6. Juli 2021 - Amelungenmesse am Di. d. 14. Wo. im Jkr. - Lj. I

Liebe Bundesbrüder,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In der Lesung haben wir heute eine Erzählung gehört, die viele von uns vielleicht noch aus dem Religionsunterricht kennen; eine Erzählung, die wir zu den bekannteren Schilderungen des Alten Testaments zählen können, die aber gleichwohl eine der rätselhaftesten ist und bleibt: Jakob, der Stammvater des Volkes Israel, ringt die ganze Nacht über mit einem unbekannten Mann.

Rufen wir uns kurz den Kontext der Szene in Erinnerung. Jakob hatte sich durch eine List das Erstgeborenenrecht von seinem älteren Bruder Esau erschlichen. Daraufhin ist er vor seinem Bruder geflohen, weil er seine Rache fürchtete. Inzwischen hat er zwei Frauen, Rahel und Lea, und elf Söhne. Jetzt ist für den älter werdenden Jakob die Stunde gekommen, heimzukehren und seinem Bruder Esau entgegenzutreten. Zuerst schickt er seine Herden als Versöhnungsgeschenk für seinen Bruder voraus; dann lässt er seine Frauen und Söhne den Fluss überqueren. Schließlich bleibt nur noch er am Fluss Jabbok zurück. Und hier spielt eben die Szene, die wir heute gehört haben.

Es ist sicher nicht die einzige mögliche Deutung, aber vielleicht will uns das Faktum, dass Jakob zunächst alleine zurückbleibt, sagen, dass er noch nicht bereit ist, auf seinen betrogenen und vermutlich wütenden Bruder Esau zu treffen. Der nächtliche Kampf mit dem Unbekannten wäre dann eine Ausgestaltung seiner inneren Kämpfe. Ja, Versöhnung mit dem zerstrittenen Bruder setzt zunächst ein Umdenken in sich selbst, ein Ringen mit sich selbst voraus. - Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Durch den Erzählzusammenhang wird klar, dass es sich bei dem Unbekannten wohl um eine Erscheinung Gottes handeln muss. Immerhin wird Jakob danach ja Israel - Gottesstreiter genannt. - Die Versöhnung mit dem zerstrittenen Bruder ist nicht nur eine Sache zwischen zwei Männern, sondern betrifft auch Gott. "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan (oder nicht getan) habt, das habt ihr mir getan (oder nicht getan)", wird Jesus einmal sagen. Jakob, der in seinem Inneren mit sich selbst um die Versöhnung mit Esau ringt, ringt auch mit Gott. Ja, indem er sich überwindet und Esau entgegenziehen möchte, um ihn um Verzeihung zu bitten, versöhnt er sich auch mit Gott.

Dritter Punkt: Es bleibt offen, wer den Kampf gewinnt, Jakob oder der Unbekannte. Jakob kann ihn zwar irgendwie in die Flucht schlagen, doch er erleidet eine bleibende Verletzung am Hüftgelenk. Vielleicht kann dieser "Folgeschaden" uns darauf hinweisen, dass man sich zwar immer wieder versöhnen soll, dass jeder Streit mit dem Bruder aber auch bleibende Folgen haben kann, dass man ihn darum nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Aber, vierter Punkt, der Unbekannte, jetzt eindeutig als Gott selbst erkennbar, entfernt sich nicht von Jakob-Israel, ohne ihn zu segnen. Ja, wenn man sich um die Versöhnung bemüht, mit sich selbst um die Versöhnung ringt, dann liegt Gottes Segen über dieser Absicht - auch wenn es manche bleibende Folgen oder Schäden geben sollte; im Fall Jakobs dargestellt in seinem fortan lebenslangen Humpeln.

Liebe Bundesbrüder!

Was können wir uns aus dieser Schilderung mitnehmen? Nun, ich denke, das Thema Versöhnung liegt dabei wohl auf der Hand. Die Heilige des heutigen Tages, die hl. Maria Goretti, hat diese Versöhnung und Vergebung sogar gegenüber ihren Vergewaltigern geübt. Doch vielleicht kann uns das heute gerade innerhalb der Verbindung ans Herz gelegt werden. Jakob und Esau waren Brüder - und wir wissen, dass es zwischen Brüdern, auch zwischen Bundesbrüdern, immer wieder zu kleineren oder größeren Meinungsverschiedenheiten, Streitereien, Kämpfen, Intrigen und dergleichen kommt. Nehmen wir uns - auch für unseren bundesbrüderlichen Umgang miteinander - die vier Punkte mit, die ich gerade herausgestrichen habe:

1. Echte Versöhnung setzt ein Umdenken voraus - zuerst auch in mir selbst.

2. Versöhnung mit dem Bruder ist auch Versöhnung mit Gott.

3. Nicht entmutigen lassen, wenn nach der Versöhnung noch "Folgeschäden" bleiben, wenn es vielleicht einen fahlen Beigeschmack gibt!

4. Denn auf echter, ehrlicher Versöhnung liegt ganz sicher Gottes Segen.

Zu den liturgischen Texten

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