12. Sonntag i. Jkr. - Lj. A

 


Liebe Brüder und Schwestern!

"Heiliger Gott, gib, dass wir deinen Namen allezeit fürchten und lieben", so habe ich zu Beginn der hl. Messe im Tagesgebet vorgebetet und Sie alle haben mir mit Ihrem "Amen" zugestimmt. Aber was ist es eigentlich, worum wir da gebetet haben?

Zunächst sprechen wir Gott an als "heilig" - ein Wort, das wir im kirchlichen Kontext oft gebrauchen, aber selten über seine Bedeutung nachdenken. "Heilig" ist, wenn man es religionsgeschichtlich betrachtet, das, was vom profanen Gebrauch ausgesondert worden ist. Heilig ist das, was in die Sphäre des Übernatürlichen hineingehoben worden ist. Heilig ist davon ausgehend dann das, was uns Menschen mit dem Übernatürlichen, dem Göttlichen verbindet. Bestimmte heilige Zeichen, heilige Orte, heiligen Riten - alles, was uns über uns hinaus verweist. Im strengen Sinn des Wortes können wir als Christen eigentlich nur den einen Gott "heilig" nennen. "Heilig ist nur er", singen wir im beliebten Schubert-Sanktus. Wenn wir Gott explizit anreden als "heiliger Gott", dann ist es die Anerkennung seiner Größe, seiner Überragenheit über das Irdische, die Anerkennung seiner Gottheit und damit die Anerkennung unserer Abhängigkeit von ihm.

Gott ist aber nicht nur heilig. Gleich danach kommt im Gebet der "Name" Gottes vor - auch wieder so ein Wort, über das wir selten nachdenken. Was bedeutet es, dass dieser heilige Gott einen Namen hat? Wir könnten denken an die Offenbarung Gottes am brennenden Dornbusch vor Mose, wo Gott seinen Namen JHWH offenbart. Oft ist versucht worden, diesen Namen zu übersetzen: "Ich bin, der ich bin", "Ich bin der 'Ich bin da'". - Mit diesen beiden Deutungen lassen sich die verschiedenen Übersetzungen zusammenfassen. Wichtiger als diese wörtliche Bedeutung des alttestamentlichen Gottesnamens scheint mir allerdings überhaupt das Faktum zu sein, dass Gott einen Namen hat und uns diesen Namen offenbart. Er macht sich rufbar. Er, der ganz Heilige, der ganz Andere, der ganz Erhabene lässt sich von uns ansprechen. Er bleibt nicht in seiner entrückten Sphäre, sondern begibt mit uns auf Du zu Du. Insofern können wir christlich sagen, dass mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus die Idee des Namens Gottes endgültig einen Höhepunkt erreicht hat: Der Name Gottes ist nichts anderes als seine Zusage, mit uns zu sein, anrufbar zu sein, für uns da zu sein.

Nach den Begriffen "heilig" und "Name" kommt dann im Gebet ein Wortpaar, das wir fürs erste wahrscheinlich als in sich widersprechend ausnehmen würden: gib dass wir deinen Namen "fürchten" und "lieben". Gottes Name, seine Gegenwart, sein Dasein für uns - das wollen wir gleichzeitig "fürchten" und "lieben". 

Natürlich ist hier mit Furcht keine Angst gemeint. Es ist ein Wort, das aus unserem modernen Sprachgebrauch fast verschwunden ist, aber gemeint ist hier die "Ehrfurcht" vor Gott - wir könnten sagen: das Anerkennen seiner Größe, das Staunen vor ihm, gerade angesichts dessen, dass er, der Große, sich herablässt zu uns Kleinen. Der Religionsphilosoph Rudolf Otto spricht beim Phänomen des Heiligen vom "mysterium tremendum et fascinosum", vom erschreckenden und zugleich faszinierenden Geheimnis. Wer vor Gott steht, der ist eben beides zugleich: erschrocken und gleichzeitig von ihm angezogen. Das ist es wohl, was mit Ehrfurcht, mit Gottesfurcht gemeint ist. 

Aber, so haben wir gebetet, wir wollen Gottes Namen ja nicht nur "fürchten", sondern auch "lieben" - und da geht unser Gebet über die Religionsphilosophie hinaus. Gott kann nicht nur gefürchtet, sondern auch geliebt werden. - Jesus spielt auch heute im Evangelium mit diesem Gedanken: "Fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann" und gleichzeitig "Fürchtet euch nicht, bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf gezählt", Gott liebt euch. - Gottes Herablassung zu uns Menschen ist eben so gewaltig und bis in die letzte Konsequenz, bis zur Menschwerdung Gottes, vollzogen, dass er wirklich mit uns auf einer Ebene steht, dass wir ihn nicht nur bewundern und bestaunen, sondern tatsächlich und im wahrsten Sinn des Wortes lieben können, weil auch er uns auf Augenhöhe liebt.

So kann unser Tagesgebet sich eben auch versichern, dass Gott unsere Bitte erhört: "denn du entziehst keinem deine väterliche Hand, der fest in deiner Liebe verwurzelt ist".

Liebe Brüder und Schwestern!

Oft nehmen wir gar nicht mehr richtig wahr, was wir eigentlich tun, wenn wir uns an Gott wenden; welch große Gnade es ist, ihn anrufen zu können; wie unerhört groß seine Liebe ist, in der er sich uns zuneigt. Vielleicht können wir das Tagesgebet des heutigen Sonntags zum Anlass nehmen, wieder öfter daran zu denken, wieder öfter über Gott zu staunen, wieder öfter den Akt der Liebe ihm gegenüber zu erwecken.

"Heiliger Gott, gib, dass wir deinen Namen allezeit fürchten und lieben. Denn du entziehst keinem deine väterliche Hand, der fest in deiner Liebe verwurzelt ist."

Amen.


Zu den liturgischen Texten

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