Mariä Aufnahme in den Himmel

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
"Solange es keine Impfung oder Medikament gibt, wird uns die Krankheit begleiten."
Dieses Zitat stammt von Bundeskanzler Sebastian Kurz Ende Mai dieses Jahres und solche und ähnliche Aussagen sind uns von Politikern, Ärzten, Virologen und anderen echten oder selbst ernannten "Experten" inzwischen mehr als geläufig.
Es scheint, als würde sich die Hoffnung der ganzen Welt im Moment auf ein Arzneimittel richten - egal, wie der einzelne nun zu einer in Aussicht gestellten Impfung stehen mag. Alle warten irgendwie auf ein Medikament zur Behandlung der Krankheit oder auf eine Impfung gegen das Corona-Virus.
Mit anderen Worten: Man traut unserer Welt, Gottes Schöpfung, zu, dass man in ihr die Substanzen finden kann, die Linderung, Heilung und Gesundheit verheißen.

Am heutigen Festtag, mitten im Sommer 2020, in dem die ganze Welt nach einem Arzneimittel lechzt, wartet die Tradition der Kirche wie jedes Jahr mit einer besonderen Segnung auf: die Segnung der Kräuter und Blumen. Nicht, dass wir von unseren Kräuterbüscherln einen medizinisch wirksamen Schutz gegen die Pandemie erwarten würden, aber die Kräuterweihe ist ein Ausdruck jenes Zutrauens in Gottes Schöpfung, dass sie die Kraft zum Überwinden der Krankheit enthält, das sich auch in der Suche nach einem Medikament und Impfstoff ausdrückt. "Durch die Heilkräuter und Blumen schenkst du uns Gesundheit und Freude ... Sie erinnern uns an den Reichtum deines Lebens", heißt es im Segensgebet.

Liebe Brüder und Schwestern!
Die schöne und beliebte Tradition der Kräuterweihe richtet unseren Blick also auf das Schöne und Gute in dieser Welt. Wie passt das aber zusammen mit dem Festinhalt des heutigen Tages, wo wir doch auf die zukünftige Welt verwiesen werden, auf die Herrlichkeit des Himmels, in die Maria von ihrem göttlichen Sohn aufgenommen worden ist?
"Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott offenbartes Dogma, dass die unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde."
Am 1. November werden es 70 Jahre, dass Papst Pius XII. mit diesen Worten die jahrhundertealte Glaubensüberzeugung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel zum Dogma erhoben hat, das heißt zum sicheren Kern des Glaubens gehörig.
Es war das Heilige Jahr 1950, wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich Pius XII. zu diesem Schritt entschlossen hat. Es prallen in der Weltgeschichte buchstäblich zwei Welten aufeinander: Im Osten der Kommunismus und im Westen der Kapitalismus. Doch beiden Konzepten ist eines gemeinsam: Eine starke Fixiertheit auf das Diesseits. 
  • Karl Marx hatte die Religion als "Opium für das Volk" belächelt. Die Kirche wird im Kommunismus einer billigen Vertröstung auf das Jenseits bezichtigt, während es doch gelte, das klassenlose Paradies ohne soziale Unterschiede hier auf Erden zu errichten.
  • Doch nicht nur der Kommunismus, auch der westliche Kapitalismus ist zielstrebig auf diese Welt gerichtet. Hier gilt es, Karriere zu machen, hier liegt das Ziel erfüllten Menschseins.
In diese Zeitsituation hinein ruft also Pius XII. mit dem Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel in Erinnerung, dass dieses Leben nicht alles ist, dass dieses Leben sein Ziel nicht in dieser Welt hat. Und Maria ist "mit Leib und Seele" in diese neue Welt des Himmels aufgenommen. Es ist nicht nur ein rein geistiges Leben, sondern mit allem, was sie als Menschen ausgemacht hat - mit Leib und Seele -, lebt sie nun das Leben der Ewigkeit. Der Blick in den Himmel ist also keineswegs eine billige Vertröstung auf bessere Zeiten, sondern die Zusage, dass all das Schöne und Gute dieser Welt in Ewigkeit nicht verloren geht. Wenn die alte Legende im leeren Grab der Gottesmutter duftende Kräuter und Blumen weiß, wenn die Kirche heute nach alter Tradition die Kräuter und Blumen segnet, will sie genau das damit ausdrücken: Ja, wir dürfen in den Himmel blicken, aber wir müssen mit beiden Füßen in dieser Welt stehen, dürfen all das Schöne in ihr genießen als eine Vorahnung dessen, was uns im Himmel erwartet, haben dann freilich auch die Pflicht, das Schöne in dieser Welt zu bewahren und das Gute für alle Menschen zu fördern, damit so die Hoffnung auf die Schönheit des Himmels auch für die Ärmsten dieser Welt tatsächlich wachsen kann ohne eine billige Vertröstung auf bessere Zeiten zu sein.

Liebe Brüder und Schwestern!
"Solange es keine Impfung oder Medikament gibt, wird uns die Krankheit begleiten."
Dieser Satz mag zutreffen. Aber der heutige Blick auf Maria, die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, kann uns darüber hinaus Hoffnung geben: Das Schöne, Gute, Heilende in Gottes Schöpfung, das uns durch die Segnung der Kräuter und Blumen in Erinnerung gerufen wird, ist stärker als Krankheit und Tod. - Und das soll keine billige Vertröstung auf das Jenseits sein, sondern ist hier und heute erfahrbar, wenn wir uns bemühen, es wahrzunehmen.

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