"Bergpredigt" bei den "Oberleiser Wallfahrtstagen"

Aus dem Evangelium nach Matthäus (28,16-20)

Liebe Brüder und Schwestern!

Als es geheißen hat, dass ich für heute auch eine "Bergpredigt" vorbereiten soll, habe ich bei diesem Wort, wie wahrscheinlich die meisten von Ihnen, zuerst an die berühmte Bergpredigt Jesu gedacht. Interessant habe ich beim zweiten Nachdenken darüber aber auch gefunden, dass Jesus im Matthäusevangelium nicht nur seine wahrscheinlich bekannteste Rede auf einem Berg hält, sondern auch seine letzten Worte an die Jünger auf einem Berg spielen - wir haben soeben den Evangeliumsabschnitt gehört, der alle drei Jahre (im Lesejahr A als "Matthäusjahr") an Christi Himmelfahrt verlesen wird.

Dass die Himmelfahrt Jesu bzw. das letzte Zusammentreffen Jesu mit seinen Jüngern im Matthäusevangelium (denn Matthäus erwähnt die Himmelfahrt als solche gar nicht explizit) auf einem Berg lokalisiert wird, möchte ich heute zum Ausgangspunkt meiner "Bergpredigt" machen. Matthäus verortet die Szene, von der wir eben gehört haben, in Galiläa; vielleicht möchte er damit ganz bewusst den Bogen hin zur Bergpredigt spannen.

Wer einmal im Heiligen Land gewesen ist, wird bei der Kombination der Wörter "Berg" und "Himmelfahrt" aber vermutlich eher an den Ölberg in Jerusalem denken. In der Apostelgeschichte ist die Himmelfahrt Jesu in Jerusalem verortet und bereits im vierten Jahrhundert bezeugt die Pilgerin Egeria in ihrem Pilgerbericht 40 Tage nach Ostern eine Feier zum Gedächtnis an die Himmelfahrt Jesu auf dem Ölberg. Bis heute befindet sich auf dem Ölberg die sogenannte "Himmelfahrtskapelle", an der der Himmelfahrt Jesu gedacht wird  (auch wenn sie heutzutage, bis auf einmal im Jahr eben an Christi Himmelfahrt, nicht als christliche Kapelle, sondern als muslimische Moschee verwendet wird). Und in dieser Himmelfahrtskapelle bzw. -moschee befindet sich im Boden ein besonderer Stein, auf dem die letzten Fußabdrücke Jesu hier auf Erden gezeigt werden.

Mir geht es jetzt nicht darum, darüber zu diskutieren, ob diese Fußabdrücke wirklich auf das historische Ereignis der Himmelfahrt Jesu zurückgehen oder nicht. Aber vielleicht kann dieser Stein selbst eine Art "Bergpredigt" sein, indem er uns sagt: Jesus hat in dieser Welt bleibende Spuren hinterlassen! 

Was wäre die Welt ohne Jesus Christus?! Gäbe es überhaupt so etwas wie ein funktionierendes Schulsystem, Alten- und Krankenfürsorge, den Einsatz für die gleiche Würde aller Menschen oder andere soziale Einrichtungen? Ganz zu schweigen vom Sektor Musik, Kunst und Kultur. - Natürlich kommt all das oft in einem säkularen Gewand daher, aber das Christentum, das sich auf Jesus Christus zurückführt, ist mindestens höchst förderlich für deren Entwicklung gewesen.

Und, liebe Brüder und Schwestern, das ist nur ein kleiner Teil der Spuren, die Jesus auf dieser Welt hinterlassen hat. Jeder von uns kann sich auch selber fragen: Welche Spuren hat Jesus in mir selber hinterlassen? Das Vertrauen, dass es jemanden gibt, der mich unbedingt annimmt, so wie ich bin; das Bewusstsein, trotz aller Schicksalsschläge, die es geben mag, bei ihm geborgen zu sein; ... - Wie trostlos würde unser Leben letztlich aussehen ohne diese Spuren Jesu in unserer Gesellschaft und in unserem eigenen Inneren!

Also halten wir fest: Jesus hinterlässt Spuren.

Wenn wir das Geburtsfest Mariens feiern, dann drängt sich in diesem Zusammenhang freilich die Frage auf: Hat auch Maria Spuren hinterlassen? - Eine Steinreliquie, die die Fußabdrücke Mariens ähnlich wie in der Himmelfahrtskapelle bewahrt, ist mir zumindest unbekannt. Und auch wenn wir ihre biographische Bedeutung anschauen, werden wir nicht viel Außergewöhnliches feststellen, außer dem, was wir eben nur durch den Glauben wissen. Eigentlich ist Maria, von der Außenperspektive betrachtet, eine unbedeutende Persönlichkeit in der Weltgeschichte. Und doch dürfen wir sagen: Maria hat große Spuren in der Welt hinterlassen - schon alleine dadurch, dass sie Jesus zur Welt gebracht hat.

Und genau das, liebe Brüder und Schwestern, ist auch unser Auftrag als Christen: Jesus in die Welt tragen. Die letzten Worte an seine Jünger sind: "Macht alle Völker zu meinen Jüngern". Das sind die Spuren, die wir hinterlassen sollen. Ein christliches Leben ist nicht dann geglückt, wenn wir große Grab- oder Denkmäler für uns errichtet haben, sondern wenn wir dazu beigetragen haben, Jesus in der Welt präsent zu machen. "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt", sagt Jesus; und es liegt auch an uns, das für andere Menschen erfahrbar zu machen.

Fassen wir die "Bergpredigt" der Steinplatte in der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg in Jerusalem also zusammen, so ruft uns dieser Stein heute am Vorabend des Festes Mariä Geburt zu: Jesus hat Spuren in dieser Welt hinterlassen. Und nun bist du an der Reihe, Spuren zu hinterlassen, indem du die Spur Jesu für andere sichtbar werden lässt!


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