17. Dezember 2021 - Adventbesinnung K.Ö.St.V. Ötscherland Scheibbs im MKV

 

Liebe Kartellbrüder!

Nachdem die Adventbesinnung, die ich Euch zugesagt hatte, aufgrund des Lockdowns verschoben werden musste, trifft es sich, dass wir uns heute am 17. Dezember treffen. Warum ich dieses Datum eigens erwähne? Nun, weil ausgerechnet mit diesem Tag in der kirchlichen Liturgie die "zweite Phase" des Advents beginnt. Der Beginn des Advents ist nämlich eigentlich geprägt gewesen von der Erwartung der Wiederkunft Christi - keine ruhigen oder geselligen Momente, keine Weihnachtsgeschichten, keine stille Zeit, von der da die Rede war. Und ab heute - die unmittelbare Woche vor Weihnachten - tritt nun eben doch der Aspekt in den Vordergrund, den wir alle mit dem Advent verbinden; in der hl. Messe an den Werktagen werden die Evangelien gelesen, die der Geburt Jesu vorausgehen, heute und morgen der Beginn des Matthäusevangeliums und danach das Lukasevangelium, das in der Christmette dann sozusagen in die bekannte Weihnachtserzählung münden wird.

So passt es denke ich doch ganz gut, dass wir heute, am Beginn dieser zweiten Phase des Advents, zu Beginn der näheren Vorbereitungszeit auf Weihnachten kurz innehalten. Als Grundlage dazu möchte ich das heutige Tagesevangelium heranziehen, den Beginn des Matthäusevangeliums. Eine kleine Vorwarnung: Es könnte sein, dass dieser Text für einige von Euch langweilig wirkt; aber ich verspreche Euch, dass er mehr in sich hat, als es auf den ersten Blick scheinen würde ...

Schriftlesung: Mt 1,1-17

Eine lange Reihe von Namen ist es also, mit denen Matthäus sein Evangelium beginnt. Aber, wie gesagt, es gäbe einiges dazu zu sagen. Ich möchte mich auf drei Punkte beschränken.

1. Jesus als der neue David

Schauen wir zuerst auf den letzten Satz. Da ist von 3x14 Generationen die Rede. Dass der Evangelist das so dezidiert gliedert, kann uns vermuten lassen, dass er damit eine bestimmte Aussageabsicht verbindet. Zahlen in der Bibel spielen ja eine große symbolische Rolle. Dazu muss man wissen, dass Zahlen mit denselben hebräischen Schriftzeichen ausgedrückt wurden wie Buchstaben, sodass eben auch Wörter eine Zahlenbedeutung haben können. Und wenn man nun den Namen David, der in der Mitte unserer drei 14er-Gruppen steht, betrachtet, dann ergeben die hebräischen Buchstaben in "David" in Summe genau die Zahl 14. Wenn es also dreimal 14 Generationen sind - 3 ist auch eine besondere Symbolzahl, die für die Fülle oder die Ganzheit steht - dann will das sagen: Jesus, auf den dieser Stammbaum hinausläuft ist der neue, der vollkommene David, wobei David die Symbolfigur des Königs schlechthin ist, aus dessen Geschlecht man auch den Messias, den endgültigen Retter des Volkes, erwartet hat. Mit seiner Zusammenstellung und Gliederung des Stammbaums Jesu hat der Evangelist Matthäus also kunstvoll ausgedrückt, dass Jesus der ist, in dem sich die alten Verheißungen tatsächlich erfüllen, ja in dem sie sogar noch überboten werden (er ist eben "drei" mal David).

2. Gott geht andere Wege

Umsomehr muss es die Leser des Evangeliums überrascht haben, dass der Stammbaum dann am Ende als er zu Jesus kommt, eine seltsame Abzweigung macht. Bisher ist von direkten Zeugungen die Rede gewesen. Abraham zeugte Isaak, Isaak Jakob, usw. Bei Josef angelangt, reißt diese Linie allerdings ab. Da heißt es dann einfach: "Josef war der Mann Marias, von ihr wurde Jesus geboren". Im Anschluss an die Verse, die wir heute gehört haben, wird dann erzählt werden, wie Jesus auf wunderbare Weise von der Jungfrau geboren wurde, Josef ihn aber gleichsam "adoptiert" und so in den Stammbaum aufgenommen hat, der von Abraham über David eben bis zu ihm hinführt. Damit ist zwar die "rechtliche" Abstammung von David sichergestellt, doch ein mulmiges Gefühl kann schon bleiben. Jesus als der neue David tanzt aus der Reihe; er ist zwar ein Ahne des großen König, er fügt sich aber nicht reibungslos ein in den Stammbaum. Ja, Gott geht andere Wege, als die Menschen erwarten würden. Er beginnt mit Jesus etwas Neues, freilich ohne das Alte beiseite zu lassen - Josef nimmt ihn eben auf in die Familie Davids - aber so, dass er alles nochmals in den Schatten stellt, dass er ganz anders handelt, dass er als "Messias" beispielsweise nicht der erwartete politische Befreier von der römischen Besatzungsmacht sein wird, sondern der, der das Volk, ja die ganze Menschheit, aus der Verstrickung in das Böse und die Sünde befreien und sie aufs Innigste mit Gott verbinden möchte.

3. Eine verheerende Familiengeschichte

Das führt mich auch zum dritten Punkt. Denn von Verstrickung in das Böse und in die Sünde spricht der Stammbaum am Beginn des Matthäusevangeliums beinahe in jeder Zeile. Man könnte hier viele biblische Erzählungen in Erinnerung rufen, die mit den Namen des Stammbaums verbunden sind: Jakob, der mit seinem Bruder Esau bricht; David selbst, der seine Frau Batseba, mit der er Salomo zeugt, nur durch einen hinterhältigen Auftragsmord an ihrem Ehemann heiraten konnte - sie wird entsprechend im Stammbaum ja auch einfach die "Frau des Urija" genannt; Ahas, dem es nach dem Urteil des Propheten Jesaja nicht genügte Menschen zu belästigen, sondern der auch noch Gott selbst belästigen wollte, ...

Eine besonders delikate Geschichte findet sich gleich zu Beginn des Stammbaums. Weil sie eher unbekannt ist, möchte ich sie kurz schildern: Es geht um Juda, einen der zwölf Söhne Jakobs, nach dem eben der Stamm Juda, der "königliche Stamm" benannt ist. Wir lesen da im Stammbaum: "Juda war der Vater von Perez und Serach", gefolgt von der lapidaren Feststellung: "ihre Mutter war Tamar". Doch wer war diese Tamar? Nun, zuerst war sie die Frau von Judas ältestem Sohn Er. Dieser ist aber bald nach der Hochzeit verstorben, ohne dass aus der Ehe zwischen ihnen Kinder hervorgegangen wären. Nach damaligem Recht war damit der nächstälteste Bruder in der Pflicht, ihr Nachkommen - und damit eine rechtliche Absicherung - zu verschaffen. Aber Onan, der Bruder Ers, "ließ seinen Samen zur Erde fallen", sodass Tamar auch von ihm keine Kinder bekam. Kurz darauf starb auch Onan. Schließlich blieb noch der dritte Sohn Judas, Schela, übrig. Doch sein Vater Juda zögerte die Hochzeit hinaus, weil er fürchtete, auch sein jüngster Sohn könnte ihm durch die Heirat genommen werden. Wenig später stirbt die Frau Judas; da greift Tamar zu einer List: Sie umhüllt sich mit Tüchern und Kleidern und gibt sich als Prostituierte aus, die Juda aufsucht. Als Pfand für die ausstehende Entlohnung ihrer Dienste überlässt ihr Juda seinen Siegelring und seinen Stab. Aus dieser Begegnung mit ihrem Schwiegervater wird Tamar schließlich schwanger - ohne dass Juda freilich gewusst hätte, dass es seine eigene Schwiegertochter gewesen wäre, mit der er sich vergnügt hatte. Als er nun bemerkt, dass Tamar schwanger ist, will er sie wegen Unzucht töten lassen. Tamar aber kann durch den Siegelring und den Stab beweisen, dass Juda selbst es gewesen ist, der zur vermeintlichen Prostituierten gegangen ist.

Diese delikate Geschichte also, die vermutlich Stoff für so manche Verfilmungen bieten würde, steht relativ am Beginn des Stammbaums Jesu. Perez, der den Stammbaum weiterführt, und sein Zwillingsbruder Serach sind aus dieser anrüchigen, für uns geradezu amüsant klingenden Familiengeschichte entstanden.

Ja, der Stammbaum Jesu ist nicht frei von Skandalen, Familiendramen, Eifersüchteleien, Mord und Totschlag. - Doch gerade so kann er für die Situation stehen, in die hinein Jesus als Retter geboren wird.


Liebe Kartellbrüder!

Was nehmen wir uns mit von diesem Stammbaum Jesu? Ich möchte versuchen, diese drei Punkte kurz zusammenzufassen und - weil es ja eine Advent-"Besinnung" sein soll - ein paar Fragen daraus abzuleiten, die wir uns in einer kurzen Stille stellen können.

1. Jesus ist die Erfüllung der alten Verheißungen.

Gibt es vielleicht auch in meinem eigenen Leben Unerfülltes? Vielleicht manche Sehnsüchte? Traue ich Jesus zu, durch sein Kommen auch mein eigenes Leben zu "erfüllen"? Oder ist Weihnachten für mich nur schmückendes Beiwerk?

2. Gott handelt anders als wir es erwarten.

Bin ich bereit, mich auch von ihm überraschen zu lassen? Oder habe ich mein vorgefertigtes Bild - vielleicht vom "lieben Gott" - in das er sich einzupassen hat? Lasse ich mich auf ein Leben mit ihm ein, auch wenn es mich vielleicht auf unbekannte Pfade bringen wird?

3. Jesus radiert die Geschichte, auch die sündige Geschichte nicht aus; er tritt gerade dort ein, wo sich Menschen von Gott entfernen.

Wo gibt es kleine und große Skandale in meinem eigenen Leben? Bin ich bereit, Jesus auch diese Seiten von mir hinzuhalten? Vielleicht sogar in einer ehrlichen Weihnachtsbeichte?

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