30. Sonntag i. Jkr. - Lj. A

Liebe Brüder und Schwestern!

Seit vergangenem Sonntag ist die zweite Lesung der Sonntagsmesse aus dem ersten Thessalonicherbrief des Apostels Paulus genommen; dieser Brief wird uns auch noch die kommenden Wochen bis zum Ende des Kirchenjahres begleiten. Nach Meinung der Bibelwissenschaft handelt es sich dabei um den ältesten erhaltenen Paulusbrief und damit auch um die älteste Schrift im Neuen Testament. - Ein faszinierender Gedanke: Wir hören in diesen Wochen aus dem ersten uns schriftlich überlieferten Zeugnis des frühen Christentums.

Paulus schreibt also an die Gemeinde von Thessalonich, die er bei seiner zweiten Missionsreise um das Jahr 50 herum gegründet hat. Bereits dieses Faktum kann uns etwas über das frühe Christentum sagen: Einerseits trägt man die Botschaft weiter und anderseits bleibt man in Kontakt. Wir könnten es auch so formulieren: Die konkrete Verfassung der Kirche an verschiedenen Orten - später wird man diese Ortskirchen "Diözesen" oder "Bistümer" nennen - hindert nicht daran, eine einzige, weltumspannende Gemeinschaft - eben "Universalkirche" - zu sein. Und es besteht nicht nur eine Verbindung zwischen der einzelnen Ortskirche, im konkreten Fall: der Gemeinde von Thessalonich, und der Universalkirche, verkörpert durch den Apostel, sondern auch zwischen den verschiedenen Ortskirchen untereinander. Wir erfahren ja im Brief auch davon, dass die Christen von Thessalonich durch ihr christliches Leben zum Vorbild für die Christen in Mazedonien und in Achaia geworden sind. Das setzt doch einen regen Austausch zwischen den angesprochenen Gemeinden voraus.

Liebe Brüder und Schwestern!

Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns das frühe Christentum in dieser Hinsicht einiges voraus gehabt hat. Wie oft sind wir als Pfarrgemeinde (von der eigentlichen ortskirchlichen Ebene der Diözese ganz zu schweigen) in uns selbst abgeschlossen! Von einem regen Austausch zwischen den Gemeinden kann bei uns oft nicht die Rede sein. Natürlich dürfen und sollen wir als Gemeinde unseren christlichen Glauben vor Ort leben; aber sicher nicht in Selbstgenügsamkeit und ohne den Blick einmal über den Tellerrand unserer Pfarrgrenze hinaus zu werfen. Ich bin überzeugt, in einer Zeit, in der wir zahlenmäßig weniger werden, werden wir mit der Strategie des jungen Christentums, die im Kontakthalten mit anderen, vorzugsweise benachbarten Gemeinden bestanden hat, besser fahren als mit Eigenbrötelei - besser manches gut gemeinsam machen, als jeder kocht seine eigene Suppe, aber ohne entsprechende Würze!

Ein Zweites noch, das wir aus dem heutigen Lesungsabschnitt mitnehmen können: Da beschreibt Paulus, wie die Gemeinde von Thessalonich entstanden ist. Zum einen erscheint es konstitutiv, den Apostel, den Boten der Frohen Botschaft, aufzunehmen: "man erzählt sich überall, welche Aufnahme wir bei euch gefunden haben"; also ganz menschlich gesprochen: gastfreundlich zu sein und hinzuhören auf das, was er zu sagen hat. - Eine erster Schritt hin zu einem lebendigen Christentum auch für uns kann also auf dieser grundlegenden Ebene des Menschlichen liegen: den anderen aufnehmen, ihm zuhören, bereit sein, sich hinterfragen zu lassen.

Und dann folgt das zweite: "Man erzählt sich ... wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt". Christliches Leben setzt auch voraus, Liebgewordenes zurückzulassen. Es sagt sich oft so leicht, dass sich die Heiden von den Götzen zu Gott bekehrt haben, aber da steht ja oft die Aufgabe einer ganzen Lebensweise und Kultur dahinter. Bin ich bereit, nachdem ich mich vom Boten Gottes, den ich gastfreundlich aufgenommen habe und der mein Leben kritisch hinterfragt hat, für Gott auch auf manche schlechte, aber liebgewonnene Gewohnheit zu verzichten?

Liebe Brüder und Schwestern!

So ist der Blick auf dieses frühe schriftliche Zeugnis des ersten Thessalonicherbriefs, zu dem uns die Sonntage bis zum Ende des Kirchenjahres einladen, alles andere als langweilig oder belanglos. Vom Glauben und der Lebensweise der frühen Christenheit, die uns da zwischen den Zeilen begegnet, können wir auch heute etwas lernen. Und das wahrscheinlich umso mehr, als es auch bei uns immer weniger selbstverständlich ist, Christ zu sein. Lassen wir uns also durchaus herausfordern!

Zu den liturgischen Texten

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