Christi Himmelfahrt - Lj. A

Sanzio 01 cropped.png Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Vielleicht kennen einige von Ihnen die "Schule von Athen", ein Fresko Raffaels in den vatikanischen Museen.
Im Zentrum dieses Bildes stehen zwei Männer, von denen der ältere nach oben zeigt und der jüngere auf den Boden deutet.
Der ältere Mann soll den alten griechischen Philosophen Platon darstellen, der jüngere seinen Schüler Aristoteles. Und die beiden unterhalten sich gerade über eine zentrale Frage, ja vielleicht sogar die zentrale Frage der Philosophie.
Mein Philosophieprofessor hat dazu gerne den britischen Philosophen Alfred Whitehead zitiert, der gesagt hat:
"Philosophy asks the simple question: What is it all about?"
In der freien Übersetzung meines Professors lautet diese Grundfrage der Philosophie:
"Was ist das eigentlich Wirkliche an der Wirklichkeit?"
Der in der "Schule von Athen" dargestellte Disput zwischen Platon und Aristoteles zeigt uns die zwei grundlegenden Antwortmöglichkeiten auf diese Frage auf.
  • Für den alten Platon ist das eigentlich Wirkliche an der Wirklichkeit die Welt der Ideen. Sein Finger zeigt nach oben, sagen wir: in den Himmel. Dort ist das eigentlich Wirkliche zu finden. Die Dinge dieser Welt, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, sind für Platon lediglich Abbilder der ewigen Ideen. Nicht der konkrete Tisch, den ich sehen kann, ist die eigentliche Wirklichkeit, sondern die Idee des Tisches, in der Wortwahl meines Professors: die "Tischheit".
  • Aristoteles hingegen verweist seinen Lehrer auf die Erde, holt ihn sozusagen auf den Boden der Tatsachen zurück. Für ihn ist nicht die "Tischheit" das Wirkliche, sondern erst dadurch dass es einen konkreten Tisch gibt, wird diese "Tischheit" etwas Reales. Das eigentlich Wirkliche an der Wirklichkeit ist für Aristoteles nicht die Welt der Ideen, sondern die Dinge selbst sind wirklich und real.

Liebe Brüder und Schwestern!
Warum rede ich heute am Fest Christi Himmelfahrt von griechischer Philosophie?
Nun, weil ich glaube, dass die "Schule von Athen" eine Entsprechung auch in der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte hat.
  • Da sind einerseits die Jünger, die wie Platon in den Himmel blicken, die Jesus nachschauen, der soeben in den Himmel aufgefahren ist.
  • Und da sind die Engel, die wie Aristoteles die Jünger auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Die Himmelfahrt Jesu darf uns eben nicht dazu verleiten, unser Leben auf Erden zu vernachlässigen. Natürlich stimmt es - und darin liegt der wahre Kern von Platon - dass wir als Christen unser letztes Ziel nicht hier auf dieser Erde glauben. "Unsere Heimat ist im Himmel", sagt Paulus.
Und trotzdem - und hier muss Aristoteles seinen Lehrer korrigieren - ist unser Leben auf Erden nichts Zweitrangiges, nichts Unwirkliches, sondern das reale Leben, das im Himmel nicht einfach durch ein anderes ersetzt, sondern vollendet werden wird.

Wenn Jesus vor den Augen seiner Jünger in den Himmel erhoben wird, will er ihnen genau das zeigen. Das neue Leben, das auch uns verheißen ist, hat einerseits eine völlig neue "himmlische" Qualität, aber es ist doch derselbe Jesus, der davor noch mit ihnen geredet und sogar gegessen hat, der in dieses Leben eingeht.
Etwas allgemeiner gesagt: Unser konkretes Menschsein mit Leib und Seele hat einen Platz im Himmel bei Gott, wie auch Jesus als wahrer Mensch mit Leib und Seele in den Himmel aufgefahren ist.

Liebe Brüder und Schwestern!
Es mag Situationen geben, in denen wir uns nach einer idealen Welt sehnen würden, in denen wir wie Platon dieser Welt entfliehen möchten. Aber wahrscheinlich wird uns das Leben selbst bald auf den Boden der Tatsachen zurückholen, wenn wir das versuchen.
Christi Himmelfahrt zeigt uns zweierlei: Ja, es gibt diese ideale Welt des Himmels. Aber man gelangt nicht dorthin, indem man die irdische Welt hinter sich zurücklässt. Um in den Himmel zu gelangen, müssen wir mit beiden Beinen fest im Leben stehen, bodenständig und "geerdet" sein!

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