6. Ostersonntag - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern!

Jeder Sonntag will ein kleines Osterfest sein. Besonders aber diese Zeit zwischen Ostern und Pfingsten begehen wir als österliche Festzeit.
"Lass uns die österliche Zeit in herzlicher Freude begehen ... damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt", so haben wir im Tagesgebet zu Beginn der Messe gebetet.
Dieses Gebet ist eine Neudichtung der Liturgiereform der 70er Jahre. Wahrscheinlich ist den Verantwortlichen der Reform in der alten Oration des fünften Sonntags nach Ostern zu wenig explizit vom Ostergeheimnis die Rede gewesen. Die zentrale Bitte lautete früher: "gib, dass wir, von Dir erleuchtet, das Rechte denken und es, von Dir geführt, vollbringen".

Liebe Brüder und Schwestern!
Ich denke, dass beides seine Berechtigung hat. Natürlich ist es schön, wenn wir uns gerade auch im Gebet immer wieder daran erinnern, was eigentlich der Grund unserer sonntäglichen Zusammenkunft ist, und dass wir uns immer wieder neu die Freude über die Auferstehung Christi von Gott erbitten.
Andererseits entspricht es auch unserer Erfahrung, dass wir nicht immer in Jubelstimmung sind. Auch nach der Auferstehung Jesu stehen wir noch in unserem Alltag und sind aufgefordert, ihn, von Gott erleuchtet und geführt, zu bewältigen, worum das alte Gebet am heutigen Sonntag bittet.

Wenn wir das Tagesgebet, das am Beginn der Messe gesprochen wurde, genauer betrachten, ist ihm aber auch dieser Aspekt nicht fremd. Es enthält nämlich beide Bitten.
Zuerst heißt es: "Lass uns die österliche Zeit in herzlicher Freude begehen und die Auferstehung unseres Herrn preisen." Wir bitten also tatsächlich darum, dass wir aus unserem alltäglichen Tun in gewisser Weise aussteigen können; dass wir den alltäglichen Trubel unterbrechen und sozusagen bei Gott Luft schnappen können in der Freude über die Auferstehung Jesu und über das neue Leben, das uns verheißen ist.
Dann aber holt uns das Gebet schlagartig wieder zurück ins Leben, wenn es uns beten lässt: "damit das Ostergeheimnis, dass wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt." Die sonntägliche Eucharistiefeier, das Gebet, das Ausruhen und Luftschnappen bei Gott wollen uns die Kraft geben, unseren Alltag zu bestreiten. Ja, gerade dieser Alltag, "unser ganzes Leben" soll von Gott her, durch die Feier von Ostern, "geprägt und verwandelt" werden. Es soll einen Unterschied machen, dass wir als fröhliche und österliche Menschen durchs Leben gehen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Das Evangelium, das wir heute gehört haben, schließt unmittelbar an das Evangelium des vergangenen Sonntags an, wo Jesus sich mit dem Weinstock vergleicht, dessen Reben wir sind.
Es sind keine explizit österlichen Evangelien, denn Jesus spricht diese Worte am Gründonnerstag als Abschiedsreden an seine Jünger, kurz bevor er am Kreuz getötet werden wird.
Wenn diese Abschiedsreden in der Erzählung des Johannesevangeliums zwar eigentlich vor Ostern verortet sind, passen sie aber doch ganz gut in die österliche Festzeit. Sie sind für diese Sonntage vor Christi Himmelfahrt gleichsam als Abschiedsevangelien ausgewählt worden.
Verbunden mit Jesus, wie die Reben mit dem Weinstock, sind wir aufgefordert, unseren Alltag als österliche Menschen zu bestreiten. 
Zwei Punkte möchte ich aus dem heutigen Evangelium herausgreifen, mit denen uns Jesus dazu auffordert und ermutigt:

Zuerst das Wort Liebe. Es durchzieht den Abschnitt, den wir gehört haben, vom Anfang bis zum Ende: "Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. ... Dies trage ich euch auf: Liebt einander!"
Die Liebe Gottes des Vaters erscheint als tragender Grund für die Liebe, die Jesus an die Menschen weitergibt. "Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat", haben wir in der Lesung aus dem ersten Johannesbrief gehört. Und so wie Jesus diese Liebe Gottes auf Erden gelebt und sichtbar gemacht hat, so sind nun seine Jünger, sind wir aufgerufen, in dieser Liebe zu bleiben und sie in die Welt, in unseren Alltag hineinzutragen.

Und der zweite Punkt: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte; ... vielmehr habe ich euch Freunde genannt"
Jesus will uns zur Seite stehen wie ein guter Freund, der mit uns durch dick und dünn geht. Er ist nicht einfach nur der erhabene Herr, sondern in seiner Liebe ist er uns nahe gekommen, ist Mensch geworden und hat seine Liebe bis zum äußersten unter Beweis gestellt: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt."
Eine Freundschaft will gepflegt sein. Und so kann eben besonders die sonntägliche Messfeier, die Begegnung mit ihm in seinem Wort und ganz besonders im Sakrament der Eucharistie, eine Kraftquelle für uns sein. Und aus der Kraft, die uns aus dieser Freundschaft mit Jesus erwächst, sind wir dann auch gerüstet für die verschiedensten Aufgaben, die uns in unserem Alltag erwarten.

So möchte ich schließen, indem ich nochmals die Bitte des heutigen Tagesgebets wiederhole:
"Allmächtiger Gott, lass uns die österliche Zeit in herzlicher Freude begehen und die Auferstehung unseres Herrn preisen, damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt."
Amen.


Zu den liturgischen Texten

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