1. Fastensonntag - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ich möchte unsere Aufmerksamkeit heute auf die erste Lesung lenken, die wir gehört haben. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie diesen Text hören. Die Erschaffung des Menschen und der sogenannte Sündenfall - das sind natürlich bekannte Erzählungen, die aber oft auf Unverständnis stoßen. Der Mensch, der aus Erde geformt wird - da stellen sich dem modernen Menschen, zumal dem Naturwissenschaftler, zurecht alle Haare auf. Und selbst gläubige Menschen werden sagen: Das kann es ja nicht sein! Und dann auch noch der Sündenfall. Warum soll es denn verboten sein, eine bestimmte Frucht zu essen? Und was ist schlecht daran, gut und böse zu erkennen? Und wenn es schon Sünde, also eine böse Tat, ist, warum sollte diese als "Erbsünde" dann sämtlichen Menschen zugerechnet werden, die von Adam und Eva abstammen, obwohl sie doch selbst diese Tat gar nicht begangen haben?

Ich möchte versuchen, auf diese Fragen kurz einzugehen, eventuelle Missverständnisse aufzuzeigen und vielleicht auch neue Zugänge zu diesen bekannten Erzählungen zu erschließen.

Schauen wir zunächst auf die Erschaffung des Menschen aus Erde.

Natürlich geht es der Bibel nicht darum, naturwissenschaftliche Aussagen über die Entstehung des menschlichen Lebens zu tätigen. Aber es soll etwas ausgesagt werden über das Wesen des Menschen. Wer ist der Mensch? Was macht ihn aus? Was macht den Mensch zum Menschen? - Und da wird zuerst gesagt: Der Mensch ist von der Erde genommen. Will sagen: Mensch und Erde gehören zusammen. Der Mensch wird sozusagen geerdet. Er ist kein himmlisches Wesen, auch wenn es im anderen Schöpfungsbericht in Gen 1 heißt, dass er Abbild Gottes ist. Er ist eben ein Abbild Gottes hier auf Erden. Der Mensch hat zwar eine besondere Stellung in der Schöpfung, aber er ist Teil dieser Welt. In diesem Sinne ist er eben Erde.

Und der Mensch wird aus der Erde von Gott geformt. Eine ganz plastische, bildliche Vorstellung begegnet uns hier: So wie man vielleicht eine Sandburg baut, so formt in dieser Bilderwelt Gott den Menschen aus der Erde. Das will aber auch sagen: Gott zeichnet die Konturen, die Umrisse des Menschen wie auf einem Gemälde. Er begrenzt den Menschen damit, steckt seinen Rahmen ab, aber gibt ihm dadurch auch sein Profil. Er hebt ihn ab davon, reine Erde zu sein. Er macht etwas Neues, Besonderes aus ihm. Gott begrenzt also den Menschen, aber gerade so gibt er ihm Kontur und macht ihn zu etwas Besonderem.

Die Rede von der Kontur und vom Rahmen des Menschen, von seinen natürlichen Grenzen, führt mich auch schon zum zweiten großen Fragenkomplex, nämlich Sündenfall und Erbsünde.

Dass auch diese Erzählung keine historische Schilderung sein will, wie die ersten Menschen von einem Baum gegessen haben, ist, denke ich, klar. Wir bewegen uns also wieder auf einer Bildebene, die aber auch so viele Fragen aufkommen lässt. Ich habe vorhin etwa die Frage aufgerissen: Was ist so schlecht an dieser Frucht? Soll der Mensch denn nicht erkennen, was gut und böse ist, damit er danach handeln kann?

Versuch einer Antwort bzw. eines Perspektivenwechsels: Der Akzent der Erzählung liegt nicht im Erkennen von gut und böse, im An-erkennen von etwas Vorgegebenen. Sondern der Akzent liegt darin, dass der Mensch selber erkennen will, nicht an-erkennen, sd. selber bestimmen, was gut und böse ist, sich über die Gegebenheiten hinwegsetzen möchte, selber neue Fakten schaffen will. Theologisch gesprochen: Die Grenzen, die Gott gesetzt hat, von denen ich vorhin als Kontur und Profil des Menschen gesprochen habe, die möchte der Mensch nicht anerkennen. So sagt es ja auch die Schlange: Ihr werdet sein wie Gott.

Und genau darin, liebe Brüder und Schwestern, liegt das Wesen der Sünde, des Schlechten: die von Gott gegebenen Grenzen, die man durchaus erkennen darf und soll, nicht anerkennen wollen. Das ist die Wurzel jeder bösen Tat. In diesem Sinne wird diese Sünde auch das "peccatum originale" genannt. Der deutsche Begriff "Erbsünde" ist da leider etwas missverständlich bzw. unvollständig. Besser wäre es, den Begriff "Ursünde" zu verwenden. Die Ursünde des Menschen, das, wovon alles Böse und Schlechte kommt, ist, dass er seine Grenzen nicht anerkennen will, dass er nicht geerdet bleibt, sondern selber Gott sein will und eigenmächtig festlegt, was gut und böse ist.

So viel also zur Erzählung von der Erschaffung des Menschen aus Erde und vom Sündenfall. 

  • Es geht erstens darum, geerdet zu bleiben, uns nicht zu überheben.
  • Zweitens sollen wir unsere Begrenztheit anerkennen und - positiv gesprochen - innerhalb dieser Grenzen unser Menschsein verwirklichen.
  • Denn drittens wird uns gezeigt, dass dort, wo wir unser darüber stellen, wo wir selber nicht mehr Mensch, sondern Gott sein wollen, die Spirale des Bösen beginnt und wir unser Menschsein verfehlen.

Und wenn wir von da aus einen Blick auf das Evangelium werfen, können wir sagen: Jesus zeigt uns, was es wirklich heißt, Mensch zu sein. Er widersteht der Versuchung, er überhebt sich nicht, sondern bleibt ganz und gar geerdet. Nehmen wir diese Erzählungen am Beginn der Fastenzeit zum Anlass, uns selbst zu fragen, wie es bei uns aussieht. Wo überhebe ich mich über meine Natur, über mich selbst, über andere? Wo möchte ich sein wie Gott? Wo gebe ich dem Versucher nach? - Und kommen wir zurück zu Gott! Lassen wir uns von Jesus zeigen, wie Menschsein ganz ohne Hochmut, falschem Stolz und Überheblichkeit möglich ist. Nicht zuletzt kann natürlich auch eine ehrliche Osterbeichte eine große Hilfe sein, diesen Schritt der Umkehr zu setzen.


Zu den liturgischen Texten

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