12. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Die Schilderung des heutigen Evangeliums ist eine wichtige Nahtstelle im Markusevangelium. Bisher ist Jesus hauptsächlich als Lehrer in Kafarnaum aufgetreten. Nun fährt er mit dem Boot an das andere Ufer des Sees Genesareth und kommt am Ende des heutigen Abschnittes in Gerasa, in der sogenannten Dekapolis, in heidnischem Gebiet an.

Markus, der sein Evangelium der Überlieferung gemäß in Rom bzw. für die römische Gemeinde geschrieben hat, wird diese "Überfahrt" ins heidnische Gebiet wohl sehr bewusst in Szene gesetzt haben. Immerhin ist Rom das Zentrum der damaligen Welt, des römischen Reiches und damit der römischen Götterwelt. Der Leserkreis des Markus befindet sich also bildlich gesprochen schon am anderen Ufer des Sees; und seine Leser wissen wohl, dass diese "Überfahrt" keine leichte war, wie beschwerlich der Weg der Ausbreitung des Christentums gewesen ist und unter welchen gefährlichen Umständen sie jetzt ihr Christsein leben.

Insofern kann die Überfahrt Jesu über den See Genesareth durchaus vom Evangelisten als Aufmunterung seiner Gemeinde im heidnischen Zentrum Rom erzählt und aufgeschrieben worden sein.

Die Jünger Jesu erleben also bei ihrer Fahrt ans andere Ufer des Sees eine lebensbedrohliche Situation. Als erfahrene Fischer wissen sie, was es bedeuten kann, in den Sturm zu geraten. Dass sie es also mit der Angst zu tun bekommen, darf uns kaum verwundern.

Liebe Brüder und Schwestern!

In der biblischen Bildsprache sind die Gefahren des Meeres Ausdruck dämonischer Mächte. Wenn, wie ich aufgerissen habe, Jesus nach dieser Überfahrt heidnisches Gebiet betreten wird, also die Mission, die Ausbreitung seiner Botschaft in die Welt damit vorgezeichnet ist, dann können diese Naturgewalten auch Ausdruck der widergöttlichen Mächte sein, die sich gegen die Ankunft Jesu zur Wehr setzen. - Und das, liebe Brüder und Schwestern, ist nicht nur eine historische Schilderung aus dem Leben Jesu, sondern das ist ein Faktum zu allen Zeiten gewesen; das wussten die Leser des Markusevangeliums in Rom, die das Evangelium möglicherweise zur Zeit einer Christenverfolgung gelesen haben; das wissen wir aber auch heute. Ist es nicht so, dass die christliche Botschaft immer wieder auf Widerstand stößt? Natürlich darf die Kirche da sein, um verschiedenste Anlässe schön und feierlich zu gestalten - von der berührenden Taufe des Kindes bis zur sprichwörtlichen "schönen Leich'". Natürlich wird auch das caritative Engagement der Kirche geschätzt. Selbstverständlich beansprucht die Gesellschaft die vielfältigen kulturellen Errungenschaften für sich, die auf jüdisch-christlichem Boden gewachsen sind. Aber wehe, die Kirche weist darauf hin, was hinter all dem steht; wehe, sie getraut sich zu behaupten, dass sie in ihrem Gott den wahren Gott erkannt zu haben glaubt. Und noch mehr wehe, sie hält an den diversen Schlussfolgerungen fest, die dieser Glaube für das konkrete Leben bedeutet - Stichwort: "Der Papst hat in meinem Schlafzimmer nichts verloren" ...

Ja, liebe Brüder und Schwestern, die Ankunft Jesu im heidnischen Gebiet schreckt die feindlichen Mächte auf, in der Bildersprache der Bibel eben die dämonischen Kräfte der Naturgewalten. Und auch heute noch kann der Widerstand der Gesellschaft enorm sein, wenn die Kirche, dargestellt im Schiff, versucht, Jesus an das Ufer unserer Gesellschaft zu bringen.

Und als wären die Widerstände für sich genommen noch nicht schlimm genug: Jesus schläft! Wenn das Boot für die Kirche steht, kann das im Bild sagen: Ja, Jesus ist bei uns, aber er ist nicht erfahrbar. - Ist das nicht auch allzu oft unsere Erfahrung von Kirche? Und ja, manchmal tragen wir selber, die Institution Kirche, aber wohl noch mehr jeder einzelne von uns, nicht gerade viel dazu bei, Jesus erfahrbar zu machen.

Die Jünger im Evangelium haben immerhin soviel Glauben, dass sie Jesus angesichts der bedrohlichen Situation, angesichts der feindlichen Mächte, die sie zu überwältigen drohen, wecken; sich an ihn wenden. - Vielleicht auch eine Mahnung an uns, die uns zeigen kann, wo wir den Weg aus der Krise finden können: sicher nicht darin, dass wir nur selbst versuchen, uns gegen die Gesellschaft zu stemmen; und sicher auch nicht darin, dass wir den verschiedenen Kräften, die auf uns einwirken, einfach nachgeben; sondern nur darin, dass wir ihn anrufen, dass wir zu ihm beten, dass wir ihn wirken lassen.

Liebe Brüder und Schwestern!

Das heutige Evangelium endet damit, dass Jesus dem Sturm und dem See gebietet - etwas, das in der Bilderwelt der Bibel nur Gott bzw. auch in anderen religiösen Vorstellungen nur den Göttern zukommt. Wenn auch heute manche Widerstände gegen das Kommen Jesu da sind, wenn wir mit unseren Bemühungen um die Weitergabe des Glaubens nicht weiterkommen, dann dürfen wir ihn bitten, auch heute sein machtvolles Wort zu sprechen.

Und noch ein Letztes: Jesus tadelt seine Jünger: "Habt ihr noch keinen Glauben?" - Habe ich diesen Glauben, dass Jesus trotz aller Widerstände in den Herzen der Menschen ankommen kann?

Zu den liturgischen Texten

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