28. Jänner 2020 - Seminarprimiz, Thomas von Aquin, Di d. 3. Wo. i. Jkr. II

Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst!
Liebe Seminaristen!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Als ich den Termin für die heutige Seminarprimiz mit dem Herrn Subregens am Telefon ausgemacht habe, hatte ich nicht am Schirm, dass sie auf den Gedenktag des hl. Thomas von Aquin fällt, des wahrscheinlich größten theologischen Lehrmeisters des Mittelalters und weit darüber hinaus. Ein schöner Zufall!
Denn auch mein Primizspruch "Quantum potes tantum aude" - "Was du kannst, das sollst du wagen" ist ein Zitat, das vom hl. Thomas stammt.

Die Vorsehung hat mir für meine Seminarprimiz aber nicht nur den hl. Thomas als Vorlage geliefert, sondern auch die Schrifttexte des heutigen Wochentages - und hier möchte ich besonders auf die Lesung aus dem zweiten Buch Samuel eingehen, die mir auf den ersten Blick ein ganz anderes Bild vorstellt als den hl. Thomas.

Wenn ich an Thomas von Aquin denke, denke ich an einen gediegenen Gelehrten im Dominikanerhabit, der an seinem Schreibtisch sitzt, der extra für seine Körperfülle ausgeschnitten wurde.
Und die heutige Tageslesung liefert mir das ganz andere Bild des jungen David, der mit leichtem Fuß vor der Bundeslade tanzt.
Zu welchem dieser beiden Bilder ihr mich eher zuordnen würdet, kann ich mir nicht zuletzt wegen meiner körperlichen Statur durchaus denken; ich möchte aber trotzdem noch ein wenig beim Bild der Lesung verweilen.

Die Schilderung über die Übertragung der Bundeslade durch David knüpft an eine Erzählung aus dem ersten Buch Samuel an, die vor einiger Zeit auch in der hl. Messe gelesen wurde: Die Israeliten befinden sich im Kampf mit den Philistern. Gleichsam als "Geheimwaffe" holen sie die Bundeslade herbei; die Gegenwart JHWHs soll ihnen im Kampf helfen. Doch es kommt anders. Die Israeliten werden geschlagen und die Philister erbeuten die Bundeslade.
Verbunden mit dieser Niederlage ist auch der Tod der Söhne des Priesters Eli, Hofni und Pinhas, die am Beginn der Samuelbücher nicht gerade schmeichelhaft vorgestellt wurden:
Sie "waren nichtsnutzige Menschen. Sie kümmerten sich nicht um den Herrn ... Die Sünde der jungen Männer war sehr schwer in den Augen des Herrn" (1 Sam 2,12.17a).
Dass der Tod dieser beiden Priestersöhne nun mit dem Verlust der Bundeslade in Zusammenhang gebracht wird, könnten wir so deuten: Die Gestalten Hofni und Pinhas konterkarieren geradezu das, was durch die Bundeslade ausgedrückt werden soll. Die Nähe zu JHWH bemisst sich nicht durch die tatsächliche Nähe zur Bundeslade, sondern durch das Tun und Lassen der Menschen, durch das Halten oder Übertreten seiner Gebote. So gehen sie der Nähe Gottes verlustig. Äußeres Zeichen - die Bundeslade - und innere Haltung - das Fehlverhalten von Hofni und Pinhas - haben in dieser Schilderung nicht übereingestimmt und zu einem katastrophalen Ergebnis geführt!

Blicken wir von daher nun zu David und zur heutigen Lesung. Die Bundeslade ist inzwischen zurückerobert worden. Bzw. besser gesagt: Die Philister haben sie schon bald freiwillig zurückgeschickt, weil sie auch ihnen nichts Gutes gebracht hat.
Jedenfalls wird sie jetzt, nachdem David König über ganz Israel geworden ist und die Philister geschlagen hat, feierlich nach Jerusalem überführt. Die innere Haltung Davids entspricht nun, im Gegensatz zu Hofni und Pinhas, der Nähe zu JHWH, die durch die Bundeslade ausgedrückt wird - "David tat, was der Herr ihm befohlen hatte" (2 Sam 5,25) heißt es kurz zuvor.
Und ich denke, eben diese innere Haltung Davids, die Nähe zu Gott, die Freude über seine Gegenwart, ist es, die er zum Ausdruck bringt, wenn er nun vor der Bundeslade tanzt.

Äußeres Zeichen und innere Haltung müssen übereinstimmen. Und hier komme ich zurück zu den zwei auf den ersten Blick gegensätzlichen Bildern vom studierenden hl. Thomas und vom tanzenden David; vom nach innen gekehrten Thomas und vom nach außen sich ausdrückenden David.
Beides scheint mir wichtig zu sein. Und der studierende Thomas ist ja auch nur ein Ausschnitt seiner ganzen Persönlichkeit. Vielen Gläubigen ist der hl. Thomas von Aquin gänzlich unbekannt. Wer hat schon seine Schriften gelesen? Aber seine eucharistischen Hymnen "Pange lingua" mit den "Tantum ergo", "Deinem Heiland, deinem Lehrer", "Gottheit, tief verborgen" oder "O heilge Seelenspeise" sind doch vielen ein Begriff. Die innere Haltung des hl. Thomas, sein vieles Nachdenken und Studieren, sein Ergriffensein von der Wahrheit Gottes, die er erkannt hat, ist nicht verschlossen geblieben, sondern hat sich - auch in solchen Dichtungen - Ausdruck verschafft.

Es kann verschiedene Arten geben, seine innere Haltung, seine Ergriffenheit von Gott zum Ausdruck zu bringen.
Manche werden wie David zu tanzen beginnen. Manche werden Lieder und Hymnen dichten wie Thomas von Aquin (oder auch David, der große Psalmensänger).
Manche werden im Rosenkranzgebet einen geeigneten Ausdruck ihres Glaubenslebens finden. Manche im betrachtenden Bibellesen. Manche fühlen sich einer charismatischen Gemeinschaft zugehörig. Manche kommen in einer "stillen Messe" besser zum Gebet.

Wenn ich angesichts der heutigen Lesung und dem Vorbild des hl. Thomas etwas aus meiner kurzen Erfahrung als Priester berichten soll, dann würde ich sagen: Diese verschiedensten Ausdrucksformen unseres Glaubens, die einem begegnen, sind unglaublich bereichernd, weil jede etwas anderes mehr betont und das Bild vom großen Ganzen dadurch immer vielfältiger und schöner wird.
Vom levitierten Hochamt in der außerordentlichen Form bis zu Familienmessen mit dem Kinderchor, von weinenden Angehörigen beim Sarg einer liebenden Mutter bis zu Freudentränen bei der Taufe des ersten Kindes, vom Versehgang bei einer nicht ansprechbaren Person bis zum halbstündigen Beichtgespräch habe ich da bereits einen großen Bogen selber feiern können und möchte nichts davon missen.

Vor der Bundeslade zu tanzen wie David - das kann für jeden auf andere Weise konkret werden, das kann auch zu unterschiedlichen Zeiten oder verschiedenen Gelegenheiten anders aussehen.
Wichtig scheint mir, dass dabei immer äußeres Zeichen und innere Haltung übereinstimmen und wir so letztlich auch andere überzeugen und anstecken können.

Zu den liturgischen Texten (hl. Thomas von Aquin)
Zu den liturgischen Texten (Schriftlesungen vom Wochentag)

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