28. Sonntag im Jahreskreis - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Keine ansprechenden Gesten, keine Handauflegung, keine Heilungsgebete, ja nicht einmal eine Zusage im Sinne von "Ihr sollt geheilt sein".
Eine ungewöhnliche Heilungsgeschichte, die wir soeben im Evangelium gehört haben.
Das einzige, das Jesus den zehn Aussätzigen sagt, die zu ihm um Erbarmen rufen, ist: "Geht, zeigt euch den Priestern!"

Dazu muss man wissen, dass die Priester als eine Art "Amtsärzte" im alten Gesetz die Aufgabe hatten, die Erkrankung des Aussatzes festzustellen, was einen Ausschluss aus der Gemeinde zur Folge hatte. Zu ansteckend war die Krankheit, zu gefährlich für alle, die in die Nähe der Unreinen kamen. Wenn sich jemand den Aussätzigen näherte, mussten diese laut schreien: "Unrein, unrein!", um die Gesunden zu warnen, ja nicht näher zu kommen.
Und so wie die Priester die Krankheit feststellen mussten, waren es auch sie, die eine wunderbare Heilung davon feststellen und die Unreinheit für aufgehoben erklären konnten; modern gesprochen: die die Geheilten "gesundschreiben" mussten.

Liebe Brüder und Schwestern!
Es ist wohl allen zehn klar, dass das Wunder der Heilung während ihres Ganges zu den Priestern von Jesus bewirkt wurde. Warum aber kehrt dann nur einer um, um sich bei ihm zu bedanken? Und dieser eine ist noch dazu kein Jude, sondern ein Samariter, ein Ausländer.
Der Theologe Hans Urs von Balthasar deutet diesen Umstand so: "für die Juden unter den Kranken ist das im Gesetz vorgeschriebene Liturgische so entscheidend, daß sie allen Sinn der Heilung in die vorgeschriebene Zeremonie verlegen." Und er vergleicht das mit "manche[n] Christen, die das 'Praktizieren' als das Zentrum der Religion betrachten und die von Gott erhaltene Gnade [...] darüber ganz vergessen." (1)

So müssen wir uns, im Sinne Hans Urs von Balthasars, heute die Frage gefallen lassen: Wie sieht das bei uns aus? Bedeuten uns unsere Rituale und Liturgien noch etwas? Sind sie noch Ausdruck von etwas? Oder sind sie reiner Selbstzweck geworden?

Wenn in Maria Anzbach vergangene Woche das Erntedankfest gefeiert wurde, ist das einfach nur ein schönes Herbstfest, eine feierliche Zeremonie? Oder denken wir wirklich daran, wem wir das alles zu verdanken haben?
Und so könnten wir das Kirchenjahr mit seinem Brauchtum weiter durchgehen:

  • Rorate-Messen: Kuschelige Atmosphäre bei Kerzenschein oder Ausdruck des Wachsam-Seins in der Erwartung des Kommens Christi?
  • Weihnachten: Lichter- oder Winterfest oder die tiefe Freude über die Menschwerdung Gottes?
  • Die Sternsinger: Eine Gelegenheit für Kinder, verkleidet von Haus zu Haus zu gehen oder ein Hineintragen der Weihnachtsfreude in unsere Häuser - auch in Solidarität mit den Hilfsbedürftigen?
  • Ostern: schönes Frühlingsfest, Ostereier-Suchen oder das Fest schlechthin, die Teilhabe am neuen Leben des Auferstandenen?
  • Fronleichnam: Folklore-Veranstaltung, reines Brauchtum oder Ausdruck der Freude über die wirkliche Gegenwart des Herrn in der Eucharistie?
Was für das Kirchenjahr gilt, das gilt schließlich auch für das Leben des Einzelnen:

  • Taufe als nette Familienfeier zum Beginn eines Lebens oder Freude über die Annahme eines Kindes durch Gott, Feier des neuen Lebens, das er uns schenken möchte?
  • Ein christliches Begräbnis als "a scheine Leich", als reines Abschiednehmen oder als innige Bitte an Gott, dem Verstorbenen das ewige Leben zu schenken?
    - um nur zwei Anlässe zu nennen.
Uns würden bestimmt noch weitere Punkte einfallen. Und es geht mir gar nicht darum, unser Brauchtum schlecht zu machen. Immerhin hat der Glaube dadurch über Jahrhunderte gesellschaftliche Relevanz erlangt; ist es auch heute noch möglich, damit Menschen anzusprechen und für Jesus zu begeistern.
Und alles das, was ich in der vorherigen Aufzählung angeführt habe, ist ja per se nichts Schlechtes. Aber wir dürfen nicht an der Oberfläche stehenbleiben! Wenn das Christentum Zukunft haben will, muss es mehr sein als Brauchtumspflege.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der eine Geheilte, der umgekehrt ist, um Jesus zu danken, war ein Fremder. Vielleicht braucht es manchmal diesen Blick von außen, um das Entscheidende zu erkennen.
Und wenn in unserer Zeit viele Menschen der Kirche fernstehen, ist es für uns eigentlich umso leichter, jemanden zu finden, der solch einen Außenblick hat. Lassen wir uns davon durchaus auch anfragen! Nehmen wir das zum Anlass, über unsere eigenen Traditionen nachzudenken und deren tieferen Sinn wieder neu zu entdecken!
Schließlich dürfen wir auch wissen, dass derjenige, der den Blick von außen hat, nicht immer ein Außenstehender bleiben muss: Wenn wir ihm glaubwürdig vorleben, dass all unser christliches Brauchtum letztlich von Christus kommt und zu ihm führen will, dass es Ausdruck dessen ist, dass wir von ihm so überreich Beschenkte sind, dann kann der Außenstehende - wie der Samariter im Evangelium - vielleicht auch zu Jesus hinfinden.

Papst Franziskus hat den Oktober 2019 zum außerordentlichen Monat der Weltmission erklärt. Mission - andere Menschen für Christus gewinnen - dieses große Projekt fängt eigentlich damit an, selbst nicht nur oberflächlich, sondern überzeugt und überzeugend als Christ zu leben.

Zu den liturgischen Texten

Anmerkungen:
(1) Hans Urs von Balthasar, Licht des Wortes. Skizzen zu allen Sonntagslesungen, Einsiedeln 2012 (4. Auflage), 318

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