30. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich denke jeder von uns genießt es hin und wieder, vor anderen "gut dazustehen"!
Wenn ich meine Arbeit gut erledigt habe; wenn mir eine zündende Idee gekommen ist; wenn ich etwas Gutes bewirken konnte; wenn ich deshalb von anderen gelobt werde - dann habe ich das Gefühl, gut dazustehen.
Interessanterweise können wir in unserer Sprache dieses Gefühl mit dem Wort "dastehen" ausdrücken, das ja zunächst einmal einfach bedeutet: Ich stehe da - ich bin hier. "Ich stehe gut da" könnte also bedeuten: Ich bin gut hier - Es ist gut für mich, heute hier zu sein.


Liebe Brüder und Schwestern!
Das dürfen wir uns auch von Gott zusagen lassen: Du stehst gut da vor mir! - Es ist gut für dich, bei mir zu sein!
Oder anders gemünzt: Ich bin bei dir, deshalb stehst du gut da!


Das Gefühl, gut dazustehen, ist oft verbunden mit Vorleistungen meinerseits. Und es ist verlockend, mich dann mit anderen zu vergleichen, um dieses Gefühl noch zu verstärken: Im Gegensatz zu dem da, diesem Versager, stehe ich wirklich gut da!

Bei Gott müssen wir keine Vorleistungen erbringen, um gut dazustehen vor ihm. Das kann uns das heutige Evangelium sagen. Ja, im Gegenteil: der Pharisäer, der meint ganz nahe bei Gott zu sein, der ganz vorne im Tempel steht und seine religiösen Leistungen vorrechnet, dem verstellt eigentlich sein Leistungsdenken - und damit sein Vergleichsdenken, sein innerer Wettbewerb mit den Räubern, Betrügern, Ehebrechern "oder auch ... diese[m] Zöllner dort" - den echten Blick zu Gott. Wenn man den Text des Evangeliums genau liest, wird auch klar, dass der Pharisäer seine Rede gar nicht an Gott richtet. Er betet προς εαυτον - "zu sich selbst". So steht er letztlich nicht gut da vor Gott, sondern vor sich.

Der hl. Evangelist Lukas stellt dieser Haltung des Pharisäers nun ausgerechnet jenen entgegen, mit dem er sich in seinem "Gebet" selbst verglichen hat: "diese[n] Zöllner dort"; jenen Menschen, bei dem er meinte, im Vergleich mit ihm noch besser dazustehen.
Der Zöllner aber weiß, dass er nicht gut dasteht. Er ist auf seinen Lohn so sehr angewiesen, dass er in den Dienst der feindlichen Besatzungsmacht getreten ist um Geld zu verdienen - um den Preis der sozialen Ausgrenzung. Nein, er steht nicht gut da vor seinen Mitmenschen, er steht nicht gut da wahrscheinlich auch vor sich selbst - sonst würde er sich ja wohl nicht als "Sünder" bezeichnen.
Und dieser Mann, dieser Zöllner, dieser Sünder, der ohne jede Vorleistung kommt, ja sogar eher Minuspunkte auf seinem Moralkonto angesammelt hat; dieser Mann steht vor Gott gut da, sagt uns Jesus.

Liebe Brüder und Schwestern!
Wie stehen wir da vor Gott?
Von ihm her haben wir die Zusage: Es ist gut für dich, hier zu sein. Ich warte auf dich, du brauchst nur zu mir zu kommen. Ich habe ein offenes Ohr für dich, besonders für alles, was dich belastet.
Verstellt mir auch manchmal der Blick auf mich selbst den Blick auf Gott?
Gut dastehen vor ihm - das ist nicht meine Leistung, sondern seine Gnade!

Wenn ich in der hl. Messe immer wieder aufgefordert werde: "Erhebet die Herzen", kann ich dann wirklich antworten: "Wir haben sie beim Herrn"? Bin ich bereit, mich vor ihn hinzustellen - ohne auf das zu pochen, was ich so Großartiges leiste? Bin ich bereit, mein Herz, mein Inneres, das Schwergewicht meines Ich nicht bei mir und meinen Leistungen, sondern bei IHM und seiner Gnade zu haben?
Ein Ja als Antwort auf diese Fragen bedeutet: Ich stehe vor Gott gut da, weil er gut auf mich schaut.
Amen.

Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A