32. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn der heutige 11. November nicht auf einen Sonntag fallen würde, würden wir heute den Gedenktag eines großen Heiligen feiern, den bei uns sogar schon jedes Kindergartenkind mit Namen kennt: den hl. Bischof Martin von Tours.
Er ist einer der populärsten und bekanntesten Heiligen und die Geschichte von der Mantelteilung ist vielleicht öfter nachgespielt worden als jede andere Heiligenlegende.

Rufen wir uns die ohnehin bekannte Geschichte kurz in Erinnerung: 
Martin wird wie sein Vater Soldat, obwohl er eigentlich einen anderen Beruf ergreifen möchte. Bereits mit 15 Jahren tritt er in die römische Armee von Frankreich ein. Weil er in allem ein pflichtbewusster junger Mann ist, wird er bald zum Offizier ernannt.
Martin ist noch nicht getauft, erhält aber eine christliche Erziehung und wird Katechumene, Taufbewerber.
Eines kalten Abends ist er mit seinem Pferd auf dem Weg in ein Truppenlager. Da bemerkt er am Stadttor einen leicht bekleideten Bettler; er sieht, dass der Mann friert. Der Bettler fleht Martin um Geld an, doch Martin hat kein Geld bei sich. Er hat aber Mitleid mit dem armen Mann und überlegt, wie er ihm helfen kann. Er nimmt seinen weiten Offiziersmantel, teilt ihn mit dem Schwert und lässt dem Bettler die eine Hälfte zurück.
In der Nacht hat Martin einen Traum: Ihm begegnet ein Mann, der die Hälfte seines Mantels trägt. Dieser sagt zu ihm: "Martin, du bist zwar noch nicht getauft, aber trotzdem hast du mich mit deinem Mantel bekleidet." Nun erkennt Martin: Es ist Jesus Christus, der zu ihm spricht. Er erinnert sich an die Bibelstelle, in der Jesus sagt: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Jetzt weiß er, dass er in dem Bettler eigentlich ihm begegnet ist.
Nach diesem Ereignis lässt Martin sich taufen. Er verlässt die römische Armee, weil er nur noch Christus dienen will; und wir wissen, dass er einige Zeit später sogar Bischof geworden ist.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der hl. Martin hat geholfen mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Er hat keinen Lohn für seine helfende Tat erwartet; was hätte der arme Bettler ihm schon im Gegenzug bieten können!
Damit stehen wir auch schon mitten in der Thematik der heutigen Evangeliumsstelle. Jesus macht zwei konträre Beobachtungen:

Da sind zum einen die Schriftgelehrten, die, die etwas gelten, die etwas gelten wollen. Sie ziehen gerne Aufmerksamkeit auf sich, nehmen Ehrenplätze ein und lassen sich dabei beobachten, wie sie ausführliche und lange Gebete verrichten.
Jesus tadelt dabei nicht, dass sie lange beten oder dass sie ihre langen Gewänder tragen. Aber er sieht die Motivation, die sie dazu bringt. Er sieht - als wahrer Gott und Mensch - in ihr Herz. So kommt er zum Urteil der Scheinheiligkeit. Wie oft ist ihr frommes Gehabe gar nicht so fromm, nämlich ganz auf Gott hin ausgerichtet, sondern nur ein Mittel, um den eigenen Geltungsdrang anderen gegenüber zu stillen, sich selbst in Szene zu setzen.

Die zweite Beobachtung betrifft eine arme Witwe, die eine kleine Opfergabe gibt. Mit den zwei kleinen Münzen, die sie in den Opferkasten wirft, wird wahrscheinlich niemand ernährt werden können. Von außen betrachtet hat sie also weniger gegeben als all die anderen.
Jesus aber blickt hinter diese Tat und erkennt die ganze Tragweite. Sie hat nicht nur uneigennützig gehandelt, sondern "sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt".

Liebe Brüder und Schwestern!
Wir sollten uns davor hüten, zu schnell ein Urteil über Menschen zu bilden aufgrund dessen, was wir an ihnen beobachten können. Wir müssen in unserer Beurteilung tiefer gehen; letztlich so tief, wie wir es als Menschen gar nicht können, denn wer kann schon die innerste Motivation hinter einer vermeintlich guten Tat erkennen?

Die Tat der Witwe, die Jesus im Evangelium beobachtet; die Tat der Witwe in der alttestamentlichen Lesung am Propheten Elija, die ja auch alles, was sie hatte, dem bedürftigen Propheten überlassen hat; die Tat des hl. Martin - das sind keine Taten, die sich in der Öffentlichkeit gut vermarkten lassen. Doch darauf kommt es nicht an.

Eine letzte kleine Anregung: Wir sind oft sehr schnell im Beurteilen von guten und bösen Taten. Wir tun das auch sehr gerne. Wenn wir den anderen Menschen aber nie ganz auf den Grund gehen und deshalb ihre Taten nie bis ins letzte Detail beurteilen können, dann sollten wir unsere Lust zum Beurteilen vielleicht einmal an uns selbst befriedigen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Mit dem 11. November begann vor vielen Jahrhunderten die Vorbereitung auf Weihnachten - Bräuche wie etwa der Laternenumzug erinnern noch daran. Zu einer guten Vorbereitung auf Weihnachten, auf das Kommen Jesu, gehört auch ein ehrlicher Blick auf mich selbst: Wo stehe ich diesem Kommen im Weg? Wo bin ich scheinheilig? Welche Motivation liegt meinen konkreten Taten zugrunde?
Wenn wir uns, vielleicht sogar im Sakrament der Versöhnung, in der hl. Beichte, vom Blick Jesu anschauen lassen, der uns noch besser kennt als wir uns selbst, dann wird er uns gewiss auch über manche dunkle Stellen in unserem Leben hinweghelfen.
Amen.


Zu den liturgischen Texten

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