18. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Erneuerung. - Ein Wort, das gerade in kirchlichen Kreisen in aller Munde ist. Überall wo man hinschaut, gibt es Reformprozesse, Erneuerungsbewegungen und dergleichen. Und weil manchen alles nicht schnell oder weit genug geht, werden weitere Erneuerungs- und Reformforderungen erhoben.

Erneuerung. - Eine Forderung, die aber schon so alt ist wie die Kirche selbst. In der zweiten Lesung haben wir gehört, wie bereits Paulus bzw. der Autor, der unter seinem Namen den Epheserbrief geschrieben hat, von seiner Gemeinde fordert: "lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken!"

Ich möchte diese Reformforderung des Paulus heute etwas näher betrachten. Denn ich meine, dass wir davon auch für unsere Zeit etwas lernen können, wie echte Erneuerung gelingen kann.

Auf den ersten Blick scheint sich Paulus dabei auf moralische Themen zu stürzen. Er macht der Gemeinde Vorhaltungen über ihr schlechtes Verhalten bzw. ermahnt sie, ja nicht in die schlechten, heidnischen Gebräuche zurückzufallen, denen sie vor ihrer Taufe angehängt sind. Und was wir davon in der Lesung gehört haben, ist eigentlich nur ein kleiner Ausschnitt. So ist es wohl oft auch heute, dass die Kirche an ihren Moralvorstellungen eingeordnet wird. Manche Reformforderung richtet sich ja nicht von ungefähr gerade an die kirchliche Morallehre. Ich habe bei derartigen Forderungen immer meinen Philosophieprofessor im Ohr, der Herbert Grönemeyers Song "Stück vom Himmel" zitiert hat: "Religionen sind zu schonen, sie sind für die Moral gemacht!" - Und er hat heftigst widersprochen: "Nein, es ist genau andersrum! Nicht die Religion ist für die Moral da, sondern die Moral erwächst aus der Religion."

Liebe Brüder und Schwestern!

Natürlich ist die Moral ein wichtiger Bereich der kirchlichen Lehre und Verkündigung. Das möchte ich gar nicht bestreiten, doch steht sie eben nicht für sich und ist damit nicht beliebig. Paulus hat das gewusst, wenn er seine moralischen Forderungen mit dem Satz begründet, den wir in der Lesung gehört haben: "Ihr habt Christus nicht so kennengelernt." - Das ist die Begründung für die moralischen Forderungen des Paulus: Weil Christus anders gehandelt hat, weil ihr ihn anders kennengelernt habt, darum sollt ihr so und so handeln. Wenn man den griechischen Urtext des Neuen Testaments betrachtet, könnte man sogar noch zugespitzter formulieren. Da heißt es nämlich emáthete tòn Christón, was man übersetzen kann mit "Ihr habt Christus kennengelernt", aber auch einfach mit "Ihr habt Christus gelernt", so wie man sagt "Ihr habt lesen, schreiben und rechnen oder kochen oder Rad fahren gelernt": Christsein heißt "Christus" lernen; zu lernen, wie er zu sein, ihm ähnlich zu werden, ihm nachzufolgen.

So steht bei Paulus, auch wenn die Moral sehr ausgefaltet wird, im Letzten nicht eine Morallehre im Zentrum, ein System von Verboten und Geboten, von Tugenden und Lastern, sondern eine Person: Jesus Christus.

Wenn heute viele Reformdebatten geführt werden, wenn es um Strukturen oder auch, wie bei Paulus, um moralische Themen geht, dann muss das der letzte und grundlegende Gedanke dahinter sein: Christus lernen. Seine Person steht im Mittelpunkt. Und eine Reform, die nicht von seiner Person ausgeht, an ihn rückgebunden ist, wird leer bleiben. Dann wird die beste Struktur nicht zu einem christlichen Leben beitragen können.

Liebe Brüder und Schwestern!

Reformdebatten sind wichtig; Strukturreformen, wie wir sie im Moment auch in unserer Diözese erleben, sicher von Zeit zu Zeit notwendig. Doch wie wirksam diese Dinge tatsächlich sein werden, das hängt von jedem einzelnen von uns ab. Denn die alte und grundlegende Erneuerungsforderung des Paulus, die ergeht auch an uns: "Lasst euch erneuern", indem ihr "Christus" lernt!

Zu den liturgischen Texten

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