15. August 2019 - Wallfahrerandacht in Maria Anzbach

Lesung aus dem Buch Josua (3,7-10a.11.13-17)

Liebe Wallfahrer! Liebe Marienverehrer!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Ich habe lange überlegt, worüber ich heute reden soll. Natürlich ist klar, dass es am heutigen Fest- und Wallfahrtstag eine Marienpredigt sein soll. Aber zu welchem speziellen Thema, darüber habe ich eben lange nachgedacht.
Schließlich habe ich mir gedacht, ich entscheide das nicht selbst. Ich habe das Messlektionar zur Hand genommen und die Schrifttexte aufgeschlagen, die heute, wenn es kein Feiertag wäre, in der Ordnung der Wochentagslesungen an der Reihe wären. So bin ich eben zu der Lesung aus dem Buch Josua gekommen, die wir soeben gehört haben - und ich denke, dass sie gar nicht so schlecht passt, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussehen mag.

Zunächst ist es einmal zutiefst marianisch, sich nicht selbst etwas auszusuchen, sondern einfach auf das Wort Gottes hinzuhören. "Mir geschehe nach deinem Wort", ist ihre Antwort an den Engel Gabriel. Und überhaupt ist ihr ganzes Leben mehr Ant-Wort als eigenwilliges Wort. Manche meinen heute, darin eine Schwäche im Leben der Gottesmutter zu erkennen, dass sie sich ganz eingelassen hat auf Gottes Wort und Gottes Willen und verlangen ein "Update" für die Gottesmutter - "Maria 2.0" nennen sie es - eine Version von Maria, die sich emanzipiert vom ewigen Ja-Sagen, die selbst für sich entscheidet. Dabei wird freilich übersehen, dass ihr Ja und ihre Unterordnung unter den göttlichen Willen eine zutiefst freie Antwort ist und dass gerade dieses ihr freies Ja ihre Würde ausmacht.

Liebe Brüder und Schwestern!
Nun aber, ganz im Sinne Mariens, der hörenden Frau, zum Inhalt der Bibelstelle, die wir soeben gehört haben: der Durchzug des Volkes Israel durch den Jordan, hinein ins Gelobte Land.
Und auch hier gilt: Es ist keine Eigenleistung des Mose oder des Josua, kein Verdienst des Volkes, dass es nun nach der vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten an seinem vorläufigen Ziel angekommen ist. Es ist das wunderbare Handeln JHWHs, dass Israel es so weit geschafft hat, und es wird das wunderbare Handeln JHWHs sein, das das Volk auch weiterhin begleiten wird. Das wird deutlich ausgedrückt durch die Rolle, die die Bundeslade bei der Durchschreitung des Jordan und an anderen Stationen der Geschichte Israels spielt.
Die Bundeslade ist für das Volk Israel bei seiner Wanderung durch die Wüste stets das Zeichen der Gegenwart Gottes gewesen. Entsprechend kostbar war sie auch ausgestattet: gefertigt aus edlem Akazienholz, mit purem Gold überzogen und mit einer künstlerisch gestalteten Deckplatte aus reinem Gold. In der Bundeslade wurden vor allem die Tafeln mit den zehn Geboten aufbewahrt, die Zeichen des Bundes zwischen Gott und dem Volk, Zeichen der Zuwendung Gottes zu Israel, Zeichen seiner Gegenwart.

Und diese Gegenwart Gottes, dargestellt in der Bundeslade, ist es, die das Volk auf seinem Weg führt und leitet, die es auf wunderbare Weise den Jordan überqueren lässt, die ihm später auch hilft seine Kriege zu führen.
Später wird König Salomo für die Bundeslade den Jerusalemer Tempel, das Haus Gottes bauen als Ausdruck dafür, dass Gott inmitten seines Volkes wohnt.

Liebe Brüder und Schwestern!
Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Und wo bleibt nun Maria in dieser Predigt? Sollten wir heute etwa doch nichts über Maria hören?
Nun, wir alle kennen das Marienlied "Wunderschön prächtige". Hier wird Maria "Arche des Bundes" genannt, ein anderer Ausdruck eben für die Bundeslade, angelehnt an den lateinischen Begriff arca foederis. So ruft auch die laurentanische Litanei Maria als die Lade des Bundes und in Anlehnung an den prächtigen Tempel als Goldenes Haus an.

Was im Alten Bund die Lade war, nämlich das Gefäß zur Aufbewahrung der Zeichen der Gegenwart Gottes, das ist Maria in noch größerem Maß. Sie birgt in ihrem Schoß nicht nur die Gesetzestafeln als Hinweise auf die Zuwendung Gottes zu seinem Volk, sondern die fleischgewordene Zuwendung Gottes zu uns.
Wenn das Volk Israel mit der Bundeslade durch das Gelobte Land zog, um es kriegerisch in Besitz zu nehmen, dann sollte das irgendwie auch ausdrücken, dass dieses Land nun mit der Gegenwart Gottes erfüllt sein soll, dass es von Ihm selbst in Besitz genommen und dem Volk zum Erbe gegeben wird. Wenn Maria mit dem Jesuskind unter ihrem Herzen von Nazareth Richtung Jerusalem, zu ihrer Verwandten Elisabeth geht, dann trägt sie noch viel mehr die Gegenwart Gottes durch das Land, sosehr dass der ungeborene Johannes der Täufer im Schoß Elisabeths vor Freude hüpft, als Maria mit dem Jesuskind das Haus betritt. Wenn sie von Nazareth nach Bethlehem zieht, trägt sie die Herrlichkeit Gottes durch das Land, sodass die Erde zum Himmel wird und die Engel ihr himmlisches Lied "Ehre sei Gott in der Höhe" hier auf Erden anstimmen können. 

Liebe Brüder und Schwestern!
Die Bundeslade und der Tempel sind aufwändigst gestaltet und geschmückt gewesen, kostbarste Kunstwerke. Aber ihren eigentlichen Wert hatten sie nicht aus sich selbst, sondern von dem, was sie enthielten. Der äußerliche Prunk, der materielle Wert, das viele Gold - all das sollte hinweisen auf das, worauf es eigentlich ankam: die Gegenwart Gottes.

Wenn wir Maria die Bundeslade nennen, dann kann das auch beides beinhalten:
Einerseits ist sie ein ganz kostbarer Mensch: "Tota pulchra es Maria et macula originalis non est in te - Ganz schön bist du, Maria, und der Makel der Erbschuld ist nicht in dir", so rufen wir ihr am 8. Dezember, am Fest ihrer unbefleckten Empfängnis entgegen. Gott hat sie "ganz schön" erschaffen, ganz rein, bewahrt vor der Erbschuld, ganz ihm verbunden. Und Maria hat sich diese Schönheit bewahrt, hat mit der Gnade Gottes mitgearbeitet. So ist es auch gut und richtig, dass wir sie in unseren Mariendarstellungen, etwa im Gnadenbild von Maria Anzbach, schön darstellen, dass wir ihre Bilder kunstvoll gestalten und mit goldenen Kronen versehen - ebenso wie die Bundeslade "ganz schön" und kunstvoll gefertigt war.

Andererseits ist aber die Schönheit Mariens kein Selbstzweck, sondern soll hinweisen auf das, was sie in sich birgt, oder besser gesagt: auf den, der in ihrem Schoß Mensch wird. Die Schönheit der Gottesmutter, ihre Reinheit, ihre Sündenlosigkeit spiegeln die Gegenwart Gottes wieder, die sie der Welt vermitteln durfte. "Was er euch sagt, das tut", so wird sie später bei der Hochzeit zu Kana von sich weg auf ihn hin verweisen und so will sie auch uns zu ihm hinführen. Alte Mariendarstellungen beinhalten darum stets auch ihren Sohn und auch auf unserem Gnadenbild trägt sie ihn auf dem Arm, ebenfalls mit einer goldenen Krone gekrönt.

Liebe Brüder und Schwestern!
Das Hineintragen Jesu in die Welt, das Verweisen auf ihn, Gott gegenwärtig sein lassen - das hat Maria in besonderer Weise getan, aber das ist kein ausschließliches Privileg der Gottesmutter.
Der Durchzug durch den Jordan ist von den Kirchenvätern sehr oft mit der Taufe verglichen worden. Die Bundeslade geht voran - Maria, die die Gegenwart Gottes vermitteln darf, aber auch das ganze Volk, auch wir ziehen durch den Jordan hindurch, an der Bundeslade vorbei und mit der Bundeslade weiterwandernd. Auch wir sind hineingenommen in diesen Bereich der Gegenwart Gottes. Wie die Bundeslade, wie Maria "ganz schön" ist, so sind auch wir "ganz schön" geworden durch unsere Taufe. Auch uns wurde das weiße Taufkleid angelegt. Und wie die Schönheit Mariens kein Selbstzweck ist, sondern hinweist auf Christus, so soll es auch unser Leben sein. Die Übergabe des Taufkleides an die Neugetauften ist verbunden mit dem Deutewort, dass man Christus angezogen hat. So ist es unsere Aufgabe als Getaufte, Christus durchscheinen zu lassen. Ein christliches Leben soll so schön und anziehend wie die kunstvolle Gestaltung der Bundeslade sein und auf diese Weise die Mitmenschen hinführen zu Christus, der auch in ihnen wohnen will.

Liebe Brüder und Schwestern!
Echte Marienverehrung fordert uns heraus, es ihr gleich zu tun. Echte Marienfrömmigkeit bleibt nicht beim Beten des Rosenkranzes und beim Singen von romantischen Liedern stehen, sondern nimmt das zum Ausgangspunkt, als Quelle und Inspiration für ein Leben nach dem Willen Gottes, das auch andere Menschen anzieht.
Dazu bitten wir sie heute vertrauensvoll um ihre Fürsprache:
Heilige Maria, du Bundeslade Gottes, bitte für uns!
Du Goldenes Haus, bitte für uns!
Du Mutter Christi und Mutter der Kirche, bitte für uns!
Amen.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A