Karfreitag

Liebe Brüder und Schwestern!

Die allermeisten von Ihnen werden aus dem Fernsehen, den Zeitungen, den sozialen Medien oder anderswoher die Bilder der brennenden Kathedrale Notre Dame in Paris bzw. das eingestürzte Dach und den verwüsteten Kirchenraum vor Augen haben.
Dieses Unglück hat sich am vergangenen Montag, also ziemlich zu Beginn der Karwoche ereignet.
Als ich diese Bilder gesehen habe, habe ich gerade über das nachgedacht, was wir in dieser Woche feiern. Und da ist mir das Wort Jesu in den Sinn gekommen: "Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufbauen."

Dieses Wort Jesu steht zwar nicht in der Johannespassion, die wir heute gehört haben, aber wir finden es bei Markus und Matthäus als Anschuldigung gegen ihn, um seine Verurteilung zu erwirken.
Wie gesagt, bei Johannes kommt dieser Ausspruch Jesu nicht während der Passionsgeschichte vor, aber dafür an anderer Stelle. Bereits im 2. Kapitel, gleich zu Beginn seines Evangeliums, berichtet Johannes von der Tempelreinigung. Und als die Juden von Jesus ein Zeichen für die Legitimation seiner Tat fordern, gibt er ihnen eben zur Antwort: "Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten." (Joh 2,19) Und Johannes fügt erklärend hinzu: "Er aber meinte den Tempel seines Leibes." (Joh 2,21)

Von Anfang an ist für den Leser des Johannesevangeliums also klar: Die Rolle, die der Tempel gespielt hat, nämlich Zeichen für die Gegenwart Gottes inmitten des Volkes zu sein; diese Aufgabe übernimmt nun Jesus, das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist.
Jesus Christus ist die Gegenwart Gottes, Jesus Christus ist der Tempel des Neuen Bundes.
Das kommt auch in der Passionserzählung des Johannes zum Ausdruck, etwa wenn Pilatus Jesus nach seiner Herkunft befragt.

"Reißt diesen Tempel nieder!", damit meint Jesus nicht in erster Linie das Gotteshaus, sondern sich selbst.
Und wir können sagen: Ohne es zu wissen, haben die Führer des Volkes genau dieses Wort erfüllt, für das sie Jesus verurteilen wollten; den Tempel seines Leibes niedergerissen.
Und wir wissen: Auch der zweite Teil der Ankündigung hat sich bewahrheitet. "In drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten." Das dürfen wir zu Ostern feiern.

Liebe Brüder und Schwestern!
Für uns haben unsere Kirchen, unsere Gotteshäuser, nicht die Bedeutung des Tempels, denn diese Aufgabe übernimmt Jesus.
Unsere Kirchenbauten stehen nur insofern für Gottes Gegenwart, insofern sie für Christus stehen; insofern sich die Gemeinde darin versammelt, "denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen"; insofern sie Orte des Gebetes sind, des Redens, der Begegnung mit ihm; und schließlich insofern Jesus im Tabernakel im Sakrament der Eucharistie selbst wahrhaft zugegen ist.

Eine Pfarrgemeinde ist nicht umso lebendiger, je größer oder schöner ihre Kirche ist, sondern je mehr sie sich an Jesus orientiert. Die Sorge um unsere Kirchen soll keine reine Denkmalpflege sein, sondern Ausdruck der Verbundenheit mit Jesus!

Liebe Brüder und Schwestern!
Uns stehen die schrecklichen Bilder vom Brand in Notre Dame vor Augen. Doch es existieren auch andere Bilder:
Bilder von durchgehend jungen Gläubigen, die mit Blick auf die brennende Kathedrale den Rosenkranz beten;
das Bild eines Feuerwehrkaplans, der das Allerheiligste und die Dornenkrone Christi, die Hauptreliquie von Notre Dame, aus der Kirche rettet.
Diese Bilder haben mich persönlich sehr betroffen und nachdenklich gemacht, als ich sie am Dienstag in der Früh gesehen habe.

Die Flammen mögen das Gebäude zerstören können. - "Reißt diesen Tempel nieder!"
Aber das, was Kirche wesentlich ist, lässt sich davon nicht berühren. Denn dabei geht es um Jesus, der einmal am Kreuz für uns gestorben ist, zerstört wurde, und der in seiner Auferstehung alles überwunden hat. - "In drei Tagen richte ich ihn wieder auf."

Wenn wir uns an ihn halten, können wir als Kirche alle Schicksalsschläge überwinden, seien es Bilder von Katastrophen, die um die Welt gehen oder ganz einfach die Schwierigkeiten meines persönlichen Alltages.

So wollen wir nun in dieser Karfreitagsliturgie in den großen Fürbitten bewusst für alle Menschen auf dieser Welt beten;
wir wollen danach vertrauensvoll auf das Kreuz blicken, ihn auch sichtbar in unsere Mitte stellen;
und ihn dann in der heiligen Kommunion selbst in uns einziehen lassen, auf dass er auch den zerstörten Tempel unseres Leibes wieder aufrichte.

Zu den liturgischen Texten

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