25. Mai 2018 - Vesper zur Langen Nacht der Kirchen

Lesung aus dem ersten Buch der Chronik (1 Chr 9,26b-29.32-34)

Liebe Besucher der Langen Nacht der Kirchen!
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

"Auch blieben sie die Nacht über um das Haus Gottes", dieser Satz der Bibel, der als Motto für diese Lange Nacht der Kirchen ausgewählt worden ist, scheint auf den ersten Blick gut zu diesem Anlass zu passen. 
Wir haben diesen Vers aus dem ersten Buch der Chronik soeben im Kontext gehört. Und da hat sich der eine oder andere dann vielleicht doch gedacht: Was hat denn das mit der Langen Nacht der Kirchen zu tun? 

Dieser Vers steht im Kontext einer Auflistung der verschiedenen Stämme Israels, in unserem Fall des priesterlichen Stammes Levi. Und in diesem Kontext werden die verschiedensten Aufgaben der alttestamentlichen Priester, der Leviten, genannt. Unter anderem haben einige von ihnen einen Aufsichtsdienst und diese "blieben auch während der Nacht in der Nähe des Hauses Gottes".

Ich möchte kurz auf zwei Punkte eingehen. Zunächst der Vers für sich genommen und dann der Vers im Kontext.

1. Für sich genommen empfinden wir den Vers sehr passend für die heutige Veranstaltung. Die Nacht über um das Haus Gottes, oder einfacher gesagt: die Nacht über in der Kirche sein - das ist doch genau das, wozu wir heute eingeladen sind.
Kirche ist aber immer mehr als das imposante Bauwerk dieser Herz-Jesu-Friedenskirche oder der kleinen Herz-Jesu-Kirche gegenüber. Kirche ist vor allem die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich hier um Jesus Christus versammelt.
Und auch das Wort Nacht können wir anders verstehen: Die Nacht ist das, was uns Angst macht. Sie steht vielleicht auch für manche Schwierigkeiten in unserem Leben.
Und wir sind eingeladen, auch die Nacht über in der Kirche zu bleiben. Gerade in den schweren Stunden unseres Lebens, kann die Gemeinschaft der Gläubigen, letztlich die Gemeinschaft mit Gott, die in der Kirche erfahren wird, eine starke Stütze sein.
"Sie blieben auch während der Nacht in der Nähe des Hauses Gottes" - eine Einladung an uns, in allen Situationen unseres Lebens die Nähe Gottes zu suchen!

2. Der Vers im Kontext der heiligen Schrift verursacht uns fürs Erste vielleicht Probleme in der Interpretation. Was bitte soll die Auflistung der Dienste von Priestern viele Jahre vor Christi Geburt mit mir heute zu tun haben?
Ich denke ein Zugang könnte sein, sich die große Vielfalt dieser Dienste vor Augen zu führen. Da ist in dem Abschnitt, den wir gehört haben die Rede von einem Aufsichtsdienst, einem Schlüsseldienst, von der Sorge um die verschiedenen Gerätschaften des Tempels, von der Bereitstellung von Wein, Öl, Weihrauch und Balsam, von der Sorge um die Brote, schließlich von den Sängern. - Und was wir gerade in der Lesung gehört haben, ist ja nur ein kleiner Ausschnitt einer langen Liste.
Ich habe vorhin gesagt, wir sind eingeladen, in der Kirche, in der großen Gemeinschaft der Gläubigen mit Jesus zu bleiben. Die Auflistung von so vielen verschiedenartigen Diensten damals - und wir könnten eine solche Liste gewiss auch für die heutige Zeit zusammenstellen - kann als eine Einladung an jeden einzelnen verstanden werden, seinen besonderen Platz in dieser Gemeinschaft zu finden, seinen Platz, an dem er seine besonderen Fähigkeiten, Neigungen und Begabungen zum Wohl für die Gemeinschaft einsetzen kann. Das macht die Lebendigkeit von Kirche, und besonders einer Pfarre, aus: dass es in ihr so viele verschiedene Menschen gibt, die sich einbringen; dass diese aber keine vereinzelten Individuen bleiben, sondern zusammen - versammelt von und um Jesus Christus - eine einzige große Gemeinschaft bilden, die letztlich nicht einmal die Grenzen einer Pfarre kennt, weil sie eine weltweite, eben "katholische" (das heißt: weltumfassende) Gemeinschaft ist.
"Sie blieben auch während der Nacht in der Nähe des Hauses Gottes" - eine Einladung an uns, uns in die Gemeinschaft der Kirche mit unseren Fähigkeiten einzubringen und unseren Platz in dieser Gemeinschaft zu finden.

Liebe Brüder und Schwestern!
Im Ablauf der Vesper folgt nun das Magnificat, der große Lobgesang der Gottesmutter Maria, der im kirchlichen Abendgebet jeden Tag angestimmt wird.
Die Gemeinschaft der Kirche hört nicht an der Gebäudemauer einer Kirche, nicht an den Grenzen einer Pfarre, und nicht einmal an den Grenzen dieser Erde und unserer Erdenzeit auf. Weil wir eine Gemeinschaft sind, die sich um Christus versammelt, bilden wir auch mit jenen eine Gemeinschaft, die wir die "Heiligen" nennen, die bereits die Vollendung im Himmel erlangt haben. 
Wenn wir in den Lobgesang Mariens einstimmen, können wir auch daran denken: Wir sind eingeladen in der Gemeinschaft der Kirche zu verbleiben, in allen Situationen unseres Lebens, mit unseren besonderen Begabungen und Fähigkeiten, und im Wissen um die unglaubliche Größe und Vielfalt dieser Gemeinschaft, die sogar über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg besteht, weil sie von Jesus Christus zusammengerufen und zusammengehalten wird.


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