20. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie das heutige Evangelium hören. Wahrscheinlich fragen Sie sich, ob Jesus das ernst meint. Wie kann er so etwas sagen? Haben die Engel bei seiner Geburt nicht den Frieden auf Erden angekündigt? Hat er nicht selbst die seliggepriesen, die Frieden stiften? Und dann sagt er: Ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern Spaltung!
Bereits der hl. Cyrill von Jerusalem stellt im 4. Jahrhundert die Frage: "Warum sagst du das, Herr? Du bist nicht gekommen Frieden zu geben? Du, der du selbst unser Friede geworden bist, der du durch dein Kreuz Himmel und Erde befriedet hast, der du gesagt hast: 'Meinen Frieden gebe ich euch!'"

Liebe Brüder und Schwestern!
Wir können aus der heiligen Schrift nicht willkürlich nur die Stellen auswählen, die uns gefallen, die wir leicht verstehen können. Es gibt eben auch sperrige Aussagen, rätselhafte Worte und Unerklärliches. Der Text des heutigen Evangeliums fordert uns heraus. Und wir könnten sagen: Er vervollständigt unser Bild, das wir von Jesus haben. Jesus ist eben nicht nur einseitig der Friedensbringer, der, der alle lieb hat, der immer ein Auge zudrückt.
Es gibt eben auch die andere Seite an ihm, das Strenge, Unnachgiebige und Ernsthafte. Und in diesem Sinn ist Jesus sehr realistisch. Er weiß, dass seine Botschaft, wenn man sie in ihrer Gesamtheit nimmt, nicht nur Frieden bringen wird.

Vielleicht ist es an dieser Stelle gut, darüber nachzudenken, was "Friede" in der Sprache der Bibel überhaupt bedeutet.
"Griass eich, oes leiwaund!", so gibt Wolfgang Teuschl in seinem Neuen Testament auf Wienerisch den Gruß des Auferstandenen wieder: "Der Friede sei mit euch". Und ich finde diese Übersetzung eigentlich sehr gelungen.
Zunächst einmal sagt er: "Griass eich" - Das hebräische Wort, das dem Friedensbegriff der Bibel zugrunde liegt, ist "Shalom" - und wie wir wissen ist das bis heute der übliche Gruß im Hebräischen. Es ist der Wunsch nach Gesundheit, Wohlergehen, Sicherheit, Zu-frieden-heit, der sich in diesem Gruß ausdrückt. Diesem Shalom-Wunsch entspricht im Deutschen etwa die Formel "Alles Gute!", oder wie es Wolfgang Teuschl auf Wienerisch interpretiert: "Oes leiwaund!"
Friede im biblischen Sinn ist nicht nur der Gegenbegriff zum Krieg, auch wenn das mitgemeint sein kann. Die ganze Wortbedeutung ist viel umfassender. Friede in biblischer Sicht, das ist alles, was zu einem guten Leben gehört, damit eben "oes leiwaund" ist.

Liebe Brüder und Schwestern!
Genau dazu ist Jesus in diese Welt gekommen, um uns umfassend "alles Gute" zu schenken, um "oes leiwaund" zu machen. Und wo immer Menschen sich ihm anschließen, da können sie dieses befreiende Glück, diesen umfassenden Frieden auch erfahren.
Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass es auch die Ablehnung Jesu gibt; dass der Mensch "Nein" sagen kann zu ihm; dass er das Geschenk seines Friedens nicht annimmt. Und dann kommt es eben nicht zu diesem umfassenden Frieden, sondern entspringt an Jesus Spaltung und Streit - bis hinein in die Familien: Eltern gegen ihre Kinder und Kinder gegen ihre Eltern - es gibt unzählige Beispiele, wo dieses Wort Jesu sich leider buchstäblich bewahrheitet hat: die hl. Barbara, deren Vater sie erschlagen lässt, weil sie sich zu Christus bekennt; der hl. Franz von Assisi, der von seinem Vater enterbt wird, weil er die radikale Form der Nachfolge Jesu leben möchte - um nur zwei prominente Beispiele zu nennen.

Liebe Brüder und Schwestern!
An Jesus scheiden sich die Geister. Das heutige Evangelium ist keine Aufforderung dazu, Streit und Spaltung zu suchen, sondern sich fester mit ihm zu verbinden, zu ihm zu stehen, auch dann, wenn sich Streit und Spaltung einstellen.
Streit und Spaltung sind kein Selbstzweck, ganz im Gegenteil! Sie bezeugen nur die Abwesenheit jenes Friedens, der von Jesus ausgeht. Wo immer es also Streit und Spaltung gibt, in den Familien, zwischen den Völkern, auch in der Kirche, da sind wir gerufen, uns für den Frieden einzusetzen, indem wir uns fest an Christus und seine Botschaft halten.

Ein Beispiel, wie es gelingen kann Streit und Spaltung zu überwinden, ist auch unser Diözesanpatron, der hl. Hippolyt, dessen Festtag wir am vergangenen Dienstag gefeiert haben. Er hat im 3. Jahrhundert in Rom gelebt und war ein gebildeter Priester aus der oberen Gesellschaftsschicht. Als dann Callixtus, ein ehemaliger Sklave, der wahrscheinlich auch nicht so gebildet war, zum Bischof von Rom, also zum Papst gewählt wurde, kam es zum Zerwürfnis mit dem hl. Hippolyt. Hippolyt warf dem Bischof vor, nicht mehr die rechte Lehre zu vertreten und spaltete sich mit einigen Anhängern vom Papst ab. Diese Spaltung dauerte noch unter den Nachfolgern von Papst Callixtus an. Erst unter Papst Pontian kam es wieder zur Einheit. Beide, Pontian und Hippolyt, wurden in der Verfolgungszeit nach Sardinien verbannt und mussten dort Zwangsarbeit leisten. - Ein kleiner Schups von außen, der sie sich versöhnen ließ in der gemeinsamen Arbeit und vor allem im gemeinsamen Hinsehen auf Christus und im gemeinsamen Zeugnis für ihn.

Liebe Brüder und Schwestern!
Das Evangelium in seiner Gesamtheit stellt uns zwei wichtige Eckpfeiler vor Augen, zwischen denen sich unser christliches Leben bewegen soll:

  • Einerseits die bedingungslose Treue zu Christus, was auch kommen mag - und seien es Streit und Spaltung sogar mitten in der eigenen Familie. - So die heutige Mahnung Jesu.
  • Andererseits ist er gekommen, um "oes leiwaund" zu machen und sind wir gerufen, an seinem "Befriedungsprojekt" mitzuarbeiten.
Eine Spannung, die sich nicht einfach auflösen lässt, die unser Leben als Christen aber dafür umso "spannender" macht.
Amen.



Zu den liturgischen Texten

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