6. Ostersonntag - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern!

"Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt. / Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt."

Bestimmt kennt jeder von uns diese Zeilen, auch wenn das entsprechende Marschlied bereits für einen Film im Jahr 1930 geschrieben wurde, der Text also schon über 90 Jahre alt ist. Das Thema Freundschaft ist eben eines, das die Jahre überdauert, weil es offenbar ein menschliches Grundbedürfnis anspricht.

"Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf." (Sir 6,14-15)

So weiß es bereits das Buch Jesus Sirach im Alten Testament etwa 200 Jahre v. Chr. Ebenso die griechische Philosophie, vor allem Aristoteles, hat sich eingehend mit dem Thema Freundschaft beschäftigt. Und auch in der heutigen Zeit ist es kein Thema von vorgestern. In den sozialen Medien schließt man "Freundschaften". Die Werbung für eine Versicherungsgesellschaft fragt: "Wozu hat man Freunde?" und die Pralinenwerbung weiß: "Guten Freunden gibt man ein Küsschen." Wenn man Kinder oder Jugendliche befragt, was für sie am schlimmsten an der Corona-Situation ist, dann ist meist die erste Antwort, dass man seine Freunde nicht treffen kann.

Freundschaft ist jedenfalls etwas, das wohl jeden von uns betrifft und anspricht. So braucht man wahrscheinlich gar nicht auf die Weisheiten der Nikomachischen Ethik des Aristoteles oder, um einen moderneren Autor zu nennen, auf C. S. Lewis zu referieren, um Freundschaft zu erklären. Jede theoretische Erklärung müsste sowieso vor dem zurücktreten, was die persönliche Erfahrung mit Freundschaften ausmacht.

Liebe Brüder und Schwestern! Nehmen Sie sich kurz Zeit; denken Sie an gute Freundschaften. Fühlen Sie den Assoziationen nach, die Ihnen beim Wort "Freundschaft" kommen. Was macht Freundschaft für Sie aus?

(Stille.)

Ich gehe davon aus, dass das Thema Freundschaft bei Ihnen gute Gefühle ausgelöst hat: Symphatie, Geborgenheit, Vertrauen, ... - Und nun lassen Sie sich die Aussage des heutigen Evangeliums zusagen, wenn Jesus auch zu uns und zu Ihnen persönlich spricht: "Ihr seid meine Freunde."

Liebe Brüder und Schwestern!

Bereits Aristoteles wusste, dass es echte Freundschaft nur unter gleichen geben kann. Sonst würde es immer ein Hinab- oder Hinaufschauen in die eine oder andere Richtung sein. Ist es nicht unerhört, dass Jesus, der Sohn Gott, Gott selbst, uns seine Freunde nennt?! - Und doch ist es die entscheidende Botschaft des Christentums: Gott begibt sich auf eine Stufe mit uns; oder anders gesagt: er erhebt uns aus unserer Zerbrechlichkeit, damit er uns auf gleicher Stufe begegnen kann.

Diese Wahrheit ruft uns die Kirche heute, am Sonntag vor Christi Himmelfahrt, in Erinnerung. Doch, wie gesagt, über Freundschaft kann man zwar viel theoretisch nachdenken, gelebte Freundschaft ist aber etwas, das uns unmittelbar berührt. Diese gelebte Freundschaft mit Jesus wünsche ich uns! Möge sie die Kraftquelle sein, aus der heraus wir auch unseren Brüdern und Schwestern - auf einer Stufe - liebevoll und freundschaftlich begegnen können!

Zu den liturgischen Texten

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