberung durch die Assyrer.
Amos kündigt im Auftrag Gottes diese drohende Katastrophe an und deutet sie als Strafe für den Abfall von Gottes Gesetz und Hinwendung zu anderen Göttern und fremden Kulten.
Dabei macht Amos deutlich, dass die Abwendung von Gott auch eine Entfremdung der Menschen untereinander nach sich zieht. So prangert er beispielsweise an, dass "sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den Armen für ein Paar Sandalen, ... [dass] sie die Kleinen in den Staub treten und das Recht der Schwachen beugen" (vgl. Am 2,6-7).

So tritt Amos also auf als Prophet, als von Gott gesandter Bote. So redet er auch im Staatsheiligtum von Bet-El; und hier kommt es eben zum Konflikt mit dem dortigen Priester Amazja, von dem wir in der Lesung gehört haben. Amazja ist Priester im Tempel, das heißt Staatsbeamter, "denn das hier ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel", wie er selber sagt. Hier als Prophet aufzutreten, das würde einen Auftrag des Königs voraussetzen. Es gab damals tatsächlich solche Tempelpropheten, die von der Staatsmaschinerie eingesetzt gewesen sind, die - etwas überspitzt gesagt - die staatliche Propaganda religiös untermauern sollten. Amos hat keine solche staatliche Legitimation für sein Auftreten als Prophet. Er gibt ja auch selber zu: "Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter und ich ziehe Maulbeerfeigen." Wegen dieser seiner fehlenden Legitimierung durch den Staatsapparat und wegen seiner nicht gerade schmeichelnden Aussagen dem Staat und dem Tempelkult gegenüber will Amazja ihn schließlich des Landes verweisen: Geh ins Land Juda, also in das Südreich! Aber lass uns in Ruhe! Dies ist ein Heiligtum des Königs! Hier darfst du nicht als Prophet auftreten!
Amos kann dieser Aufforderung nur erwidern, dass er tatsächlich kein Prophet im Sinne der Tempel- und Staatspropheten ist. Es ist nicht sein Beruf, eigentlich ist er ein einfacher Bauer. "Aber", so sagt er, "der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!"

Liebe Brüder und Schwestern!
Der Konflikt, der zwischen Amazja und Amos entfacht, ist eigentlich ein Konflikt zwischen dem gottlos gewordenen Staat Israel, in dessen Auftrag Amazja spricht und handelt, und Gott, der Amos berufen hat.
Amos kann nicht auf eine lange Prophetenausbildung zurückschauen. Er hat es auch nicht gelernt, sich in einer politischen oder religiösen Führungsposition zu bewegen. Aber er spricht mit dem Mandat Gottes. Er hat von ihm den Auftrag und die Berufung erhalten, als Prophet aufzutreten.
Der wahre Prophet kann sich nicht auf sich selbst berufen, sondern steht in völliger Abhängigkeit von Gott.

Blicken wir damit nun auf das Evangelium. Jesus sendet seine Apostel aus. Auch die Apostel haben keine großartige Ausbildung genossen, die meisten von ihnen waren einfache Fischer. Aber Jesus sendet sie und gibt ihnen Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, das zu tun, was er selber tut.
Und wenn er ihnen verbietet, außer einem Wanderstab und Sandalen an den Füßen irgendetwas mitzunehmen, dann kann uns das nochmals deutlich machen, was wir bereits beim Propheten Amos gesehen haben: Es ist nicht das Werk der Apostel, nicht ihre eigene Kraft oder ihr eigenes Verdienst, wenn es am Schluss heißt: "Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie."

Liebe Brüder und Schwestern!
Was wir aus dem Konflikt zwischen Amos mit dem Tempelpriester Amazja herauslesen, was wir in der Aussendung der Apostel sehen können, ist nicht nur eine Sache der Vergangenheit.
Kommt es nicht auch heute vor, dass religiöse Inhalte missbraucht werden für die verschiedensten Zwecke? Wir brauchen da gar nicht in die große Weltpolitik zu blicken. Es reicht schon, wenn wir beispielsweise daran denken, was wir persönlich aus den christlichen Festen machen. Wie sehr denken wir zu Weihnachten wirklich noch an Jesu Geburt, an die Menschwerdung Gottes, und an Ostern - und jeder Sonntags ist ein kleines Osterfest - an Kreuz und Auferstehung Jesu, an sein großes Erlösungswerk?
Und kommt es nicht auch heute vor, gerade auch in der Kirche, dass wir zu sehr auf unsere eigenen Ideen, unsere eigenen Vorstellungen, unsere eigenen Patentrezepte für ein Ende der viel beschworenen Kirchenkrise vertrauen, anstatt auf Gott hinzuhören, uns von Jesus senden zu lassen?

Liebe Brüder und Schwestern!
Die heutigen Schrifttexte laden uns ein, uns wieder neu auf Gott hin auszurichten und nach seinem Willen zu fragen; uns selbst hintanzustellen und ihn durchscheinen zu lassen.
So möchte ich schließen mit dem bekannten Gebet des hl. Nikolaus von der Flüe:
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Amen.


Zu den liturgischen Texten

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