5. Sonntag i. Jkr. - Lj. C

Liebe Brüder und Schwestern!

Bei jeder hl. Messe singen wir das Sanctus: "Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten!" Dieser Gesang hat in unserer Liturgie eine so zentrale Bedeutung erlangt, dass er - wenn das Singen aus irgendwelchen Gründen ausnahmsweise nicht möglich ist - ersatzweise sogar gesprochen wird. Er fällt jedenfalls niemals aus. In der heutigen ersten Lesung haben wir vom "Ursprung" dieses für uns so bedeutenden Textes gehört. In der Berufungsvision des Propheten Jesaja sind es die Seraphim, die heiligen Engel am Thron Gottes, die dieses Lied anstimmen. Und so heißt es ja vor dem Sanctus der Messe auch immer wieder: "Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen und singen vereint mit ihnen das Lob deiner Herrlichkeit" - oder ähnliche Formulierungen.

Das Sanctus, das Dreimal-Heilig in der Messe, erinnert uns also daran, dass wir mit unserer Liturgie nicht isoliert dastehen, sondern teilhaben am ewigen Lobpreis Gottes aller Engel und Heiligen. Doch betrachten wir zunächst die Szene, die sich uns da im 6. Kapitel des Jesajabuches bietet.

Im ersten Vers erfahren wir, nach der Zeitangabe "im Todesjahr des Königs Urija", wo die nachfolgende Vision spielt. Zumindest können wir darauf schließen, dass sie im Tempel von Jerusalem verortet ist, wenn es heißt: "die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus". Jesaja sieht also im Tempel den großen, hohen Thron Gottes aufgerichtet. Damit ist einerseits ausgesagt, dass Gott der große, mächtige Herrscher ist; der, der hoch erhaben ist; der "Transzendente", der, der nicht Teil dieser Welt ist, sondern ihr gegenübersteht und sie erhält und regiert. Anderseits ist der Tempel natürlich ein besonderer, für Gott exklusiv ausgesonderter heiliger Ort, aber eben doch ein Ort in dieser Welt. Das heißt: dieser erhabene Gott macht sich in der Welt erfahrbar. Er ist nicht nur der "Transzendente", sondern in gewisser Weise auch der "Immanente". Das drückt sich ja auch in der Formulierung aus, dass sein Gewand den Tempel erfüllt.

Jesaja steht also nun vor diesem faszinierenden Gott, der hoch erhaben über der Erde thront, aber dennoch in dieser Welt erfahrbar ist. Und was er sieht, wird nun vom Gesang der Seraphim nochmals zusammengefasst und ins Wort gebracht in ihrem Loblied:

  • "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen", singen sie. Ja, Gott ist der "Heilige", der ganz Andere, der von der Welt unendlich verschiedene, der erhabene Herrscher.
  • Aber, so wissen sie auch zu singen: "Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit". Nicht nur der Tempel ist erfüllt vom Saum seines Gewandes, sondern die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit - das heißt gemäß damaliger zeitgenössischer jüdischer Theologie: erfüllt von seiner Gegenwart. Die Herrlichkeit Gottes, seine Erhabenheit, sein göttliches Wesen, ist nichts anderes als seine Zugewandtheit zur Welt.

Jesaja sieht also die Vision; er hört den Gesang der Engel; und er spürt auch, was es bedeutet, dass er nun Gott begegnet: "Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch." - Alle Sinne sind irgendwie beteiligt an dieser Erscheinung Gottes, die ihm geschenkt wird.

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Gegenwart des erhabenen Gottes, die Jesja erfährt, erfüllt ihn ganz und gar: im Sehen, Hören und im starken Fühlen. Sie erfüllt ihn so sehr, dass er nicht anders kann als ängstlich zurückzuschrecken: "Weh mir, denn ich bin verloren" - Anders ausgedrückt: Vor der Größe Gottes, die sich ihm zuwendet, erkennt er sein eigenes jämmerliches Dasein. Er erkennt, dass er ganz und gar abhängig ist von diesem Gott. Er erkennt auch, dass er in seiner Jämmerlichkeit es eigentlich nicht wert ist, diese Zuwendung Gottes zu erfahren: "Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich".

Und wie reagiert Gott auf diesen Einwand Jesajas? Er wendet sich ihm noch viel mehr zu! Er öffnet seine Lippen und beruft ihn in seinen Dienst, wozu Jesaja sich nun bereitwillig anbietet: "Hier bin ich, sende mich!"

Liebe Brüder und Schwestern, fassen wir also kurz zusammen:

  • 1. Jesaja erfährt die Gegenwart Gottes - ausgedrückt in eindrücklichen Bildern, im majestätischen Gesang der Engel und im spürbaren Erschüttern seiner Umwelt.
  • 2. Er erkennt seine eigene Stellung vor diesem Gott. Er macht sich klein.
  • 3. Gott wendet sich ihm umso mehr zu als er sich klein macht vor ihm und nimmt ihn in seinen Dienst. Er soll diese, seine Zuwendung zur Welt nun weitertragen.

An diese drei Punkte dürfen wir uns auch jedesmal erinnert wissen, wenn wir bei der Feier der hl. Messe in das Sanctus der Seraphim einstimmen. Die Liturgie der Kirche, zumindest in unserer lateinisch-römischen Tradition, hat dieses Sanctus ja ganz bewusst in das eucharistische Hochgebet eingebaut; es steht unmittelbar vor der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi; an der Stelle der liturgischen Feier, wo sich für uns die Gegenwart Gottes in Jesus Christus in einzigartiger Weise konkretisiert und verdichtet. So ist es auch angemessen, dass der Lobspruch der Engel - "Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit" - von der liturgischen Tradition ergänzt wird um den Psalmvers, mit dem Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem begrüßt worden ist: "Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe."

  • So erinnert uns das Sanctus also 1. daran, dass Gott uns zugewandt ist, dass er unter uns gegenwärtig und erfahrbar ist - in Jesus Christus, und in besonderer Weise in der hl. Eucharistie.
  • Angesichts dieser Zuwendung Gottes zu uns, wäre es doch 2. angemessen, wie Jesaja, uns klein zu machen. Nicht nur, dass wir uns zur Wandlung hinknien, sondern dass wir uns wirklich bewusst werden, wer wir sind; wie unwürdig wir eigentlich sind - das heißt: dass wir keinerlei Rechtsanspruch auf diese Zuwendung Gottes haben, sondern dass sie reines Geschenk, reine Gnade ist.
  • Dann werden wir 3. erfahren, dass Gott uns in unserer Armseligkeit umso mehr nahekommt. Ja, dass er uns sogar stärkt und in Dienst nimmt. So werden wir am Ende der hl. Messe ja auch hinausgesandt: Ite, missa est - Gehet hin, ihr seid gesendet (in der deutschen Version "Gehet hin in Frieden" geht dieser Sendungsgedanke leider etwas verloren). Wir sollen, wie Jesaja, auch wie die Apostel, die Jesus im Evangelium beruft, diese Zuwendung Gottes, die uns unverdienterweise zuteil wird, weitertragen in unsere Welt hinein.

Lassen wir uns also vom Sanctus der Messe immer wieder daran erinnern, wer es ist, dem wir hier begegnen; welch unerhörtes Geschenk es ist, dass er sich uns zuwendet; und dass wir von ihm in Dienst genommen und befähigt sind, diese Zuwendung Gottes weiterzugeben!

Zu den liturgischen Texten

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