Allerheiligen

Liebe Brüder und Schwestern!

Am Allerheiligentag geht unser Blick oft in die Vergangenheit. Wir denken an liebe Menschen, die verstorben sind, besuchen die Gräber unserer Toten.
Allerheiligen - ein Blick in die Vergangenheit?
Die Texte der Liturgie laden uns heute dagegen vor allem ein zu einem Blick in die Zukunft!
"Heute schauen wir deine heilige Stadt, unsere Heimat, das himmlische Jerusalem",
heißt es in der Präfation des heutigen Festtages.

Wir dürfen heute einen Blick in den Himmel werfen, in die Zukunft, die uns verheißen ist, in die letzte Zukunft der Welt und des Menschen.

Wie stellen wir uns den Himmel vor? Manchmal hört man Leute sagen: "Da will ich gar nicht hinkommen; das ist ja fad; ewig auf der gleichen Wolke sitzen und das immer gleiche Halleluja singen!"
Und ich muss diesen Leuten Recht geben: Wenn das der Himmel wäre, dann würde uns sehr schnell sehr langweilig werden!
Das Bild, das uns die heutige Festtagsliturgie zeichnet, ist aber nicht das der einsamen Wolken, sondern das farbenfrohe Bild der "heiligen Stadt".

Der Seher Johannes darf auf der Insel Patmos diese großartige Vision von der heiligen Stadt sehen, die er uns in der Apokalypse, dem Buch der Offenbarung, überliefert hat.
Er sieht eine Stadt, die vom Himmel herabkommt. - Der Himmel, die himmlische Stadt; das spielt sich nicht abgehoben über den Wolken ab! Ganz geerdet, bodenständig ist der Himmel, den Johannes uns ausmalt, so bodenständig, dass er es sogar im Bild einer Stadt tun kann, die zwar von Gott herkommt, aber doch auf der Erde, auf dem Boden der Tatsachen errichtet wird.

Prächtige Bilder sind es, die der Seher verwendet, um das zu beschreiben, was er sehen und erleben durfte. Er spricht von prächtigen und kostbaren Edelsteinen, von riesigen Toren und Stadtmauern, von nach damaligem Städtebauideal perfekt angelegten Straßen. Unvorstellbare Ausmaße hat diese Stadt, selbst heutige Großstädte können nicht mithalten. Sie ist in etwa so groß wie das damalige römische Weltreich: Die ganze Welt hat Platz in dieser Stadt!

In dem Stück der Beschreibung der himmlischen Stadt, das wir heute in der ersten Lesung gehört haben, ist von den Bewohnern der Stadt die Rede. Nicht nur eine städtebaulich perfekt angelegte und prachtvoll ausgestaltete Stadt ist es, sondern auch eine besiedelte, mit Leben gefüllte Stadt: 144.000 Menschen aus allen Stämmen Israels und dazu noch eine unzählbare Schar von Menschen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen.

Nicht vereinzelte Wolken sind es, die Johannes als Bild des Himmels sehen darf. Nein, der Himmel ist eine Stadt. Und bei aller Perfektion, mit der sie angelegt ist; auch wenn alle Bewohner dieser Stadt weiße Gewänder tragen, ist es kein Einheitsbrei. Mit einer unzählbaren Schar aus allen Nationen, Völkern und Sprachen könnte man von einer regelrechten Multi-Kulti-Stadt sprechen.
Mir kommt dabei das Bild, dass ich etwa über den Graben in Wien oder auf dem Stephansplatz gehe und die verschiedenen Menschen beobachte und belausche, sofern es meine Sprachkenntnisse zulassen.
Eines ist gewiss: Langweilig wird es in dieser Stadt sicher nicht!

Jeder Bewohner der himmlischen Stadt, egal woher er kommt, behält seine Eigenart. Alles, was auf Erden zu seiner Persönlichkeit und Biographie gehört hat, das macht auch sein Leben in der himmlischen Stadt aus. So sind ja auch die Heiligen sehr oft mit Symbolen aus ihrem Leben hier auf Erden dargestellt.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der Himmel - das sind keine weißen Wolken, auf denen wir sitzen und die Engel als Boten zwischen den einzelnen Wolken hin und her schicken.
Der Himmel - das ist die große, schöne Multi-Kulti-Stadt mit verschiedensten Menschen.

Heute dürfen wir in der Liturgie einen Blick in diesen Himmel werfen. Und dieser Blick fordert uns auch heraus:
Denn auch ich bin berufen, Bewohner dieser Stadt zu sein. Mit welchen Symbolen meines Lebens würde ich dargestellt werden? Mit welcher Biographie kann ich in diesen Himmel einziehen?
Leben wir hier und heute so, dass unser Leben "ewigkeitstauglich" ist!
Die vielen Heiligen, die wir verehren, können uns Vorbilder sein, wie solch ein Leben ausschauen kann. Sie sind uns auch Fürsprecher bei Gott, dass uns dieses Vorhaben gelingen kann.
Amen.

Zu den liturgischen Texten

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