Ostersonntag - Am Tag


Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

"Resurrexi et adhuc tecum sum, alleluia. / Posuisti super me manum tuam, alleluia. / Mirabilis facta est scientia tua, alleluia, alleluia."

"Ich bin auferstanden und bin immer bei dir. Halleluja. / Du hast deine Hand auf mich gelegt. Halleluja. / Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen. Halleluja, halleluja."

Dieser über 1000 Jahre alte Gesang, den ich heute zu Beginn der Messe vorgesungen habe, ist der "Introitus", der offizielle Einzugsgesang der Festmesse am Ostersonntag. Man hätte wohl für den Ostersonntag, für den höchsten christlichen Feiertag, den Freudentag über die Auferstehung Jesu ein imposanteres Eingangslied von der offiziellen Liturgie der Kirche erwarten können. Man hätte erwarten können, dass die Erde bebt und alles verstummt vor der Majestät des Auferstandenen (diese Anklänge finden sich heute im offiziellen gregorianischen Gesang zur Gabenbereitung "Terra tremuit"). Verglichen mit anderen gregorianischen Gesängen, etwa zu Weihnachten oder Pfingsten, hätte man auch eine freudigere Melodie erwarten können. Mit Ausnahme eines einzigen Quintensprungs, der aber noch dazu zwischen zwei Verszeilen geschieht, wechseln die Töne höchstens im Umfang einer Terz, also höchstens unter Auslassung eines einzigen Tons der Tonleiter. Wir könnten sagen: Der Eröffnungsgesang am höchsten und freudigsten Tag des Jahres macht keine großen Freudensprünge in der Melodieführung. 

Fassen wir den Befund also zusammen: Die Festmesse des Ostersonntags beginnt mit einer sehr schlichten Melodie; und auch inhaltlich werden wir nicht zur Freude aufgefordert, sondern es wird ein abgewandeltes Psalmwort zitiert: "Resurrexi et adhuc tecum sum" - "Ich bin auferstanden und bin immer bei dir". - Der Verfasser des Liedes stellt sich vor, wie der auferstandene Christus seinem himmlischen Vater gegenübertritt. Der Eingangsvers des Ostersonntags möchte uns vor aller äußerlichen Freude, die dieser Tag vermittelt, teilhaben lassen am innigen Gespräch Jesu mit Gott Vater im Heiligen Geist, möchte uns hineinnehmen in das Liebesleben Gottes. "Auferstanden bin ich und nun immer bei dir", so spricht Gott Sohn zu Gott Vater. 

Seit Ostern hat dieses innergöttliche Liebesgeschehen, dieser Austausch zwischen den göttlichen Personen eine zusätzliche Konnotation, wenn in der Vorstellung unseres Eröffnungsgesangs Jesus weiter zu seinem Vater spricht: "Du hast deine Hand auf mich gelegt." Gedacht ist dabei an Leid und Tod, an die Gottverlassenheit des Karfreitags. Schwer liegt die Hand des Leidens auf ihm - und er erkennt zu allem Überfluss darin noch den Willen seines himmlischen Vaters. Am Kreuz ereignet sich die größtmögliche Entfernung zwischen Vater und Sohn!

Und dann kommt noch die dritte Verszeile des Introitus: "Mirabilis facta est scientia tua." - "Wie wunderbar ist dein Wissen!" Kein Vorwurf Jesu an den Vater, dass er all das durchleiden musste, sondern Lobpreis seiner Weisheit, Vertrauen darin, dass der Vater selbst dem Leiden des Sohnes einen Sinn geben kann.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir stehen im von Papst Franziskus ausgerufenen Jahr des Gebetes. Die Liturgie der Kirche legt dem Auferstandenen am Beginn der Ostermesse dieses dreigliedrige Gebet in den Mund: "Vater, ich bin auferstanden; von nun an werde ich immer bei dir sein. / Ich habe vieles durchlitten und musste erfahren, dass dieses unsägliche Leid deinem Willen entsprochen hat. / Aber ich bewundere deine Weisheit, denn nichteinmal diese scheinbar unendliche Distanz zu dir, konnte uns zertrennen."

Ostern ist deshalb das Fest der Erlösung für uns, weil in Tod und Auferstehung Jesu alles Leid, alle Not, alle Gottferne zwar nicht ausradiert, aber umgriffen ist von der unendlich liebenden Gegenwart Gottes. Ostern feiern muss nicht heißen, immer ein fröhliches Lied vor sich hin zu pfeifen - obwohl dagegen absolut nichts einzuwenden ist; Ostern kann auch heißen, die schlichten, leisen Töne anzuschlagen und in den kleinen Herausforderungen des Alltags, die wir mit Gottes Hilfe meistern, Vorboten der ewigen Hineinnahme in das Liebesleben Gottes zu erkennen. Insofern ist Ostern die Einladung an uns, uns das Gebet des Auferstandenen zu eigen zu machen und uns vertrauensvoll an Gott zu wenden:

"Ich bin auferstanden und bin immer bei dir. Du hast deine Hand auf mich gelegt. Wie wunderbar ist für mich dieses Wissen. Halleluja, halleluja."

Zu den liturgischen Texten

Zum Introitus "Resurrexi"

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