16. Sonntag i. Jkr. - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute haben wir im Evangelium gleich drei Gleichnisse gehört. Zu einem davon erbitten die Jünger dann auch eine Erklärung. Die beiden anderen scheinen sie intuitiv verstanden zu haben. Dass das Himmelreich etwas Unscheinbares ist, wie das kleine Senfkorn oder die kleine Menge Sauerteig, aber etwas Großes bewirken kann, das klingt irgendwie plausibel und einleuchtend.
Aber mit dem Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut hatten sie offenbar ihre Probleme.

Vielleicht geht es uns heute ähnlich. Vielleicht geht unser Unverständnis sogar weiter als das der Apostel.
Jesu Gleichnisse wollen ja anknüpfen an der Lebenswirklichkeit der Menschen. Da stellt sich die Frage: Welcher gute Landwirt oder auch Hobbygärtner lässt denn das Unkraut frei wachsen, noch dazu bis zur Ernte?!
Tatsächlich war diese Frage für seine Zuhörer aber wahrscheinlich gar kein Problem, denn es war eine gängige Praxis. Der "Taumelloch", den Jesus meint, wenn er vom "Unkraut" spricht, ist dem Weizen nämlich zum Verwechseln ähnlich, bis dass er seine Früchte ausgebildet hat. So hat man ihn zur Zeit Jesu tatsächlich oft stehengelassen, mit dem Nebeneffekt, dass man damit auch gleich günstiges Brennmaterial hatte.
Vor diesem Hintergrund wirkt das Gleichnis zumindest einmal nicht lebensfremd, was die Bilderwelt angeht. Und trotzdem regt sich in uns vielleicht ein Widerstand, so ähnlich wie bei den Aposteln. Könnte Gott das Unkraut, das für das Böse steht, nicht doch gleich vernichten? Es ist die alte Frage, die bereits im Alten Testament immer wieder auftaucht: Warum lässt Gott das Böse zu? - Eine Frage, die vielen Menschen gerade in diesen Tagen unter den Nägeln brennt: Wenn wir an einen guten und barmherzigen Gott glauben, wie kann er dann schwere Krankheiten, Seuchen und anderes Übel zulassen?
Wir werden darauf keine erschöpfende Antwort finden. Aber ein erster Schritt kann sein, dass wir es den Aposteln gleichtun; dass wir nicht nur selber herumgrübeln, sondern mit unseren Fragen zu Jesus kommen, im Gebet zu ihm sagen: "Erkläre es uns!"

Liebe Brüder und Schwestern!
Die Apostel hätten vielleicht eine tiefgehendere Antwort von Jesus erwartet, als dass er ihnen die einzelnen Vergleichpunkte aufzählt: Acker=Welt, guter Same=die Guten; Unkraut=die Bösen; Feind=Teufel; Ernte=Ende der Welt; Schnitter=Engel. Das haben sie wahrscheinlich auch ohne seine Erklärung bereits verstanden.
Höchstwahrscheinlich werden wir auch keine himmlische Vision haben, wenn wir unsere Fragen im Gebet an ihn richten, wird uns kein Engel geschickt werden, der uns die Zusammenhänge von Gottes Heilsplan Punkt für Punkt begreiflich macht. Aber wenn wir uns vertrauensvoll an ihn wenden mit unseren Fragen, mit unseren Sorgen, auch mit unserem Zweifel, dann wird er das Gebet sicher nicht unbeantwortet lassen. Wenn es uns wirklich ernst ist, dass wir IHN ansprechen, dann wird ER uns auch antworten - wenn auch auf eine Art und Weise, die wir nicht erwartet hätten.

Nicht jede Frage wird explizit beantwortet werden. Aber wir dürfen die Überzeugung haben, dass Gebet keine Einbahnstraße ist, sondern ein echter Dialog mit Gott. Ja, der hl. Paulus geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er sagt, der Hl. Geist, Gott selbst, sei es, der in uns betet - eine unerhörte Intimität wird da vorausgesetzt. Gebet meint nicht nur das Aufsagen des Vaterunser oder anderer Formeln - auch wenn diese vorformulierten Gebete ihre Berechtigung haben und ganz wertvolle Hilfen sein können. Gebet meint auch mehr als Gott zuzutexten mit unseren Sorgen und Anliegen. Gebet meint innige Zwiesprache mit Gott, das Sein in seiner Gegenwart. Deshalb haben auch die großen geistlichen Lehrer immer wieder gesagt, dass die Anbetung, das zweckfreie Verweilen bei Gott - sei es vor dem ausgesetzten Allerheiligsten oder auf andere Weise - die höchste Form des Gebetes ist.
Vom hl. Pfarrer von Ars wird berichtet, dass er eines Tages in der Kirche einen alten Bauern knien gesehen hat. Das hat ihn noch nicht verwundert, denn viele Menschen sind immer wieder gekommen, um Gott ihre Sorgen und Anliegen zu bringen. Als er aber eine Stunde später wieder in die Kirche gekommen ist, hat der Pfarrer von Ars denselben Bauern am selben Platz in derselben knienden Haltung gefunden; und er hat ihn gefragt: "Was erzählst du dem lieben Gott eigentlich so lange?" - "Gar nichts", ist die Antwort des Bauern gewesen, während er zum Tabernakel gezeigt hat, "Ich schaue ihn an; und er schaut mich an. Das genügt."

Liebe Brüder und Schwestern!
Egal, ob wir ein Anliegen haben oder ob uns Sorgen bedrängen; ob wir traurig sind und jemandem davon erzählen wollen oder das Herz uns vor Freude übergeht; ob wir Schwierigkeiten haben beim Verständnis von Jesu Worten wie die Apostel im heutigen Evangelium; ob wir Fragen und Zweifel haben; auch wenn wir Dank sagen wollen für eine schöne Begebenheit in unserem Leben oder ganz allgemein für all das Schöne und Gute in der Welt; oder wenn wir ihm einfach Zeit schenken - ihn anschauen, während er uns anschaut. Wichtig ist, dass wir uns immer wieder an ihn wenden und ihm Platz in unserem Leben geben. Das kann wie ein Sauerteig wirken, der unser Leben "aufgehen" lässt. Das wird ganz sicher, wie das unscheinbare Senfkorn, reiche Frucht bringen und unser Leben aufblühen lassen, unser Leben in die richtigen Bahnen lenken, sodass wir am Tag der Ernte von den Engeln nicht als Unkraut, sondern als guter Weizen erkannt werden.


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