33. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Der 33. Sonntag im Jahreskreis und überhaupt das Ende des Kirchenjahres (mit dem Advent beginnt ja in zwei Wochen das neue Kirchenjahr) sind alljährlich geprägt von der sogenannten "eschatologischen" Thematik. Die Eschata bezeichnen in der Theologie die "Letzten Dinge", es geht also um das Ende der Welt, in klassischer Terminologie: Gericht, Himmel, Hölle, Fegefeuer. - Eine Thematik, die wir in der heutigen Zeit wohl ambivalent wahrnehmen können:

  • Einerseits übt der Gedanke an das Ende der Welt eine enorme Faszination auf viele Zeitgenossen aus. Wenn man beispielsweise zeitgenössische Filme anschaut, spielt das apokalyptische Thema oft eine große Rolle.
  • Andererseits hat man gerade innerhalb der Kirche oft den Eindruck, dass angesichts dieser Thematik eine gewisse Sprachlosigkeit herrscht. Man möchte niemand verschrecken, die "Frohbotschaft" nicht zu einer "Drohbotschaft" machen, wie es heißt. Oder man möchte nicht auf ein Jenseits "vertrösten". So klammert man diese Themen nur allzu gerne aus.

Der heutige Sonntag kann eine Einladung sein, sich auch dieser vielleicht unpopulären Thematik zu stellen. Denn wenn man sie immer ausklammert, klammert man etwas Wesentliches vom christlichen Glauben aus: die Hoffnung auf Vollendung.

Ich lade Sie ein, liebe Brüder und Schwestern, nicht gleich abzuschalten, wenn mahnende oder gar drohende Worte in den heutigen Schrifttexten zu vernehmen sind. Ich möchte einige Anregungen versuchen, die uns vielleicht einen Perspektivenwechsel ermöglichen.

1. Die Rede vom Gericht

Es ist ein Faktum, dass die Bibel immer wieder vom Gericht spricht, von einer Scheidung der Guten von den Bösen. So haben wir etwa in der Lesung aus dem Buch Daniel gehört: Viele werden erwachen, "die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu". Auch Jesus spart nicht damit. Im Gegenteil, er selbst bezeichnet sich sogar als Richter.

Wenn man die biblische Überlieferung anschaut, ist "Richter" aber keineswegs ein negativ besetzter Begriff. In der Zeit nach dem Einzug in das Gelobte Land sind es, noch bevor sich das Königtum in Israel herausgebildet hat, sogenannte "Richter" gewesen, die von Gott berufen worden sind und das Volk geführt haben. Rettergestalten sind es gewesen, die das Volk aus großer Not befreit haben. Ihr Richteramt bezieht sich also nicht nur auf das Schlichten von Streitsachen oder, für die Betroffenen negativ gesprochen, auf das strenge Verurteilen; sondern es ist umfassender gedacht. Wenn wir beispielsweise salopp sagen: "Der Papa wirds schon richten", dann meinen wir damit ja auch nicht, dass der Vater seine Kinder verurteilt und bestraft, sondern dass er die Sache in Ordnung bringen wird. So ähnlich dürfen wir uns das Richteramt im biblischen Sinn vorstellen.

Das Gericht am Ende der Welt (und auch das persönliche Gericht am Ende eines Menschenlebens) bedeutet also ein In-Ordnung-Bringen. Der Akzent liegt nicht auf der Beurteilung oder Verurteilung von einzelnen Taten oder Unterlassungen, sondern darauf, dass im Angesicht Gottes der Mensch selbst die Ernte seines Lebens erkennt und sie von Gott einholen lässt, der vielleicht Verstreutes sammelt, Verlorenes zurückbringt, Misslungenes geraderückt - das wäre übrigens auch ein Aspekt dessen, was man klassisch "Fegefeuer" nennt. Und selbst im Fall der "Hölle", des vom Menschen selbst gewählten Ausgeschlossenseins von der Gemeinschaft mit Gott, handelt es sich um ein In-Ordnung-Bringen, weil die Motive geklärt werden und die Konsequenz daraus gezogen wird.

2. Vom Chaos zur Ordnung

Das Motiv des Richtens und des In-Ordnung-Bringens führt mich aber auch noch zu einem zweiten Punkt. Die Redeweise der Bibel ist, wenn sie vom Ende spricht, geprägt von einer erschütternden Sprache, von eindringlichen, katastrophalen Bildern, ja man könnte sagen: vom Chaos. "Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war", hat es in der ersten Lesung geheißen. Im Evangelium spricht Jesus davon, dass "die Sonne verfinstert" wird "und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräte des Himmels werden erschüttert werden." Diese Liste apokalytischer Texte, die von Katastrophen, Krieg, Verzweiflung und Chaos sprechen, ließe sich noch beliebig lange fortsetzen.

Und genau da setzt eben das Gericht ein, das göttliche Eingreifen, eben das In-Ordnung-Bringen des Chaos. So dienen diese drastischen Bilder eben der Illustration des Zustandes der Welt, der das Eingreifen Gottes erfordert.

Man darf sich das wohl so ähnlich vorstellen, wie es auf den ersten Seiten der Bibel beschrieben wird: Schöpfung bedeutet in biblischer Terminologie den Übergang vom Chaos ("die Erde war wüst und wirr" - das hebräische Lehnwort "Tohuwabohu" kommt davon) zum geordneten Lebensraum (so die Aussageabsicht der 7-Tages-Schöpfung, die Gliederung und Ordnung vermitteln möchte). Freilich wissen wir, dass diese Ordnung bedroht ist, nicht zuletzt vom Menschen selbst, der eigentlich von Gott als deren Hüter eingesetzt ist. So ist die Hoffnung auf ein endgültiges Eingreifen Gottes im Gericht letztlich die Hoffnung auf eine Neuschöpfung, auf einen Neubeginn für einen neuen "Lebensraum" für das ewige Leben.

3. Keine "Vertröstung" auf das Jenseits

Es bleibt noch der Vorwurf, die Rede vom Ende oder von der Vollendung, vom Himmel, wäre eine billige Vertröstung auf das Jenseits, wie er beispielsweise vom Kommunismus erhoben wurde.

Natürlich legt es sich nahe, wenn vom Chaos der Welt gesprochen wird, die Sehnsucht nach dem Kommenden aufkommen zu lassen. Und bis zu einem gewissen Grad ist das ja auch durchaus legitim. Wir dürfen, ja wir sollen uns auf den Himmel, auf die Vollendung bei Gott freuen. Aber das entpflichtet uns eben nicht von unserem Leben hier auf Erden. Wenn, wie gesagt, der Mensch als Hüter der Schöpfungsordnung eingesetzt ist, ist er "Mitarbeiter" des göttlichen Gerichts, dieses Prozesses des In-Ordnung-Bringens. Natürlich dürfen wir das entscheidende Eingreifen von Gott selbst erwarten, aber soweit es an uns liegt, dürfen und sollen auch wir die Welt in Ordnung bringen. Wenn der heutige Sonntag auf Einführung von Papst Franziskus hin als "Welttag der Armen" und bereits davor von der österreichischen Caritas als "Elisabethsonntag" begangen wird, dann will uns das auch daran erinnern: Ja, wir dürfen uns freuen auf das endzeitliche Eingreifen Gottes, auf das definitive In-Ordnung-Bringen aller Missstände dieser Welt, aber wo es uns möglich ist, sind wir bereits jetzt berufen, die Welt zum Besseren zu wandeln.

Liebe Brüder und Schwestern!

Die drei Punkte zum Gericht, zu den chaotischen Bildern der apokalyptischen Texte und zum Aufruf zur Mitarbeit am In-Ordnung-Bringen der Welt werden sicher nicht alle Fragen zum Themenkomplex des heutigen Sonntags abschließend behandeln. Vielleicht können sie Ihnen aber eine Hilfe sein, mit diesen Themen umzugehen. Denn eines steht jedenfalls fest: Ausweichen kann man diesen Themen nicht, früher oder später holen sie uns ein. Ist es da nicht besser, sich bereits jetzt damit zu beschäftigen?

Zu den litugischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A