15. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Das Evangelium vom barmherzigen Samariter bei einer Nachprimiz!
Ich habe mir das Evangelium nicht ausgesucht, es ist einfach das, was für den heutigen Sonntag vorgesehen ist. Man könnte sagen die göttliche Vorsehung möchte mir damit eine Moralpredigt halten: Sei als neu geweihter Priester nicht so wie der im Gleichnis, der den Verwundeten links liegen lässt und einfach weitergeht!

Liebe Brüder und Schwestern!
Ja, die Botschaft des Evangeliums fordert uns alle heraus, auch mich als Priester.
Ich habe mich lange darauf vorbereitet, die Priesterweihe zu empfangen. Unter anderem auch durch das theologische Studium, durch verschiedenste theoretische und wissenschaftliche Beschäftigung mit unserem Glauben.
Ähnlich ist es mit dem Gesetzeslehrer im Evangelium, der Jesus auf die Probe stellen will. Als Jesus die Frage nach dem wichtigsten Gebot an ihn zurückrichtet, weiß er eine an sich richtige Antwort zu geben: Du sollst Gott lieben und den Nächsten lieben. So weit die Theorie - und sie ist richtig und wichtig zu kennen - aber die eigentliche Herausforderung ist, diese Theorie in die Praxis umzusetzen: Wer ist denn mein Nächster?

In den vergangenen zwei Jahren habe ich hier in Maria Anzbach und Eichgraben nach meinem theologischen Studium, nach der theoretischen Ausbildung viel praktische Erfahrung sammeln können. Und ich glaube, dass beides wichtig war und auch weiterhin bleiben wird: einerseits die theoretische Beschäftigung mit dem Glauben, der Theologie, der hl. Schrift und andererseits das praktische Leben, denn unser christlicher Glaube ist letztlich eben keine Theorie, sondern muss gelebt werden.
Der Priester und der Levit, die am Verletzten vorübergehen, haben sicher viel studiert, aber als es darauf ankam das Gelernte in die Praxis umzusetzen, da haben sie versagt und sind weitergegangen.
Der nicht näher bestimmte Mann aus Samarien, ein Ausländer, wahrscheinlich kein Hochgebildeter, der hat sich des Verletzten angenommen und damit gezeigt, dass er wahrscheinlich mehr von der Botschaft Gottes verstanden hat als die beiden anderen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Meine Aufgabe als Priester ist es, mit Ihnen im Leben zu stehen und den Glauben in diesem Leben anzuwenden. Ja mehr noch: Christus in diesem Leben gegenwärtig erlebbar machen. In der zweiten Lesung hat es von ihm geheißen: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Anders ausgedrückt: Er hat den unsichtbaren Gott in unserer Welt sichtbar gemacht, Gott ist in ihm Mensch geworden, er macht die Liebe und Nähe Gottes unter uns erfahrbar - und er bedient sich dabei an uns als Kirche. Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. - Wir als Gemeinschaft, die sich zu ihm gehörig weiß, haben den Auftrag, wie er die Liebe Gottes in der Welt erfahrbar zu machen.
Und in dieser Gemeinschaft der Kirche kommt eben den Priestern eine besondere Aufgabe zu. Ich bin als Priester wie Sie alle dazu berufen, Christus gegenwärtig sein zu lassen durch ein Leben der Gottes- und Nächstenliebe. Und als Priester sind mir dazu auch noch besondere Vollmachten gegeben. Ich denke dabei besonders an die Spendung der Sakramente und im Speziellen an die Feier der heiligen Messe: Christus wird gegenwärtig auf das Wort des Priesters hin in den Gestalten von Brot und Wein. Und in diesen Gestalten darf ich ihn an Sie, liebe Brüder und Schwestern, weiter austeilen, will er Sie - durch mein priesterliches Wirken - stärken für Ihre Aufgabe als Christen in dieser Welt.

"Quantum potes tantum aude" - "Was du kannst, das sollst du wagen", habe ich mir als Primizspruch ausgesucht und das ist mein Vorsatz: Nicht am Verwundeten vorbeigehen, die Not sehen und das, was ich in der Kraft Gottes durch die Priesterweihe tun kann, auch tatsächlich tun.

Liebe Brüder und Schwestern!
Ich will nicht zu lange predigen, weil es durch den Primizsegen heute ohnehin noch länger dauern wird.
Nicht am Verwundeten vorbeigehen. Letztlich Christus zu ihm bringen und ihn am Verwundeten durch mich wirken lassen. - Das ist eine große Aufgabe, vor die ich gestellt bin, der ich mich aber gerne stelle und hoffe, sie auch einigermaßen - mit viel Unterstützung auch von Ihnen - gut erfüllen zu können.
Amen.


Zu den liturgischen Texten

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