Dreifaltigkeitssonntag - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

Es ist schon einige Wochen her, dass der Herr Pfarrer seinen Schülern in der vierten Klasse gesagt hat: "Geht einmal in die Kirche und schaut, ob ihr etwas findet, das heuer genau 200 Jahre alt wird."
Einige Schüler haben diesen Auftrag offenbar dann auch ausgeführt, denn es dauerte nicht lange, dass ich von ihnen angesprochen wurde, ob ich ihnen nicht helfen könnte; ob ich nicht vielleicht eine Antwort auf die Fragestellung wüsste.
Ich habe mich dann beim Herrn Pfarrer erkundigt, was es mit dieser Frage auf sich hat und er hat mich gebeten, die Antwort geheim zu halten. Was ist in der Kirche genau 200 Jahre alt? - Ein Geheimnis also.

Irgendwann hat der Herr Pfarrer dann aber verraten, was es ist, weil niemand den Gegenstand gefunden hat: Eine Prozessionsfahne, die mit der Jahreszahl 1819 beschriftet ist. Das Rätsel - gelöst. Das Geheimnis - kein Geheimnis mehr.

Liebe Brüder und Schwestern!
In der Regel bleibt ein Geheimnis also nur solange ein Geheimnis, bis es uns verraten wird. Dass die Fahne des Rätsel Lösung war, ist also jetzt kein Geheimnis mehr. Was aber immer ein Geheimnis bleiben wird, ist das, was auf der Fahne zu sehen ist, obwohl man es eben betrachten kann, obwohl es bekannt ist: Die Aufschrift "Sancta Trinitas" - Heilige Dreifaltigkeit und eine zeitgenössische Darstellung des dreifaltigen Gottes, der drei göttlichen Personen.

Wir können nicht behaupten, wir wüssten nichts vom dreifaltigen Gott. Wie oft machen wir das Kreuzzeichen und sagen dabei: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Wie oft hören wir in der Kirche davon? Wie oft sehen wir entsprechende Darstellungen und Bilder? Wie oft spricht die hl. Schrift, wenn auch nicht in einer systematischen Gotteslehre, von den drei göttlichen Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Und doch bleibt die Dreifaltigkeit Gottes ein Geheimnis; nicht deshalb, weil wir es nicht wüssten, sondern weil wir es nie ganz werden verstehen können.

Man hat versucht, dieses Geheimnis mit verschiedenen Bildern zu erklären. Mit verschiedenen Masken eines Schauspielers - von daher leitet sich auch der Begriff "Person" für die drei göttlichen Personen ab. Der hl. Patrick hat die Dreifaltigkeit den Bewohnern von Irland mit einem Kleeblatt nahegebracht - ein dreiblättriges Blatt eben, so wie es ein dreifaltiger Gott ist. In jüngerer Zeit wird oft auch das Bild der einen Familie aus Vater, Mutter, Kind als Analogie herangezogen. Alle diese Bilder haben ihre Stärken und Schwächen, denn sie legen den Akzent entweder auf die Einheit oder die Dreiheit, tendieren also dazu, entweder die drei Personen nur als Spielarten, als verschiedenes Auftreten des einen Gottes darzustellen, oder laufen Gefahr, die drei Personen völlig getrennt voneinader zu denken - Vater, Mutter und Kind gehören zwar irgendwie zusammen, aber als Analogie für die Einheit Gottes wird sich dieses Bild wohl eher weniger eignen.
Das kirchliche Lehramt hat es mit philosophischen Begrifflichkeiten versucht, angefangen vom Konzil von Nizäa im Jahre 325, das selbst wiederum ein Bild verwendet. Der Sohn ist "Gott von Gott", so wie "Licht vom Licht" - wie der Strahl der Sonne nicht von der Sonne getrennt werden kann, so der Sohn nicht vom Vater, und weitergedacht: Wie die Wärme mit diesem Licht der Sonne einhergeht, so auch der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn. Der Sohn ist "eines Wesens mit dem Vater", der Heilige Geist geht "aus dem Vater" bzw. "aus dem Vater und dem Sohn hervor".
So gibt es eben die verschiedensten Erklärungsmodelle, um sich diesem großen Geheimnis unseres Glaubens zu nähern. Wir glauben an einen Gott. Aber dieser ist Gott "nicht in der Einzigkeit einer Person, sondern in den drei Personen des einen göttlichen Wesens", wie es in der heutigen Präfation heißen wird.

Liebe Brüder und Schwestern!
Das klingt alles sehr theoretisch und Sie fragen sich vielleicht zurecht: Was hat das mit mir zu tun? Welche Auswirkung hat das auf mein Leben? Sind das nicht nur theologische Spekulationen ohne praktische Bedeutung?
Um das zu beantworten, müssen wir versuchen, ein bisschen in das Geheimnis einzudringen, ein bisschen zu verstehen, was mit der Rede vom einen Gott in drei Personen gesagt werden soll.

Zunächst können wir da einmal festhalten: Gott ist kein einsamer Gott.
Im rabbinischen Judentum wird die Frage, warum Gott überhaupt eine Welt erschaffen hat, oft damit beantwortet, dass Gott nur dadurch in Beziehung treten kann. Etwas banal ausgedrückt: Ihm wäre langweilig, hätte er nicht die Welt erschaffen. Letztlich hat die Welt also den Zweck, Gott zu unterhalten, den "gelangweilten" Gott aus seiner Einsamkeit zu befreien. Im Letzten wäre es für uns paradoxerweise die Schöpfung, die Gott erlösen würde, wäre Gott ohne seine Schöpfung nicht vollkommen.
Freilich gibt es auch im Judentum Stimmen, die dieser Gottes- und Weltsicht nicht zustimmen. So haben wir aus dem Buch der Sprichwörter in der ersten Lesung gehört, dass bei der Erschaffung der Welt bereits Gottes Weisheit dabei gewesen ist - es klingt fast wie eine Ahnung dessen, dass JHWH, der Gott der seinem Volk wirklich frei zugewandt ist, der für das Volk alles bedeutet, aber selbst des Volkes nicht bedarf, dass dieser Gott auch in sich in irgendeiner Form Beziehung leben muss.
Auch das christliche Gottesbild kann darauf aufbauend sagen: Gott hat keinerlei Notwendigkeit, eine Welt zu erschaffen. Er ist in sich selbst Beziehung. "Gott ist die Liebe", wie es im ersten Johannesbrief heißt. Er braucht nicht erst eine Welt zu schaffen, um lieben zu können, sondern ist in sich ewiger Liebesaustausch zwischen Vater und Sohn im Heiligen Geist.
Und wenn dieser Gott aus keiner Bedürftigkeit heraus sich entschließt, eine Welt zu erschaffen, dann kann sein einziges Motiv dazu eben die Liebe sein. Dann schafft er die Welt nicht, um dadurch einen Mangel an sich selbst zu beheben, dann ist die Welt ihm nicht Mittel zum Zweck; sondern sie ist von Anfang an von der göttlichen Liebe umfangen und demnach berufen, selbst Teil dieses ewigen göttlichen Liebesaustauschs zu sein.

Liebe Brüder und Schwestern!
Genau deshalb ist es eben nicht egal, wie wir von Gott denken. Als Christen dürfen wir mit Überzeugung sagen: Gerade weil Gott dreifaltig ist, kann Gott die Liebe sein, kann er uns als seine Geschöpfe wirklich frei lieben, sind wir für ihn nicht Mittel zum Zweck, sondern in Wahrheit um unserer selbst willen Geliebte.

Das Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit ist ein Fest für uns alle; ein Fest, das uns daran erinnert, wozu wir berufen sind: Als von Gott Geliebte an seinem Leben der Liebe teilzuhaben.
Vor 200 Jahren haben sich die Menschen das Bild der Dreifaltigkeit auf die Fahne geschrieben.
Tragen wir es nicht nur als Prozessionsbanner voran, sondern leben wir entsprechend! Der Mensch ist gemäß biblischem Zeugnis als Abbild Gottes geschaffen; christlich gesprochen: als Abbild des dreifaltigen Gottes, der die Liebe ist. Werden wir selbst zu Bildern der Dreifaltigkeit, die anderen Menschen so das Geheimnis von Gottes Liebe nahebringen können!



Zu den liturgischen Texten

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