26. Sonntag i. Jkr. - Lj. B

Liebe Brüder und Schwestern!

QUIS UT DEUS? - "Wer ist wie Gott?"
Das Fest der heiligen Erzengel, insbesondere des hl. Michael, am 29. September hat mich inspiriert, der heutigen Predigt diese Frage voranzustellen.
Denn der hebräische Name Michael bedeutet auf deutsch eben "Wer ist wie Gott?"
Aber beginnen wir zunächst mit der Botschaft, die uns die liturgischen Texte des heutigen 26. Sonntags im Jahreskreis vor Augen führen.

In der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch Numeri ist die Rede gewesen von der Einsetzung der 70 Ältesten durch Mose.
Für Mose selbst war die Aufgabe der Führung des Volkes zu umfangreich geworden. Deshalb erhielt er von Gott den Auftrag, 70 Älteste auszuwählen und zum Offenbarungszelt zu bringen, damit sie dort von seinem Geist empfangen und gemeinsam mit Mose das Volk führen würden.
So geschah es auch. Nur, so haben wir gehört, kam der Geist auch auf zwei Männer herab, Eldad und Medad, die es nichteinmal für wert befunden hatten, an das Zelt zu kommen.
Mose wird daraufhin gebeten, diese Männer am Auftreten zu hindern. Schließlich haben sie ja, so Josua, keinen Auftrag dazu empfangen. Doch Mose hindert sie nicht daran, sondern hegt sogar den Wunsch: "Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!"

Ähnlich wird uns im Evangelium berichtet, dass es jemanden gab, der nicht in der engeren Nachfolge Jesu stand, aber in seinem Namen Dämonen austrieb.
Die Jünger verlangen nun von Jesus, dass er ihn daran hindern möge. Schließlich folgt er ihm ja nicht nach so wie sie; wie kommt er also dazu, im Namen Jesu aufzutreten?
Für Jesus aber ist die Sache kein Problem. "Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden."

Liebe Brüder und Schwestern!
Es gehört von Anfang an zur Erfahrung des Volkes Gottes dazu, dass Gott sich an bestimmte Strukturen bindet, in denen er sich erfahrbar macht. Das gilt im Alten Bund, und das gilt auch für das Volk des Neuen Bundes, für die Kirche. Wir können beispielsweise an die Sakramente denken: Große Geschenke, in denen uns die Gnade Gottes auf unverbrüchliche Weise zugesagt wird.
Aber die Gnade Gottes erschöpft sich nicht auf diese Strukturen, geht nicht darin auf. "Der Geist weht, wo er will" - auch dieses Überraschende gehört immer wieder zur Erfahrung mit Gott dazu.

Soviel zum ersten Teil des heutigen Evangeliums. Wir dürfen aber auch den zweiten Teil nicht vernachlässigen: "Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus!"
Wie passt das mit dem ersten Teil zusammen?
Hans Urs von Balthasar, einer der größten Theologen des vergangenen Jahrhunderts, hat den Zusammenhang so formuliert: "Der erste (Teil) spricht vom Zulässigen, Tolerierbaren, der zweite vom Nicht-Erträglichen." (Licht des Wortes, S. 213)

Lieber Brüder und Schwestern!
Es ist zulässig, dass sich das Gute, das Wirken im Namen Jesu, außerhalb der sichtbaren Strukturen der Nachfolge und der Kirche findet.
Was aber nicht zulässig, ja unerträglich für Jesus ist, ist die Verführung zum Bösen inmitten der Kirche: "Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde."
Nicht, dass sich Gutes außerhalb der Kirche, bei den sogenannten "Fernstehenden" findet, ist für Jesus unerträglich, sondern dass in der Kirche Böses geschieht - und wir wissen, wie viel Böses da bis auf den heutigen Tag tatsächlich zu finden ist! Wir brauchen gar nicht an die großen, wirklich schrecklichen Fälle von sexuellem Missbrauch und deren Vertuschung durch hohe Kirchenvertreter zu denken; jeder von uns als Teil der Kirche hat wahrscheinlich auch genug vor der eigenen Haustür zu kehren. Es gibt das Böse auch in der Kirche, das für Jesus so unerträglich ist, im Großen und im Kleinen!

Anders gewendet, ergibt diese Doppelstruktur des heutigen Evangelienabschnitts eine Aufforderung an uns: Es genügt nicht "Christ" zu heißen; es genügt nicht, einen katholischen Taufschein zu besitzen; ja es genügt nicht einmal, sonntags zur Kirche zu gehen. Wir müssen auch dementsprechend leben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Wort Jesu vom letzten Sonntag: "Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein."

Damit nun zurück zur eingangs gestellten Frage:
"Wer ist wie Gott?", diese Frage ist der Schlachtruf des hl. Michael gegen den Teufel, gegen jene Macht also, die ihr "non serviam"- "Ich will nicht dienen" gesprochen hat, die sich selbst absolut setzen möchte.
Wer ist wirklich wie Gott? Wer geht wirklich die Wege Gottes? Wer ist wirklich auf dem Weg zur Teilnahme am göttlichen Leben in der Herrlichkeit des Himmels? Der sein eigenes Ich nicht für sich selbst einsetzt, sondern im Dienst an Gott und dem Nächsten.
Für Gott zählt letztlich nicht die rein nominelle Zugehörigkeit zur Kirche. Der Taufschein ist kein Freibrief in den Himmel. Es kommt auch und besonders darauf an, entsprechend zu leben.


Zu den liturgischen Texten

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