22. Sonntag i. Jkr. - Lj. C


Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich weiß nicht, ob Sie die amerikanische Fernsehserie "The Big Bang Theory" kennen, die jüngeren wahrscheinlich schon ...
Diese Serie handelt von den zwei jungen hochintelligenten Physikern Leonard Hofstadter und Sheldon Cooper, gegenüber deren Wohnung die attraktive Penny einzieht, in die sich Leonard gleich verliebt. Das Witzigste an der Serie ist aber wahrscheinlich die Unfähigkeit des sonst so intelligenten Sheldon Cooper, wenn es um Alltagsbewältigung, um Empathie oder um Sozialkompetenz geht. So geraten er bzw. seine Freunde immer wieder in Missverständnisse und prekäre Situationen, bei denen ihnen ihre Intelligenz nicht weiterhelfen kann.

Dieser Sheldon hat also einige seltsame Charakterzüge und Eigenheiten. So hasst er es etwa, Geschenke zu bekommen. Er begründet das, als ihm die Nachbarin Penny einmal ein Weihnachtsgeschenk überreicht, in einer Folge der Serie so: "Du hast mir kein Geschenk gegeben, du hast mir eine Verpflichtung gegeben. Jetzt muss ich losziehen und für dich ein Geschenk mit angemessenem Wert erwerben, welches das gleiche Level der Freundschaft deines Geschenks für mich ausstrahlt. Ah, kein Wunder, dass die Suizidrate zu dieser Zeit im Jahr emporschnellt."

Liebe Brüder und Schwestern!
Seien wir uns einmal ehrlich! Hat Sheldon so Unrecht? Wer von uns hat noch nie jemandem ein Geschenk gemacht, nur um irgendwann einmal auch einen Gefallen von ihm erbitten oder besser gesagt einfordern zu können? Wer hat noch nie jemanden zu einem Fest eingeladen, um selber auch einmal eingeladen zu werden? Oder umgekehrt: Wer hat noch nie jemanden bewusst nicht eingeladen oder beschenkt, weil er auch von ihm nicht eingeladen oder beschenkt worden ist?

Wahrscheinlich haben Sie jetzt bereits erkannt, warum ich heute von dieser beliebten Fernsehserie rede. Ich glaube nämlich, dass sich Sheldon Cooper und Jesus Christus in diesem Punkt auf gewisse Weise ähnlich sind.
Vielleicht ist das auch ein Erfolgsrezept von "The Big Bang Theory", dass uns die Serie in der Rolle des Sheldon Cooper Verhaltensweisen präsentiert, die wenn man sie genauer betrachtet zwar überzeichnet und auf die Spitze getrieben, aber uns eigentlich gar nicht so fremd sind. Vielleicht ist die Serie deshalb so beliebt, weil sie uns unbewusst einen Spiegel vors Gesicht hält; weil wir unbewusst über uns selbst lachen können. 
Und gerade darin besteht meiner Meinung nach die Ähnlichkeit zu der Episode, von der uns der hl. Lukas im heutigen Evangelium berichtet: Jesus beobachtet das Verhalten des Gastgebers und der Gäste und hält ihnen dann einen Spiegel vors Gesicht.

Liebe Brüder und Schwestern!
Können wir also das Evangelium ruhig beiseite legen und stattdessen den Fernseher einschalten und "The Big Bang Theory" schauen? Natürlich nicht.
Denn es gibt auch einen großen Unterschied zwischen Sheldon Cooper und Jesus Christus: Während Sheldon aufgrund seiner "Geschenk-Hypothese" dazu neigt, Geschenke generell zu verabscheuen, sich weder freut, wenn er Geschenke erhält, noch selber Geschenke macht, zieht Jesus eine völlig andere Konsequenz. Er ermahnt seine Zuhörer, er ermahnt auch uns, umso großzügiger zu sein, eben nicht nur die zu beschenken, von denen man eine Gegenleistung erwarten könnte, sondern auch die Armen, Krüppel, Lahmen und Blinden, die, die zu seiner Zeit und teilweise auch heute noch nichts gelten und von denen man sich schon gar nicht erwarten kann, dass sie uns unsere Großzügigkeit adäquat vergelten können.
Sheldon Cooper und Jesus Christus - beide durchschauen die berechnende Absicht der Schenkenden, aber beide reagieren anders darauf. Sheldon lehnt deshalb jede Art von Geschenken ab; Jesus ermutigt geradezu nicht locker zu lassen, sondern den ursprünglichen Sinn des Geschenkes, der frei gewährten Gabe wieder zu entdecken.

Liebe Brüder und Schwestern!
Für Jesus ist das keine bloße Theorie. Er selbst ist ja das große Geschenk Gottes an die Welt. Ja, mehr noch: Gott, der Vater, gibt sein ganzes Wesen hin, schenkt sich selbst und zeugt so in Ewigkeit Gott, den Sohn; und Gott, der Sohn, wendet sich in dankbarer Liebe an den Vater zurück und schenkt sich ihm wiederum selbst in Gott, dem Heiligen Geist. Das innergöttliche Leben ist reine Hingabe, reines und selbsloses Sich-Verschenken, das sich fortsetzt in der freien und für Gott nicht notwendigen Schöpfung der Welt und des Menschen, in der Menschwerdung des Sohnes und in der Sendung des Heiligen Geistes.
Weil Gott ein Gott der selbstlosen Hingabe ist, sind auch wir als Ebenbilder Gottes berufen, diese selbstlose Hingabe zu leben - ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, weil wir wissen, dass er uns immer schon "zuerst geliebt" hat, wie es im ersten Johannesbrief heißt (1 Joh 4,10).
Wenn wir die Großzügigkeit Gottes uns gegenüber wirklich erkennen würden, dann könnten wir gar nicht anders, als selber großzügig zu werden - auch unseren Mitmenschen gegenüber, die unsere Hilfe brauchen. Dann würde selbst ein Sheldon Cooper, der Geschenke hasst, freizügig schenken soviel er könnte.

Liebe Brüder und Schwestern!
In "The Big Bang Theory" lässt sich Sheldon Cooper letztlich von Penny erweichen, die ihm ein für ihn unendlich kostbares Geschenk macht: Eine Serviette, die von dem bekannten Star-Trek-Schauspieler Lennard Nimoy benutzt wurde. Er ist so gerührt, dass er sie daraufhin mit Geschenken überhäuft und sich sogar zu einer für ihn sehr seltenen Umarmung hinreißen lässt.
Wie viel mehr müssten wir uns von der Großzügigkeit Gottes anstecken lassen und ihm antworten mit einem Leben der Hingabe an ihn und unseren Nächsten!
Amen.


Zu den liturgischen Texten

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Heilige Geistkraft statt Heiligem Geist? - Kritische Anmerkungen

17. Sonntag i. Jkr. - Lj. A