22. Sonntag i. Jkr. - Lj. B


Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn ich verschiedene Auslegungen zum heutigen Sonntagsevangelium lese, habe ich manchmal das Gefühl, dass es sich die Autoren zu einfach machen. Pointiert könnte man die Argumentation, die da oft gebraucht wird, so zusammenfassen: Jesus kritisiert die jüdischen Speisevorschriften und wendet sich damit gegen Äußerlichkeiten in der Religion, während es ihm selbst nur auf das Innere des Menschen ankomme. Damit wäre dann auch der ganze liturgische Bereich, die Feier unserer Gottesdienste, als Äußerlichkeiten etwas Sekundäres, das sich nicht auf die ursprüngliche Botschaft und Intention Jesu zurückführen lasse. Überhaupt sei alle äußere religiöse Betätigung höchstens zweitrangig wenn nicht sogar im Generalverdacht stehend, eine falsche "Werkgerechtigkeit" darzustellen, der Jesus gerade entgegentreten wollte.

Einmal ganz abgesehen davon, dass dann letztlich auch beispielsweise jede Art von caritativer Betätigung aus dem Glauben heraus ein Widerspruch in sich wäre - was die Ausleger, die sich in der skizzierten Argumentation bewegen, allerdings bewusst oder unbewusst ausklammern, weil das für das Image des Christentums dann vielleicht doch nicht so positiv sein könnte - entspricht dieser Gedankengang gar nicht dem Bild Jesu, das man bekommt, wenn man nicht nur einzelne Episoden je für sich betrachtet, sondern das große Ganze, das die Evangelien von ihm zeichnen, überblickt.

Jesus ist nicht per se gegen die Einhaltung jüdischer Kultvorschriften. Er sagt ja auch selber, dass kein Jota und kein Häkchen am Gesetz verändert werden wird. Der hl. Lukas berichtet uns, wie sich Maria und Josef sehr genau an die kutlischen Gesetze halten, ja wie sie sogar über das Mindestmaß hinausgehen: Das Reinigungsopfer vierzig Tage nach der Geburt Jesu hätten sie irgendeinem Priester geben können, der es dann nach Jerusalem bringt, aber sie gehen von Betlehem mit dem Neugeborenen selbst zum Tempel. Und nicht zu vergessen: Beim letzten Abendmahl stiftet Jesus im Rahmen eines jüdischen Paschamahles, also einer jüdischen Kulthandlung, den neuen Kult, indem er sich in den Gestalten von Brot und Wein selbst an seine Jünger hingibt. Und wenn wir den liturgisch-kultischen Bereich verlassen und zum alltäglichen Leben des Christen kommen, wird wohl niemand ernsthaft leugnen wollen, dass Jesus sehr wohl ein tatkräftiges Füreinanderdasein fordert und nicht nur ein irgendwie ideelles Miteinanderverbundensein.

Nein, liebe Brüder und Schwestern, ein Christentum, das sich auf Jesus Christus zuzrückführt, darf keine rein innerliche Angelegenheit sein, weder in ihrem Kult noch in ihrer gelebten Nächstenliebe. Und um noch den dritten der klassischen drei "Lebensbereiche" der Kirche zu nennen: Verkündigung der Frohen Botschaft als rein innerlicher Vorgang ist von vornherein gar nicht denkbar.

Was ist es aber dann, was Jesus an den Schriftgelehrten und Pharisäern kritisiert, und was können wir für unsere religiöse Praxis daraus lernen?

Nun, in einem Punkt kann ich der Auslegungstradition, die ich vorhin skizziert habe, zustimmen: Jesus kritisiert die Schriftgelehrten und Pharisäer darin, dass sie nur die äußerlichen Vorschriften befolgen bzw. dass sie die Vorschriften nur äußerlich befolgen. Damit machen sie daraus letztlich ihr eigenes religiöses System und setzen es absolut, machen aus dem "Gebot Gottes" eine "Überlieferung der Menschen", wie es im Text heißt. - Und hier ist, vereinfacht gesprochen, sicher auch eine Gefahr, die wir heute für uns erkennen können. Geht es uns noch um die Sache oder ist der religiöse Vollzug auch bei uns ein rein äußerlicher Selbstzweck geworden, ein schöner Rahmen für andere Dinge, die dann eigentlich im Vordergrund stehen? Als Beispiel, weil jetzt im Herbst bald wieder Erntedank gefeiert werden wird: Ist es uns wirklich ein Bedürfnis, Gott für all das zu danken, was er uns geschenkt hat? Oder feiern wir uns letztlich selbst mit schöner Dekoration, prächtigen Umzügen, großartigen geselligen Feiern und dergleichen?

Liebe Brüder und Schwestern!

Es geht mir - und es geht Jesus - nicht darum, all das als solches zu kritisieren. Nein, all das ist nichts Schlechtes und kann sogar etwas sehr Schönes und Gutes sein. Aber es geht um den Geist, der dahintersteht. Es darf eben kein rein äußerliches Brauchtum werden, sondern muss von Innen her mit Sinn gefüllt sein.

Ich lade Sie ein, diesen Anstoß vom heutigen Evangelium mitzunehmen und - jeder für sich - Ihre eigene Glaubenspraxis zu überdenken: Was mache ich eigentlich nur noch aus Gewohnheit? - Das heißt dann noch nicht, dass ich das aufgeben muss, aber ich bin eingeladen, es wieder neu mit Sinn zu füllen bzw. dem ursprünglichen Sinn dieser Gewohnheit wieder einmal nachzuspüren.

So wird unser Glaubensleben dann tatsächlich kein rein äußerliches Tun sein. In allen Bereichen - in der Verkündigung der Frohen Botschaft, in der liturgischen Feier unsreres Glaubens und in der tätigen Nächstenliebe - kommt es darauf an, dass Äußeres und Inneres übereinstimmen. Und das, liebe Brüder und Schwestern, ist eine Aufgabe, die wir nie endgültig abhaken können, sondern etwas, worum wir uns unser ganzes Leben lang immer wieder neu zu bemühen haben.


Zu den liturgischen Texten

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