1. Fastensonntag - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

Wer kennt sie nicht, die kleinen und großen Verführungen des Alltags?
Man hat sich vorgenommen, nichts zu naschen - und dann ist es fast so, als würde einem die Chips-Packung geradezu zurufen, dass es köstlich wäre, sie zu öffnen.
Oder man fährt auf einer breiten, geraden Straße, weit und breit niemand zu sehen, auch keine Polizei - warum also nicht gegen die Regel verstoßen und etwas schneller fahren?
Der Lehrer, der während der schriftlichen Prüfung immer ganz vertieft in seine Lektüre ist, sollte man bei dem etwa nicht schwindeln?
Wir alle kennen Situationen, die uns in Versuchung führen.

Die erste Lesung und das Evangelium, die wir gehört haben, berichten uns auch von zwei Versuchungsgeschichten, die eigentlich ähnlich aufgebaut sind, aber doch grundverschieden ausgehen.

Zuerst die Gemeinsamkeiten:
*) In beiden Fällen tritt der Versucher auf. 
In der ersten Lesung ist es die "Schlange", die der Frau ihre suggestiven Fragen stellt und sie verführt, die verbotene Frucht zu essen.
Im Evangelium wird der Versucher, der Jesus gegenübertritt, unverblümt der "Teufel" genannt. Und er greift an, als Jesus am geschwächtesten ist, nachdem er 40 Tage und 40 Nächte lang gefastet hat.
*) Aber nicht nur der Versucher ist den beiden Geschichten gemeinsam, sondern es handelt sich auch um ähnliche Versuchungen.
"Ihr werdet wie Gott", flüstert die Schlange der Frau ein.
"Wenn du Gottes Sohn bist ...", so sagt es der Teufel zweimal zu Jesus.
*) Und eine letzte Gemeinsamkeit: In beiden Fällen kommt es zu einem Gespräch mit dem Versucher, wobei die Schlange bzw. der Teufel durchaus auf Gottes Gebot bzw. das Wort der hl. Schrift verweisen kann, um seine verführerische Argumentation zu untermauern: "Hat Gott wirklich gesagt? ... denn es heißt in der Schrift".

Liebe Brüder und Schwestern!
Nicht hinter jeder Versuchung, die uns in unserem Leben begegnet, muss gleich der Teufel persönlich stehen. Aber geht es nicht auch uns manchmal so, dass uns die besten Ausreden einfallen, warum wir dieser Versuchung nicht doch nachgeben sollten?
Erliegen wir nicht allzu oft der Versuchung, so wie es bei Adam und Eva der Fall war?

Mit diesen Fragen komme ich auch schon dazu, worin sich unsere beiden Versuchungsgeschichten unterscheiden:
*) Der auffallendste Unterschied ist sicherlich die Reaktion Evas und die Reaktion Jesu.
Eva weiß sehr wohl, was Gottes Gebot gewesen ist. Sie kann es der Schlange ganz richtig zitieren. Doch im Gespräch mit dem Versucher wird sie schwach und lässt sich verführen. 
Jesus hingegen widersteht den Versuchungen des Teufels. Eigentlich genauso wie Eva zitiert er das Wort Gottes, doch mit dem Unterschied, dass er sich daran hält.
*) Damit sind beide Geschichten aber noch nicht zu Ende.
Denn es ist noch nicht genug, dass Eva selbst der Versuchung erliegt, sie zieht auch ihren Mann mit hinein, gibt auch ihm zu essen von der Frucht, sie übernimmt nun selbst die Rolle des Versuchers. Und es wird nicht lange dauern, bis das Böse weitere Kreise zieht: Kain, der Sohn von Adam und Eva, wird seinen Bruder Abel erschlagen; und wenige Generationen später wird Lamech jedem 77fache Rache schwören, der ihm etwas zuleide tut.
Dass Adam und Eva der Versuchung nachgeben, zieht Folgen nach sich. Paulus sagt es in der zweiten Lesung so: "Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod". In der Geschichte vom Sündenfall wird das auch dadurch ausgedrückt, dass die beiden - was wir heute in der Lesung nicht mehr gehört haben - aus dem Paradies vertrieben werden, dessen Eingang fortan von den Cherubim, von Engeln Gottes bewacht wird.
Und bei Jesus? Wie sehen die Folgen der bestandenen Versuchung aus? Auch hier kommen die Engel ins Spiel, aber mit einer anderen Aufgabe: "es kamen Engel und dienten ihm". Und an die Geschichte von den Versuchungen Jesu schließt sich nicht wie nach dem Sündenfall eine Spirale des Bösen an, sondern Jesus beginnt sein öffentliches Wirken: zuerst die Bergpredigt, gefolgt von verschiedenen Heilungserzählungen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Wenn diese beiden Versuchungsgeschichten am Beginn der Fastenzeit stehen, ist das eine Einladung an uns, auch gegen unsere Versuchungen anzukämpfen, gegen die großen und die kleinen.
Nicht immer wird uns das gelingen. Aber immer dürfen wir zu Jesus aufschauen, der stellvertretend für uns alle Versuchungen überwunden hat: "Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden."

Und uns wird zugesagt: Gott ist kein Gott, der ewig nachträgt. Wir dürfen, wenn wir der Versuchung nachgegeben haben, zu ihm kommen und ihm unser Herz ausschütten. Der große König David hat schwere Schuld auf sich geladen, weil er seiner Begierde nachgegeben hat und den Mann der schönen Batseba töten hat lassen, weil er diese Frau selbst begehrte. In der Reue und im Schmerz über seine schlimme Tat hat er uns aber eines der schönsten Reuegebete hinterlassen, das wir uns auch immer wieder zueigen machen dürfen, wenn wir schwach geworden sind, den Psalm 51, den wir vorhin als Antwortpsalm gehört haben:
"Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld ... Wasch meine Schuld von mir ab ... Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz"

Nutzen wir die Fastenzeit dazu, gegen manche Versuchungen anzukämpfen! Und halten wir Gott unser Versagen hin, wenn es uns nicht gelingt, verbunden mit der Bitte, immer besser darin zu werden! Nicht zuletzt kann auch das Sakrament der Buße, eine ehrliche Osterbeichte, dazu eine große Hilfe sein.
Amen.

Zu den liturgischen Texten

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