Oktavtag von Weihnachten - Hochfest der Gottesmutter

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Evangelium der Christmette hat vor einer Woche geendet mit dem Gloria der Engel. Das heutige Evangelium setzt damit ein, dass die Hirten nach Betlehem eilen. Dazwischen steht ein aufs erste unscheinbar wirkender Vers. Da bemerkt der Evangelist Lukas, dass die Engel in den Himmel zurückkehren und lässt die Hirten zueinander sagen: "Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!"

Wir wissen, jede Übersetzung eines Textes in eine andere Sprache beinhaltet bereits eine Interpretation dieses Textes. In unserer deutschen Version klingt die Selbstaufforderung der Hirten sehr banal: sie möchten eben nach Betlehem gehen, hinwandern, hinspazieren. Etwas anders klingt es in der lateinischen Version, in der Übersetzung des hl. Hieronymus, der die Bibel in die damalige römische Umgangssprache übersetzt hat: "Transeamus usque Bethlehem". Er übersetzt die Selbstaufforderung der Hirten nicht nur mit einem einfachen Hingehen, sondern das Wort transire kann auch ein Hinübergehen, ein Hindurchgehen, ein Verwandeln meinen.

Das griechische Wort, das im Original steht (dierchomai) ist offen für beides. Natürlich ist es zunächst ein einfaches Hingehen zur Krippe. Aber ich glaube, die Interpretation des hl. Hieronymus drückt schon auch etwas Wichtiges aus. Dieses einfache Hingehen, dieses Sich-auf-den-Weg-Machen der Hirten ist ein Hinübergehen zu einer gänzlich neuen Wirklichkeit. Das, was sie im Stall finden, hat die Kraft ihr Leben grundlegend zu verwandeln: "Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn" - so sagt es der hl. Paulus im Galaterbrief.

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute, nachdem wir in der Nacht in ein neues bürgerliches Jahr eingetreten sind, setzt das Evangelium ein, nachdem die Hirten ihren "Überstieg" nach Betlehem getan haben, und endet damit, dass das Kind acht Tage später den Namen "Jesus" - "Gott rettet" bekommt.

Wir sind über Nacht in das Neue Jahr gegangen, aber haben wir auch innerlich bereits das transire der Hirten mitvollzogen hin zu Jesus Christus, der unser Retter sein will? Sind wir bereits zur Krippe gegangen? Haben wir für unser Leben bereits erfahren, was es bedeutet, dass Gott Mensch wird? Oder müssen wir nicht viel eher immer neu mit den Hirten sprechen: Transeamus usque Bethlehem. - Lasst uns hingehen nach Betlehem, lasst uns den Überstieg wagen!

In der Liturgie der Kirche ist der 1. Jänner auch das Hochfest der Gottesmutter Maria. In ihr sehen wir einen Menschen, der den Überstieg getan hat, einen Menschen, der sich ganz auf Gott eingelassen hat. Möge sie auch im Neuen Jahr 2021 unser Vorbild und unsere Fürsprecherin sein!


Zu den liturgischen Texten

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