21. Sonntag i. Jkr. - Lj. B (Verabschiedung als Kaplan von Scheibbs)

Liebe Brüder und Schwestern!

Manchmal gibt es einschneidende Momente auf einem Lebensweg: der Wechsel von Schule, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz; oder in persönlicher Hinsicht: das Eingehen einer Beziehung, die Hochzeit, die Geburt von Kindern, der Hausbau oder Umzug in eine neue Wohnung, schwere Krankheiten, auch der Tod von Menschen, die einem nahestehen; im kirchlichen Kontext können wir an Erstkommunion und Firmung denken, an die kirchliche Trauung, für manche ist es der Eintritt in einen Orden, die Diakonen- oder Priesterweihe; oder es sind gesamtgesellschaftliche Ereignisse, die für einen selbst einen gewissen Einschnitt bedeuten: die Älteren unter uns werden vermutlich den zweiten Weltkrieg als ein solch einschneidendes Ereignis benennen, vielleicht auch 1955 den Staatsvertrag, möglicherweise den EU-Beitritt Österreichs, die Einführung des Euro, aber auch andere Dinge wie den Bau einer Umfahrungsstraße. Wir könnten die Liste, denke ich, beliebig lange fortsetzen und jeder kann auch für sich einmal in einer ruhigen Minute nachdenken, wo in seinem bisherigen Leben entscheidende Einschnitte oder Weichenstellungen stattgefunden haben.

Heute ist für mich persönlich sicher ein solch einschneidender Tag: Ich darf nach drei Jahren meine letzte Sonntagsmesse als Kaplan hier in den Pfarren Scheibbs und St. Georgen an der Leys feiern. Das nächste einschneidende Ereignis wird dann - hoffentlich mit positivem Ausgang - die Abschlussprüfung im Lizentiat des Kirchenrechts von 4. bis 7. November sein, bevor als nächste Station ab Dezember das Amt des Moderators im Pfarrverband St. Petrus im Mostviertel auf mich wartet.

Sehr passend dazu, wie ich finde, legt mir und uns allen die Vorsehung durch die kirchliche Leseordnung als erste Lesung heute die Erzählung vom sogenannten "Reichstag zu Sichem" vor. Nach der Landnahme des Volkes Israel unter Josua, nach dem Einzug ins Gelobte Land und der Inbesitznahme des Landes, konstituiert sich das Volk, könnten wir sagen. Gleichzeitig ist es auch das Ende des Buches Josua - und schon dadurch erkennt man, dass es wohl ein einschneidender Punkt in der Geschichte des Volkes ist. Josua, der Nachfolger des Mose, der das Volk bisher angeführt hat, wird wenig später sterben und hält jetzt seine Abschiedsrede. Für das Volk beginnt ein neuer Abschnitt, von dem dann im Buch der Richter erzählt wird: Als freies Volk, das nach langer Zeit der Wanderung und auch der kriegerischen Auseinandersetzung in seinem Land angekommen ist, steht es nun vor der Aufgabe, unter der Herrschaft Gottes sein alltägliches Leben zu führen und zu ordnen.

Einschneidende Ereignisse, liebe Brüder und Schwestern, laden dazu ein, zurückzublicken. So hält, wie gesagt, Josua in der heutigen Lesung auf dem Reichstag zu Sichem seine Abschiedsrede, indem er zunächst an all das erinnert, was Gott bis dato für das Volk getan hat. Dieser lange Rückblick wird in der Leseordnung der Kirche zwar ausgelassen, aber wir dürfen uns die Eckdaten trotzdem stichwortartig in Erinnerung rufen: Josua spricht von Abraham, der dem Ruf Gottes gefolgt ist; er spricht von Mose, der das Volk aus Ägypten geführt hat; und er spricht schließlich davon, wie das Volk den Jordan überschritten hat, was den Beginn der Landnahme bedeutet. - So wie Josua dürfen auch wir immer wieder dankbar auf unser Leben zurückblicken. Manches wird ja überhaupt in der Rückschau erst so richtig verständlich. Wenn ich persönlich auf die letzten drei Jahre in Scheibbs und St. Georgen blicke, dann sind es durchaus verschiedene Eindrücke, die bleiben, auch wenn ich studienbedingt nicht allzuoft hier gewesen bin. Ich denke vor allem an die Gottesdienste, denen ich vorstehen durfte: von festlichen Messen mit dem neu gegründeten Kirchenchor bis hin zu einfachen Werktagsmessen, verschiedene Taufen, Begräbnisse und andere Anlässe, vor Kurzem das 25. Priesterjubiläum unseres Herrn Pfarrers. Ich denke aber auch an sehr emotionale Begegnungen im Krankenhaus oder bei einzelnen Kranken im Pfarrgebiet bei der Spendung der Krankensalbung und Krankenkommunion. Und natürlich, auch wenn sich die Zeit dafür wie gesagt in Grenzen gehalten hat, an schöne Begegnungen außerhalb der Gottesdienste, auch an das gute Miteinander im Pfarrhof mit unserem Pfarrer Anton Hofmarcher und seit einiger Zeit auch mit unserem Seminaristen Christopher. - Ja, es kommt durchaus einiges zusammen, auf das ich heute dankbar zurückblicken kann.

Einschneidende Ereignisse sind also Gelegenheiten innezuhalten und zurückzublicken. Aber auch das dürfen wir von Josuas Abschiedsrede lernen: Es sind auch Gelegenheiten, nach vorne zu blicken. Nachdem Josua seinen Rückblick getätigt hat, fordert er das Volk auf: "Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt" - Entscheidet euch entweder für den Herrn, der all das für euch getan hat, oder für die Götter, denen eure Väter gedient haben, bevor Abraham weggezogen ist, oder für die Götter des Landes, in dem sie nun wohnen.

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte jetzt keine Prognose für die Zukunft abgeben, weder für mich persönlich für meine Lizentiatsprüfung oder für meine Aufgabe in St. Peter noch für die Zukunft der Pfarren Scheibbs und St. Georgen. Aber ich möchte die Worte Josuas aufgreifen und den Ball an Sie weiterspielen: "Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt!" Nehmen wir einschneidende Erlebnisse zum Anlass, uns wieder bewusst für Gott zu entscheiden! Er hat unser Leben auch bisher gelenkt, wollen wir also auch in Zukunft auf ihn vertrauen, ihm unser Leben anvertrauen!

Im Evangelium stellt Jesus an die Menschen die Frage: Wollt auch ihr weggehen? - Ein Wort, das außerordentlich gut auch in unsere Zeit passt. Viele Menschen kehren der Kirche den Rücken, wollen mit Gott nichts zu tun haben bzw. halten es für überholt, an Gott zu glauben und auf ihn zu vertrauen. Da kann die Versuchung schon groß sein, auch wegzugehen, mit dem Strom zu schwimmen. Die Entscheidung kann uns letztlich niemand abnehmen, aber sie ist von großer Bedeutung.

"Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt!" - Liebe Brüder und Schwestern, so darf ich mir als mein Abschiedswort dieses Wort des Josua zueigen machen. Ich bin überzeugt: Wenn wir unser Leben auf die Grundlage einer Entscheidung für Gott stellen, dann wird es ein geglücktes Leben sein trotz aller einschneidenden Erfahrungen, die wir darin machen werden. Möge Gott die große Konstante unseres Lebens sein - das ist mein Wunsch für mich persönlich und für die Pfarren Scheibbs und St. Georgen an der Leys, in denen ich nun drei Jahre in SEINEM Dienst wirken durfte.

Zu den liturgischen Texten


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