Aschermittwoch

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Leseordnung der Kirche bietet uns am heutigen Aschermittwoch zum Beginn der Vorbereitungszeit auf Ostern einen Text aus dem Buch Joel.
Vor dem Abschnitt, den wir heute gehört haben, schildert der Prophet Joel die Folgen einer Heuschreckenplage und beginnt sein prophetisches Buch mit einem eindringlichen Ruf:
"Hört her, ihr Ältesten, horcht alle auf, ihr Bewohner des Landes! Ist so etwas jemals geschehen in euren Tagen oder in den Tagen eurer Väter?" (Joel 1,2)

Obwohl die Plage überwunden ist, verwendet Joel diese drastische Sprache. Mancher Zeitgenosse wird sich darüber wohl gewundert haben. Ja, eine Plage hat es gegeben, aber das ist Vergangenheit; nun geht alles seinen geregelten Gang: die Machtverhältnisse sind stabil, man hat sich mit der persischen Herrschaft abgefunden, der Kult ist wiederhergestellt - sowohl politisch als auch religiös erscheint alles in Ordnung, warum also dieser eindringliche Aufschrei des Propheten?

Ähnliche Fragen beschäftigen uns vielleicht auch heute: Wozu dieser radikale Einschnitt, den die Fastenzeit darstellt? Wozu der Verzicht? Wozu die gedämpfte Stimmung? Es ist doch alles in Ordnung!

Joel ist mit seiner Intervention jedenfalls der Meinung, dass dem nicht so ist. Ja, sowohl politisch als auch religiös scheint alles korrekt zu laufen. Aber das ist ihm zu wenig!
Political correctness - davon ist auch heute viel die Rede; und gewiss gibt es auch eine religious correctness. Man will ja, gerade in diesen sensiblen Bereichen, nicht anecken. Aber zumindest für den Propheten Joel ist das zu wenig!

Joel wünscht sich nicht ein funktionierendes System, sondern eine echte Hinkehr zu Gott und so spricht er als Sprachrohr Gottes zu seinen Zeitgenossen aber auch zu uns: "Kehrt um zu mir von ganzem Herzen ... Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!"
Die Umkehr zu Gott darf nicht nur äußerlich vollzogen werden - durch einen "funktionierenden" religiösen Apparat - sondern muss eine Herzenssache sein. Der Prophet gibt uns auch einen Ratschlag, wie diese "Herzensumkehr" geschehen kann: "mit Fasten, Weinen und Klagen".

Betrachten wir kurz diese drei Ratschläge des Propheten Joel, die uns die Kirche auch als Ratschläge für den Beginn der österlichen Bußzeit mitgibt.

Das Fasten.
Dass damit mehr gemeint ist als seinen Winterspeck loszuwerden, dürfte klar sein. Ein echter Verzicht kann vielmehr unsere Sensibilität stärken für das, was wirklich wichtig ist. Wir lassen alles beiseite, was nicht lebensnotwendig ist, was Luxus und Überfluss bedeutet. Das Fasten eröffnet uns so einen Freiraum, in dem wir das Wesentliche unseres Lebens in den Blick bekommen können. (Weil Leib und Geist eine Einheit bilden, kann das leibliche Fasten dazu eben einen wichtigen Beitrag leisten.)

Das Weinen.
Wer weint, zeigt sich verletzlich. Man wird weich. Aber es kann auch befreiend sein. Die Aufforderung zu "weinen" kann also bedeuten, schonungslos ehrlich zu sich selbst zu sein und zuzulassen, dass man einmal nicht der "Starke" ist, der alles selber kann. Es kann damit auch bedeuten, sich von dieser Last zu befreien, alles von sich selbst zu erwarten. Es macht uns letztlich also offen für Gott.

Und schließlich: das Klagen.
Damit ist nicht das gute alte österreichische Sudern gemeint, kein Beklagen von allem und jedem. Nein, im Klagen drückt man aus, was schlecht ist an einem selbst und an der Welt, die einen umgibt.
Und: Im Gegensatz zum Fasten und Weinen, das man auch ganz bei sich vollziehen kann, hat die echte Klage einen Adressaten. Es ist die Einladung, alles Schlechte Gott selbst zu übergeben.

Liebe Brüder und Schwestern!

  • Fasten - der Verzicht auf Nebensächliches,
  • Weinen - die Erkenntnis und das Zulassen eigener Unzulänglichkeiten 
  • und Klagen - das Hinhalten alles Schweren zu Gott;

diese drei Dinge rät uns der Prophet Joel für eine echte Hinkehr zu Gott, auch wenn scheinbar alles in Ordnung ist, wenn unser Leben, unsere alltägliche Routine nicht akut bedroht ist.

Ganz nüchtern und ohne Ausschmückung ruft uns die Liturgie bei der Auflegung des Aschenkreuzes gleich zu: "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst."
Was wäre besser geeignet, uns aus unserer Alltagsroutine herauszurufen als dieser ungeschminkte Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit!
Was könnte uns mehr Gott zuwenden als die Gewissheit, dass zumindest am Ende uns niemand sonst mehr halten kann und wir ohne ihn tatsächlich nur "Staub" sind!
Was könnte uns besser auf Ostern vorbereiten, auf das Fest, das den Sieg des Lebens über den Tod feiert, als uns dem ganzen geballten Schrecken des Todes und der eigenen Sterblichkeit auszusetzen!

So will uns die beginnende Fastenzeit einladen, uns wirklich von ganzem Herzen Gott zuzuwenden. Dann wird der Satz am Ende der Lesung auch für uns Realität und feste Gewissheit werden: "Da erwachte im HERRN die Leidenschaft für sein Land und er hatte Erbarmen mit seinem Volk."

Amen.

Zu den liturgischen Texten

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