3. Adventsonntag - Lesejahr C

"... als Bruder huldvoll umschloss Jesus die Völker der Welt."

Vor 200 Jahren am Heiligen Abend wurde das Lied "Stille Nacht" zum ersten Mal gesungen. In der Vorbereitung auf dieses Jubiläum versuche ich, mich an den Adventsonntagen jeweils auf den Text einer Strophe (ab dem 2. Adventsonntag einer der unbekannteren Strophen) zu beziehen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Auch am heutigen Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten wollen wir eine Strophe des Jubiläums-Liedes "Stille Nacht" betrachten, die uns wahrscheinlich etwas unbekannter ist:
"Stille Nacht, heilige Nacht, wo sich heut alle Macht väterlicher Liebe ergoss und als Bruder huldvoll umschloss Jesus die Völker der Welt."

Doch zuvor ein Wort zur Namensgebung und zur besonderen Prägung des heutigen Sonntags: Gaudete - Freuet euch! Was als "Überschrift" über dem heutigen Messformular steht, haben wir im Kontext auch in der Lesung aus dem Philipperbrief gehört, wo Paulus zu dieser Freude auffordert: "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit, noch einmal sage ich: freut euch! ... Denn der Herr ist nahe."
Es ist keine oberflächliche Freude oder ein heiterer Spaß, zu dem Paulus aufruft. Es ist die tiefe Freude "im Herrn", der uns nahe ist. Diese Botschaft stellt uns die Kirche bewusst in der Adventzeit vor, in der wir uns auf das Kommen des Herrn bereiten. Er ist uns nahe, er ist eigentlich schon da. Es liegt an uns, ihn einzulassen.
Auf diese Weise wird der heutige Sonntag uns zum Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten, dem Fest des Kommens Christi in unsere Welt - damals wie heute.

Er ist es, der - wie es im Lied heißt - die Völker der Erde umschließt. Zu jedem einzelnen Menschen will er kommen, jedem will er nahe sein, jedem will er die tiefe Freude "im Herrn" schenken, und so rücken wir, wenn wir ihm näher kommen, auch untereinander näher zusammen. Deswegen ist die Zusage der Nähe Jesu bei Paulus auch verbunden mit dem Aufruf, füreinander dazusein: "Eure Güte werde allen Menschen bekannt."

Eine andere große Gestalt, die auf das Kommen des Herrn hinweist, ist auch am heutigen Sonntag wieder Johannes der Täufer. Wir könnten sagen: Er ist von dieser inneren Freude im Herrn, der nahe ist, so erfüllt, dass er auf alle äußeren Freuden des Menschenlebens verzichtet. Wir wissen ja, wie er an anderer Stelle beschrieben wird: er trägt ein Gewand aus Kamelhaaren, lebt streng asketisch, ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig.

Liebe Brüder und Schwestern!
Wenn uns Johannes der Täufer so vor Augen geführt wird, ist das dann ein Aufruf an uns, auch auf alle äußerlichen Freuden zu verzichten?
Wenn wir hinschauen, was Johannes der Täufer selbst den Menschen aufträgt, können wir das verneinen. Es steht außer Zweifel, dass es die Berufung zu radikaler Armut und einem Leben in strenger Buße gibt. Doch den großen Volksmassen ruft Johannes der Täufer zu: "Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso." Johannes der Täufer verlangt nicht nichts, aber eigentlich auch nicht Unbewältigbares, keinen totalen Verzicht; sondern nur das, auf das man tatsächlich verzichten kann, soll dem gegeben werden, der der Hilfe bedarf.

Die Botschaft Johannes des Täufers im heutigen Evangelium enthält aber auch noch einen anderen Aspekt. Seine Aufforderung, wohltätig zu sein hat dieselbe Begründung wie der Aufruf zur Freude bei Paulus: "der Herr ist nahe" und Johannes präzisiert, was das bedeutet: "schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen."
Es ist die Rede vom Gericht. Das Kommen Christi wird mit einer Richtertätigkeit verbunden sein - das macht die Ernsthaftigkeit der Botschaft aus. Es nicht alles egal, unser Handeln bleibt nicht ohne Konsequenzen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Viele Priester und andere, die im Dienst der Verkündigung stehen, scheuen sich heute davor, auch diese Wahrheit unseres Glaubens anzusprechen. Die Rede vom Gericht scheint zu abschreckend, scheint die Menschen von heute nicht anzusprechen.

Ich möchte der Rede vom Gericht nicht die Ernsthaftigkeit nehmen, aber ich lade Sie ein zu einem Perspektivenwechsel, der vielleicht hilfreich sein kann, damit umzugehen.
"Der Papa wird's schon richten", ist ein Spruch, den man oft zu hören bekommt. "Richten" kann auch im Sinne von "herrichten", "in Ordnung bringen" verstanden werden.
"Der Papa wird's schon richten" - die Allmacht Gottes, die sich auch in seiner Richtertätigkeit zeigt ist immer auch verbunden mit einem väterlichen Element. "Stille Nacht, heilige Nacht, wo sich heut alle Macht väterlicher Liebe ergoss", heißt es im Lied. Die "Macht" Gottes ist untrennbar verbunden mit seiner "väterlichen Liebe". Und Jesus als der Richter, der am Ende der Zeiten wiederkommt, wird die Völker der Welt mit starkem Arm umschließen - aber "als Bruder", wie wir es auch in unserer Liedstrophe singen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Der heutige Sonntag "Gaudete" lädt uns ein zu tiefer Freude im Herrn, der uns nahe ist. Und richtig verstanden, kann gerade auch die Rede von seinem Gericht ein Grund zur Freude sein, denn alle Macht väterlicher Liebe zeigt sich darin, wenn Jesus die Völker der Erde als Bruder umschließt. Er will uns nahe sein, und auch wir sollen untereinander im Blick auf ihn näher zusammenrücken.
"Freut euch im Herrn zu jeder Zeit. Noch einmal sage ich: Freut euch. Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe."
Es naht jene Nacht, "wo sich heut alle Macht väterlicher Liebe ergoss, und als Bruder huldvoll umschloss Jesus die Völker der Welt".


Zu den liturgischen Texten
Zum Lied "Stille Nacht"

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