Darstellung des Herrn

Liebe Brüder und Schwestern!

Der heutige Festtag, 40 Tage nach Weihnachten, hat verschiedene Bezeichnungen.
Für gewöhnlich nennen wir diesen Tag, in Anlehnung an die Kerzenweihe, den Lichtmess-Tag. Der offizielle Titel im kirchlichen Kalender heißt "praesentatio Domini" - "Darstellung des Herrn" bzw. im alten Kalender vor der Liturgiereform "purificatio beatae Mariae Virginis" - "Mariä Reinigung".
Die Ostkirche nennt den heutigen Tag "υπαπαντη του κυριου" - "Begegnung des Herrn".
Kein anderes Fest im Kirchenjahr hat so viele Bezeichnungen; und sie können uns alle etwas davon erzählen, was dieses Fest bedeutet.

Die offiziellen Namen "Darstellung des Herrn" und "Mariä Reinigung" weisen uns auf den alten israelitischen Kult hin, dem Jesus, Maria und Josef sich als gläubige Juden verpflichtet fühlten.

Eine Frau, die einen Sohn geboren hat, gilt gemäß jüdischem Kultgesetz vierzig Tage lang als unrein und muss am 40. Tag nach der Geburt als Reinigungsopfer ein Schaf und eine Taube darbringen. Für arme Leute, so bei Maria, können als Ersatzopfer auch zwei Tauben stehen. - Von daher wird der 40. Tag nach der Geburt Jesu "Mariä Reinigung" genannt.
Zudem gehört es zum Denken Israels, dass jede männliche Erstgeburt in besonderer Weise Gottes Eigentum ist und gleichsam von ihm zurückgekauft, "ausgelöst" werden muss. Dazu wird der erstgeborene Sohn dem Herrn im Tempel präsentiert, dargestellt und gegen eine Geldzahlung an den Tempel ausgelöst. - Von daher wird der 40. Tag nach der Geburt Jesu "Darstellung des Herrn" genannt.

Liebe Brüder und Schwestern!
Diese alten Bräuche mögen uns heute seltsam vorkommen. Doch in der damaligen Zeit waren sie eben selbstverständlich. Der Evangelist Lukas berichtet auch von der Beschneidung des Jesuskindes. All diese Erzählungen wollen uns sagen: Jesus ist dem Gesetz treu - auch dort, wo es ihn als den menschgewordenen Sohn Gottes nicht betreffen würde - denn wenn er seinem Wesen nach mit dem Vater verbunden ist, ergibt es eigentlich keinen Sinn, ihn im Tempel darzustellen und auszulösen.
Der hl. Lukas schreibt sein Evangelium für Christen, die aus dem Heidentum kommen, die vorher nicht Juden gewesen sind; er schreibt auf diese Weise für uns. Wir sind nicht an das alte Kultgesetz gebunden, weil sich in Jesus sein tieferer Sinn erfüllt hat. Der Kult des alten Bundes war darauf ausgerichtet, Gott nahe zu kommen. Mit der Menschwerdung Christi hat sich dieser Sachverhalt umgekehrt: Gott ist uns nahe gekommen; und er macht diese Bewegung auch nicht mehr rückgängig.
Jesus erfüllt das alte Kultgesetz. - Diesen Satz können wir in zweierlei Weise verstehen: Er hält sich einerseits an die kultischen Vorschriften; und andererseits erfüllt er das, worauf der Kult ausgerichtet war, bringt er ihn zu seiner Fülle, lässt er uns die Nähe Gottes erfahren.

Wenn am heutigen Tag die Kerzenweihe stattfindet und wir den 2. Februar deshalb volkstümlich auch "Lichtmess" nennen, hat das sicher einen Anhaltspunkt im Evangelium, wo der greise Simeon Jesus als das "Licht zur Erleuchtung der Heiden" preist.
Das Licht der Kerzen, das die Finsternis erleuchtet, kann uns ein Hinweis darauf sein, dass Gott die Dunkelheiten unseres Lebens erhellen will. In Jesus Christus ist er uns nahegekommen, und diese Nähe will uns nicht unberührt lassen. Sie will uns verwandeln, will uns aus der Dunkelheit ins Licht führen. - Vielleicht können wir hin und wieder daran denken, wenn wir das Licht einer Kerze betrachten.

Liebe Brüder und Schwestern!
Schließlich heißt das heutige Fest in den östlichen Riten das "Fest der Begegnung". Ein vielleicht aufs Erste unverständlicher Titel. Wer oder was begegnet sich?
Die Antwort auf diese Frage können wir auf verschiedenen Ebenen geben. Ausgangspunkt für diese Benennung ist sicher die Begegnung von Jesus, Maria und Josef mit den Propheten Simeon und Hanna. Diese Begegnung können wir aber auch symbolisch deuten:
Es begegnen einander der alte und der neue Bund. Simeon und Hanna, die auf den Erlöser warten, stehen für das Volk Israel; und in Jesus, der in den Tempel gebracht wird, erfüllt sich diese Erwartung.

Und wir können auch noch abstrakt sagen: Es ist ein Fest der Begegnung von Weihnachten und Ostern.
Die Volksfrömmigkeit betrachtet den 2. Februar gerne als Abschluss der Weihnachtszeit, auch wenn diese liturgisch gesehen bereits vor einigen Wochen zu Ende gegangen ist. Wir durften gleichsam bei der Krippe verweilen und machen uns heute mit der hl. Familie, mit Jesus, auf den Weg nach Jerusalem, gehen auf das Osterfest zu.
"Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden; dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen", die Worte des greisen Simeon an Maria weisen auf Tod und Auferstehung Jesu. Ostern ist die logische Konsequenz von Weihnachten.
Gott wird Mensch, teilt ein Menschenleben, bis hin zum grausamen Tod - und gibt uns durch seine Auferstehung Hoffnung auf ein ewiges Leben.

Liebe Brüder und Schwestern!
So will uns der heutige Tag nicht nur durch das liturgische Jahr, sondern durch unser Leben führen.
Er ist eine Einladung an uns, Jesus zu folgen, wenn es sein muss auch nach Jerusalem, hin zum Kreuz.
Über allem aber steht die Hoffnung, die uns seine Auferstehung schenkt. Sein Licht möchte die Dunkelheiten unseres Lebens durchdringen und durch Gottes Nähe und Hilfe überwinden.

Zu den liturgischen Texten

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