Dominica Paschae - Ad vesperas

"Haec dies quam fecit Dominus. Exsultemus et laetemur in ea. Alleluia."

Dieser Pslamvers, den wir als Antwort auf die Lesung soeben gesungen haben, prägt die römische Osterliturgie wahrscheinlich wie kein zweiter. Die ganze Osteroktav vom Ostersonntag bis zum Weißen Sonntag steht er an zentraler Stelle im Stundengebet.

"Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Lasst uns jubeln und in ihm uns freuen. Halleluja."

Dieser Vers ist entnommen aus Psalm 118 (bzw. 117 nach griechischer und lateinischer Zählung). Und ich denke, es lohnt sich, diesen prominenten Osterpsalm am Abend des Ostertages zu betrachten.

In der neuen Einheitsübersetzug ist der Psalm überschrieben mit "Danklied auf den Herrn und Dankfest im Tempel". So wie uns der Text heute vorliegt, liest er sich eben wie ein Dankgebet eines einzelnen, der in schwerer Bedrängnis Rettung und Hilfe von Gott erfahren hat, nun in den Tempel einzieht und sein Dankopfer darbringt.

Der Psalm beginnt und endet mit den Worten: "Danket dem Herrn, denn er ist gut, denn seine Huld währt ewig." - "Confitemini Domino quoniam bonus, quoniam in saeculum misercordia eius."
Damit ist der Grundduktus des Gebetes angegeben. Im Letzten ist es nicht die Erfahrung der eigenen Rettung, für die Gott Dank gebührt. Die einzelne Machttat Gottes mag Anlass sein, die Stimme zu erheben und ein Dankopfer darzubringen, doch Gottes Güte ist weit größer als das, was der einzelne erfahren kann. Der Dank des einzelnen weitet sich hinein in das Universale, ja hinein in die Ewigkeit: IN SAECULUM misercorida eius.

In dieser Grundstimmung erinnert sich der Beter des Psalms an die große Not, in der er sich befunden hat: "Alle Völker umringen mich ... sie umringten mich wie Bienen ... du stießest mich, dass ich stürzte ... der HERR hat mich gezüchtigt." Er erinnert sich an das, was geschehen ist und bringt es im Gebet vor Gott. Und so lässt er die große Not, die er erfahren hat, zur Freude und zum Dank werden: "Der HERR ist für mich, ich fürchte mich nicht. Was können Menschen mir antun? ... Ich wehrte sie ab im Namen des HERRN. ... Meine Stärke und mein Lied ist der HERR, er ist für mich zum Retter geworden."

So zieht der Beter des Psalms freudig zum Tempel und wird empfangen von den Jubelrufen aus den "Zelten der Gerechten": "Die Rechte des HERRN, Taten der Macht vollbringt sie, die Rechte des HERRN, sie erhöht".
Das, was der einzelne erlebt hat, wird sozusagen, indem es in den Tempel, vor die Gegenwart Gottes, getragen wird, zum Erlebnis des ganzen Volkes. Der einzelne steht nie nur für sich da, sei es in Not und Bedrängnis oder in Glück und Freude. In Gott ist das Volk eine einzige große Schicksalsgemeinschaft.

In dieser großen Gemeinschaft wird der Tag der Errettung des Beters zum Festtag für das Volk Gottes: "Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat", den er für uns zum Freudentag, zum Festtag gemacht hat, "wir wollen jubeln und uns über ihn freuen."

Fassen wir zusammen, was der Beter des Psalms erlebt, so dürfen wir wohl folgende Schritte festhalten:
- Er erfährt in großer Not die Hilfe Gottes. Das wird ihm zur Erinnerung an das Erbarmen des Herrn, das in Ewigkeit besteht und noch viel größer ist als die Erfahrung, die er selbst gemacht hat.
- In dieser Freude entschließt er sich, zum Tempel zu gehen und Gott ein Dankopfer darzubringen.
- Dadurch wird der Freudentag des einen zum Freudentag des ganzen Volkes, denn "dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat".

Wenn die Kirche diesen Psalm in der Liturgie als ihren Osterpsalm betrachtet, dann müssen wir ihn von Christus her verstehen; und dann erhält er eine unerhörte Tiefendimension:
- Das Leid und die Rettung des einzelnen ist der Tod und die Auferstehung Jesu.
- Und auch Jesus geht in den Tempel, in die Gegenwart Gottes. Der Hebräerbrief verwendet dieses Bild, wenn es dort heißt: "Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand gemachtes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst".
Und Jesus bringt dem Vater auch ein Dankopfer dar. Ja, wir müssen sogar sagen: Es ist sein innerstes Wesen, sich an den Vater hinzuschenken. Jesus macht seine Menschwerdung und seinen Tod am Kreuz zum Ausdruck dessen, was im Inneren Gottes von Anbeginn das Leben der drei göttlichen Personen ausmacht: die wechselseitige Hingabe. - Das ist das große Dankopfer, die Eucharistie, die der Sohn dem Vater darbringt.
- Und wie das Opfer des einzelnen gläubigen Israeliten einen Freudentag für das Volk bedeutet, so sind auch wir hineingenommen in die Hingabe Jesu an den Vater, wird das Dankopfer an den Vater auch ein Sühneopfer für uns.

"Haec dies quam fecit Dominus. Exsultemus et laetemur in ea."
Ja, wir dürfen uns wirklich freuen, wenn wir Ostern feiern. Wir feiern die Hineinnahme unserer zerbrechlichen, sterblichen Natur, die Jesus mit uns geteilt hat, in das Leben Gottes selbst: 
Wir dürfen teilhaben an der ewigen Liebe des Sohnes an den Vater.
Wir dürfen uns umfangen wissen von der Liebe des Vaters an den Sohn.
Wir dürfen im Heiligen Geist diese gegenseitige Liebe von Vater und Sohn teilen.
Und das im Bewusstsein, dass die Liebe Gottes stärker ist als alle Trauer hier auf Erden, dass nach jedem Karfreitag ein Ostermorgen auf uns wartet, "quoniam in saeculum misercordia eius".

Wollen wir also als österliche Menschen leben! Wollen wir das auch ausstrahlen, was uns Gott in so reichem Maße schenkt!
Exsultemus et laetemur in ea. Alleluia.

Amen.


Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A