7. Ostersonntag - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

"Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen", das wurde uns am vergangenen Fest Christi Himmelfahrt zugesagt.
In jeder heiligen Messe sprechen wir zu ihm: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir bis du kommst in Herrlichkeit."
Wir sind es gewohnt, vom Kommen des Herrn zu sprechen. Aber was ist damit eigentlich gemeint?
Dieser Sonntag nach Christi Himmelfahrt kann ein Anlass sein, wieder einmal darüber nachzudenken.

"Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken", hat es geheißen. Aufs erste sieht es also aus, als ob Jesus nun weit fort wäre. Christi Himmelfahrt - ein Abschiedsfest.
Wenn wir uns an Ostern erinnern, an die Begegnung des auferstandenen Herrn mit Maria Magdalena, können wir aber vielleicht erahnen, worum es wirklich geht: Maria fällt Jesus um den Hals, dieser aber sagt zu ihr: "Halte mich nicht fest, denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren." - Das Festhalten an Christus, die bleibende Nähe zu ihm scheint also paradoxerweise daran geknüpft, dass er zu seinem Vater auffährt. Das Leben des Auferstandenen ist nicht einfach die Fortführung des irdischen. Es ist eine neue Existenz, der bildlich gesprochen auch ein neuer Lebensraum zugehört. Christi Himmelfahrt - ein Fest des Eingangs Jesu in diesen neuen Lebensraum. Die Wolke, die ihn aufnimmt, ist ja im Alten Testament immer ein Zeichen der Gottesgegenwart. Der neue Lebensraum des Auferstandenen ist die Gegenwart Gottes; und von dort her kann er uns nahe sein, viel näher als wenn er als Mensch hier auf Erden sein würde. Es ist eben nicht so, wie es in einem Lied heißt: "God is watching us from a distance" - "Gott beobachtet uns aus der Ferne". Nein, Gott ist uns unendlich nahe - und Jesus lebt in dieser Gegenwart Gottes.

Liebe Brüder und Schwestern!
Papst Benedikt XVI. schreibt in einem schönen Bild:
"Der Christus beim Vater ist nicht fern von uns, höchstens sind wir fern von ihm; aber der Weg zueinander steht offen. Worum es hier geht, ist nicht der Weg einer Raumfahrt kosmisch-geographischer Art, sondern die 'Raumfahrt' des Herzens, von der Dimension der Selbstverschließung zu der neuen Dimension der weltumspannenden göttlichen Liebe." (JRGS 6/1, 630)
Christen dürfen Raumfahrer sein. Wir dürfen Jesus nachfolgen in seiner Erhöhung. Aber wir wissen, dass die Erhöhung Jesu auch am Kreuz und durch das Kreuz hindurch geschehen ist. Nachfolge Jesu, Eintreten in die Gegenwart Gottes - das geht auch durch manche Nöte hindurch. Das sehen wir auch am hl. Stephanus, der so eins mit Jesus geworden ist, dass er bei seinem Tod sogar die gleichen Worte wie Jesus gebraucht: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!" Hier spüren wir diese "neue Dimension der weltumspannenden göttlichen Liebe", von der Papst Benedikt spricht.

Jesus ist uns also nicht fern. Er braucht nicht zu uns zu kommen, weil er nie wirklich fort ist. Höchstens sind es wir, die zu ihm kommen müssten.
Und doch heißt es: "Er wird ebenso wiederkommen." Und das letzte Buch der heiligen Schrift, die Offenbarung des Johannes, endet mit dieser Bitte, die wir in der zweiten Lesung gehört haben: "Komm, Herr Jesus!"

Liebe Brüder und Schwestern!
Gott ist uns nicht fern. Wir Menschen sind es, die sich von ihm abwenden. Eigentlich hätte er alles Recht, darauf zu warten, dass wir von selbst zu ihm zurückkehren. Aber Gottes Logik ist eine andere. Er kommt uns entgegen. Er hat die Richtung radikal umgedreht, er ist in Jesus Christus Mensch geworden.
Die Rede von der Wiederkunft Christi drückt diese Hoffnung aus, dass am Ende, nach allem, was wir hier an Schlechtem, an Gottferne erleben, es wieder Gott ist, der uns entgegenkommt, der alles zum Guten wendet.
Nochmals mit Benedikt XVI. gesprochen, der diese Bitte "Komm, Herr Jesus!" kommentiert:
"Es ist die Bitte des Liebenden, der in der belagerten Stadt von allen Bedrohungen und Schrecknissen der Zerstörung bedrängt ist und nur warten kann, dass der Geliebte kommt, der die Macht hat, die Belagerung aufzubrechen und Heil zu bringen. Es ist der hoffende Schrei nach der Nähe Jesu in einer Not, in der nur er noch helfen kann." (JRGS 6/1, 631)
Komm, Herr Jesus! - Diese Bitte enthält die Gewissheit seiner Nähe. Weil er nahe ist, kann er uns zu Hilfe kommen.
Der hl. Bernhard von Clairvaux spricht in einer Adventpredigt von einem dreimaligen Kommen Jesu:
Von seinem ersten Kommen bei der Menschwerdung, von seiner Wiederkunft am Jüngsten Tag, wenn er alles "richten", d. h. in Ordnung bringen wird, und von einem adventus medius, einem mittleren Kommen - immer wieder will er uns nahe sein, immer wieder dürfen wir daher beten: "Komm, Herr Jesus!"
Das, was am Ende der Zeiten mit der ganzen Welt geschehen wird, dass Jesus bei seinem Kommen alles in Ordnung bringen und in den neuen Lebensraum der Gottesgegenwart einführen wird, das will er in der persönlichen Begegnung mit uns vorwegnehmen.
Ein letztes Mal möchte ich hier nochmals Benedikt XVI. zu Wort kommen lassen, der die Frage stellt:
"Können wir also um das Kommen Jesu beten? Können wir aufrichtig sagen: 'Marana tha! Komm, Herr Jesus!'?"
Und seine Antwort lautet:
"Ja, wir können es. Nicht nur das: Wir müssen es! Wir bitten um Antizipation (Vorwegnahme) seiner welt-erneuernden Gegenwart. Wir bitten ihn in Augenblicken persönlicher Bedrängnis: Komm, Herr Jesus, und nimm mein Leben hinein in die Gegenwart deiner gütigen Macht. Wir bitten ihn, dass er Menschen, die wir lieben oder um die wir Sorge tragen, nahe werde. Wir bitten ihn, dass er in seiner Kirche wirksam gegenwärtig werde." (JRGS 6/1, 634)
Liebe Brüder und Schwestern!
Christi Himmelfahrt - ein Abschiedsfest? - God is watching us from a distance?
Die Bitte um das Kommen Jesu - ein verzweifelter Hilferuf angesichts seiner Abwesenheit?
Nein!
Christi Himmelfahrt - das Fest seiner bleibenden Gegenwart!
Die Bitte um sein Kommen - der vertrauensvolle Anruf dessen, den wir uns ganz nahe wissen und der uns und die ganze Welt hineinnehmen will in die liebende Gegenwart Gottes!

Amen.
Komm, Herr Jesus!


Zu den liturgischen Texten

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