20. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern!

Hatten Sie schon einmal eine schwierige Entscheidung zu treffen? Ich meine eine Entscheidung, die deshalb schwierig ist, weil von vornherein nicht klar ist, welche Option die bessere ist; bei der die verschiedenen Optionen fürs Erste gleich gut oder gleich schlecht erscheinen.
Ja, es gibt solche Entscheidungen, denen man nicht entrinnen kann, bei denen man aber eigentlich überfordert ist und sich erst im Nachhinein herausstellt, ob man richtig entschieden hat.

Ich denke in diesem Kontext gerne an den hl. Ignatius von Loyola. Er war ein Soldat, der bei einer Schlacht verwundet wurde und dann für einige Zeit nicht einsatzfähig gewesen ist. Er hatte bereits früher gerne gelesen; und so wünschte er als Zeitvertreib auf dem Krankenlager auch, Bücher über große Heldentaten lesen zu können. Im ganzen Haus gab es jedoch kein Buch, das ihm gefallen würde. Man brachte ihm schließlich zwei Bücher, "Das Leben Christi" und "Blüte der Heiligen". Und weil er nichts anderes zum Lesen hatte, las Ignatius in diesen Büchern und fand Gefallen daran. Nach einiger Zeit fiel ihm ein Unterschied auf: Wenn er über die großen Heldentaten und Schlachten gelesen hatte, dann fühlte er sich innerlich vergnügt. Sobald er das Buch aber weglag, war er wieder im alten Trott. Wenn er aber diese geistlichen Bücher las, dann empfand er auch Freude, die sogar dann noch anhielt, wenn er mit dem Lesen fertig war. Nun wusste er, dass er sich gegen sein Leben als Soldat und für ein Leben in der Nachfolge Christi entscheiden musste. Er wurde schließlich der Gründer des Jesuitenordens. - Keine leichte Entscheidung! Und von außen betrachtet, schien es auch egal, welche Bücher er las oder welches Leben er führte. Doch im Nachhinein war es eine große Entscheidungshilfe.

Liebe Brüder und Schwestern!
In der Lesung aus dem Buch der Sprichwörter, die wir gehört haben, geht es auch um eine schwierige Entscheidung. Da war die Rede von der personifizierten Frau Weisheit, die in ihr Haus zum Festmahl einlädt. Mit dieser Einladung endet die Lesung, wie sie für die hl. Messe vorgesehen ist. Im biblischen Text folgt allerdings noch eine zweite Einladung, die von außen betrachtet sehr ähnlich aussieht: die Einladung von Frau Torheit:
"Frau Torheit ist unruhig, eine Verführerin, das ist alles, was sie versteht. Sie sitzt vor der Tür ihres Hauses auf einem Sessel bei der Stadtburg, um die Vorübergehenden einzuladen, die geradeaus ihre Pfade gehen: Wer unerfahren ist, kehre hier ein. Zum Unwissenden sagt sie: Süß ist gestohlenes Wasser, heimlich entwendetes Brot schmeckt lecker. Und er weiß nicht, dass Totengeister dort hausen, dass ihre Gäste in den Tiefen der Unterwelt sind." (Spr 9,13-18)
Wie gesagt, es gibt große Parallelen zwischen den beiden Einladungen von Frau Weisheit und Frau Torheit, sodass die Entscheidung, welcher Einladung man Folge leistet, nicht leicht fällt.
Beide Frauen werben bei der Stadtburg, in der Öffentlichkeit. Frau Weisheit hat ihr Haus gebaut und schickt ihre Mägde aus, um bei der Stadtburg zu ihrem Fest einzuladen. Und auch Frau Torheit sitzt auf einem Sessel bei der Stadtburg.
Der Wortlaut der Einladung ist sogar identisch: "Wer unerfahren ist, kehre hier ein."
Und beide Frauen bieten ihr Mahl an.
Man muss also schon sehr genau hinschauen, um die Unterschiede zu sehen:
Frau Weisheit sitzt in ihrem eigenen Haus, das sie selbst gebaut hat. Von Frau Torheit hingegen erfährt man nicht, ob es überhaupt ihr eigenes Haus ist, vor dem sie sitzt.
Frau Weisheit lädt zum Mahl, das sie selbst zubereitet und zum Wein, den sie selbst mit Gewürzen gemischt hat, wie das damals üblich war. Frau Torheit - und das ist wahrscheinlich der größte Unterschied - bietet gestohlenes Wasser und heimlich entwendetes Brot.

Eine schwere Entscheidung! Und doch ist sie wichtig und zieht große Konsequenzen nach sich: 
Wer der Einladung von Frau Weisheit folgt, der hört die Mahnung: "Lasst ab von der Torheit, dann bleibt ihr am Leben".
Wer aber der Einladung von Frau Torheit folgt, der landet dort, wo "Totengeister hausen", und "in den Tiefen der Unterwelt".

Liebe Brüder und Schwestern!
Durch die Leseordnung stellt uns die Kirche diese Stelle aus dem Buch der Sprichtwörter als Hilfe vor Augen, um das Evangelium besser zu verstehen.
Als Evangelium haben wir heute den Schluss der eucharistischen Rede, der Rede vom Brot des Lebens, gehört. Und auch diese Rede stellt uns vor eine schwierige Entscheidung: Glauben wir den Worten Jesu oder nicht? - Wir werden am kommenden Sonntag hören, dass die Zuhörer Jesu genau vor diese Entscheidung gestellt werden, und dass nicht wenige sich von ihm abwenden.

Jesus lädt, wie Frau Weisheit und Frau Torheit, zum Festmahl ein. Aber es ist nicht ein gestohlenes Essen wie bei Frau Torheit, das er anbietet. Und er geht sogar über das hinaus, was Frau Weisheit zubereitet hat: Er hat nicht nur ein Festmahl vorbereitet, sondern er selbst will unsere Speise sein: "Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank."
Und ähnlich wie Frau Weisheit dem, der bei ihr einkehrt, verheißt, dass er am Leben bleibt; dass er, wenn er der Weisheit folgt, ein gutes Leben führen kann; so sagt Jesus über das ewige Leben: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben."

Liebe Brüder und Schwestern!
Wir stehen vor der Entscheidung. Folgen wir der Einladung Jesu? Wie steht es mit unserem Glauben an die Gegenwart Jesu in der Eucharistie?
Wenn wir die hl. Kommunion empfangen, sagt der Kommunionspender zu uns: "Der Leib Christi." Und wir antworten: "Amen" - das heißt: Ja, ich glaube daran.
Sprechen wir dieses Amen wirklich aus Überzeugung?
Diese Entscheidung kann uns niemand abnehmen, aber sie ist wichtig und muss getroffen werden.
Eines darf ich aber in Aussicht stellen: Wer wirklich an die Gegenwart des Herrn in der Eucharistie glaubt, der wird - wie der hl. Ignatius - eine große innere Ruhe und Geborgenheit verspüren, die nicht nur für den Augenblick gilt, sondern das ganze Leben erfüllen will.


Zu den liturgischen Texten

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