9. November - Weihetag der Lateranbasilika


Liebe Brüder und Schwestern!

Die Schriftlesungen am heutigen Weihetag der Lateranbasilika sprechen in unterschiedlicher Weise vom Tempel.
Der Tempel - das ist das Haus Gottes, die steingewordene Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes, Inbegriff und Zentrum der Glaubenspraxis Israels zur Zeit Jesu.


Die erste Lesung, die wir gehört haben, ist aus dem Buch Ezechiel genommen. Der Prophet Ezechiel gehörte zu jenen, die beim ersten Ansturm der Babylonier auf Jerusalem im Jahr 597 v. Chr. ins babylonische Exil gelangten.
Im Exil, fern der Heimat, erfährt er seine Berufung als Prophet und wird zum Mahner des Volkes. Er hält den Juden im Exil vor Augen, dass es ihre Schuld ist, dass sie aus dem Land fortgebracht wurden. Denn Gott selbst hat das Land verlassen, er ist aus dem Tempel und aus Jerusalem ausgezogen, weil das Volk nicht so gehandelt hat, wie es sich für das Volk Gottes geziemt hätte.
Aber Ezechiel hat auch eine tröstende Botschaft für das Volk: Er verkündet auch die Rückkehr Gottes in den Tempel. Gott wird zurückkehren und auch das Volk wird wieder heimgeführt. Gott wird wieder inmitten seines Volkes wohnen.
Und in der Vision, die wir heute als Lesung gehört haben, beschreibt Ezechiel die Wirkung dieser neuen Gegenwart Gottes, die sich eben nicht auf den Tempel beschränkt. Aus dem Tempel entspringt ein Fluss, der durch das ganze Land fließt und alles belebt. Am Ende mündet der Fluss in das Meer; gedacht ist an das Tote Meer, in dem es aufgrund des hohen Salzgehaltes keinerlei Leben gibt - und selbst dieses todbringende Wasser des Toten Meeres wird "gesund" und genießbar. Ja, die neue Gegenwart Gottes wird alles gut machen, sofern sich das Volk an den Bund mit Gott hält, sofern es nach seinen Geboten lebt, sofern es wirklich Volk Gottes bleibt. - In der Fremde, im Exil gesprochen versteht man die Mahnung des Propheten sehr gut, denn man erlebt ja gerade, was es bedeutet, sich von Gott abgewandt zu haben.

Liebe Brüder und Schwestern!
So ist der Tempel also der Inbegriff von Gottes Gegenwart, die er seinem Volk schenken will. Im Evangelium des heutigen Festtages vergleicht sich Jesus mit diesem Tempel - "Er aber meinte den Tempel seines Leibes".
Das, wofür der Tempel stand, das wissen wir als Christen mit Jesus endgültig erfüllt: Er ist die Gegenwart Gottes, er ist selbst der menschgewordene Gott, er ist der wahre und ewige Tempel, der nicht von Menschenhand zerstört werden kann - "Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten."

Ezechiel sieht vom Tempel einen Fluss ausgehen, der alles mit Leben erfüllt. So will Jesus, der wahre Tempel, uns sein Leben schenken. Von ihm geht in Wahrheit dieser Strom aus, der alles gesund macht.
Auf unserem Altarbild hier in Eichgraben ist das geöffnete Herz Jesu auf dem Kreuz zu sehen, aus dem dieser Strom entspringt.
Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in Rom in der Lateranbasilika gewesen sind, deren Weihetag wir heute feiern. Aber auch dort ist im Apsismosaik das Kreuz dargestellt, aus dem Wasser entspringt. Und rechts und links neben dem Kreuz lagern sich Tiere, die von diesem Wasser trinken.
Jesus möchte die Quelle unseres Lebens sein!

Liebe Brüder und Schwestern!
Bei Ezechiel ist die Zusage der lebensspendenden Gegenwart Gottes verbunden mit der Warnung, nicht wieder von ihm abzufallen, diese Gegenwart Gottes ernst zu nehmen und anzunehmen.
Das führt mich zum dritten Bild vom Tempel, das die heutigen Schriftlesungen uns mitgeben, nämlich zur Lesung aus dem ersten Korintherbrief, wo Paulus den Christen in Korinth zuruft: "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?"
Ja, auch aus uns soll dieser gewaltige Fluss entspringen, auch wir sollen dazu beitragen, dass Gottes Gegenwart in der Welt erfahrbar wird. Das ist unsere Aufgabe als "Kirche", als "zum Herrn Gehörende".

Der heutige Festtag erinnert uns daran, dass wir mit dieser Aufgabe nicht allein dastehen. Wir feiern den Weihetag der römischen Bischofskirche, wir feiern unsere Verbundenheit mit dem Papst und darum mit allen Ortskirchen, die mit ihm in Gemeinschaft stehen. Es sind nicht einzelne kleine Bäche, die aus den je für sich dastehenden Christen entspringen sollen - diese würden wahrscheinlich bald vertrocknen; sondern es ist der eine große Fluss der Gnade, der letztlich von Jesus Christus ausgeht, zu dem jeder das Seine beitragen soll.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der Tempel steht für Gottes Gegenwart, die uns in Jesus Christus geschenkt ist und die auch durch jeden einzelnen von uns erfahrbar sein soll.
Gott will uns begleiten, er will uns nahe sein. Das ist seine große Zusage; und wir sind eingeladen, uns auf ein Leben mit ihm einzulassen.

Zu den liturgischen Texten

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