1. Adventsonntag - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Advent ist wahrscheinlich wie keine andere Zeit des Jahres mit ganz besonderen Emotionen verbunden. Da sind die vielen familiären Traditionen: das Backen der Weihnachtskekse, Adventkranz, Adventkalender, der Besuch des Nikolaus, das Lesen von meditativen Texten, das Singen der alten Advent- und Weihnachtslieder; überhaupt das Beisammensein an kühlen und dunklen Winterabenden im Kreis der Familie. Da sind auch die Advent- und Christkindlmärkte mit ihren verschiedenen Gerüchen und schön anzusehenden Kunstwerken, da ist die Gemütlichkeit, wenn man sich dort in geselliger Runde bei Punsch, Glühwein oder Tee in der Kälte wärmt – etwas, auf das sich heuer viele bereits gefreut haben, das uns aber aufgrund des Lockdowns nun doch wieder versagt bleibt.

Aber nicht nur, dass es die beliebten Märkte heuer wieder nicht gibt, ist „anders“ im Advent. Ich meine damit etwas, das jedes Jahr „anders“ ist, nämlich, wie dieser Advent in der Liturgie der Kirche beginnt: Das Evangelium spricht nicht von Geselligkeit oder schönen Abenden mit der Familie, sondern von Naturkatastrophen, von Zeichen am Himmel, vom Toben und Donnern des Meeres, von der Erschütterung der Himmelskräfte, von existentieller Angst, vom Ende der Welt. – Da könnten wir schon auf die Frage kommen: Wie passt das zusammen?

Liebe Brüder und Schwestern!

Auf der einen Seite ist der Advent natürlich die Vorbereitungszeit auf Weihnachten und bringt er uns damit auch die entsprechenden biblischen Texte in Erinnerung, von denen beispielsweise auch unsere Weihnachtslieder handeln oder sie ausschmücken. Dieser Aspekt steht in der Kirche allerdings erst in der zweiten Adventhälfte, genauer gesagt, ab dem 17. Dezember, im Vordergrund. Der Beginn und der erste Teil des Advents sind tatsächlich in der Liturgie geprägt von der Mahnung zur Wachsamkeit in Erwartung der Wiederkunft Christi.

Advent ist nicht nur die stille Zeit. Er will uns wachrütteln, uns sagen: Es wird ernst. Wenn Christus wiederkommt – und er kommt nicht nur am Ende der Welt, sondern will immer wieder bei uns einkehren – werden die Engel keine Wiegenlieder singen im Stile von "schlafe in himmlischer Ruh", sondern – so heißt es in einem vielfach verwendeten, sprechenden Bild – der Ruf der Posaune wird alle vor den Richterstuhl Gottes einberufen.

Aber – und das ist die tröstliche und hoffnungsvolle Botschaft des Christentums – wir wissen, wer es ist, der am Ende wiederkommt und uns richten wird. Wir wissen es, weil er schon einmal gekommen ist: Und er ist eben nicht als mächtiger und Furcht erregender Tyrann und Diktator gekommen, sondern als "holder Knab im lockigen Haar", als kleines Kind, in Windeln gewickelt, ganz wehrlos in eine ärmliche, stinkende Futterkrippe gelegt.

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Advent ist eine Zeit der Einübung in die Haltung der Wachsamkeit. Wir sollen wachsam sein, das Kommen Jesu in unser Leben erwarten. Wenn wir das Bild vom ersten Kommen Christi vor unserem geistigen Auge haben, dann kann dieses Wort von der Wachsamkeit aber eine weitere, tiefere Bedeutung bekommen als einfach nur zu warten, dass irgendetwas passiert.

"Alles schläft", heißt es im Lied „Stille Nacht“. Ja, die meisten Zeitgenossen haben das Kommen Jesu buchstäblich verschlafen. "Einsam wacht nur das traute, heilige Paar". Und worin besteht diese Wachsamkeit von Maria und Josef? Es ist nicht nur und nicht in erster Linie die Wachsamkeit eines Soldaten, sondern die wachende Sorge liebender Eltern. Jesus ist als hilfsbedürftiges Kind zur Welt gekommen; und so wird er uns bei seinem Wiederkommen auch fragen, wie wir den Hilfsbedürftigen begegnet sind. Wir erinnern uns an sein Wort: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40) – Wenn alle wegschauen, wenn "alles schläft", dann ist von uns Christen diese Wachsamkeit gefordert. Und vielleicht ist ein Advent, der wieder einmal unter Corona-Bedingungen begangen wird, der wieder einmal wirklich ein „stiller“ Advent ist, die Gelegenheit, diese Wachsamkeit neu zu schulen, neu hinzuhören und hinzuschauen, wo jemand unsere Hilfe braucht, ein aufmunterndes Wort, oder auch nur einen freundlichen Blick. So können wir uns wirklich auf Weihnachten vorbereiten, auf das Kommen Jesu in unser persönliches Leben.


Zu den liturgischen Texten


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