4. Sonntag im Jahreskreis - Lj. B


Liebe Brüder und Schwestern!

Was macht die Person Jesus so besonders?

Ist es seine Botschaft? Etwa die Worte der Bergpredigt?

Sind es seine Wundertaten? Die Heilung von Kranken und Besessenen, die Brotvermehrung, die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana, die Auferweckung von Toten?

Ist es seine eigene Auferstehung, sein Erscheinen vor den Jüngern, die Verbreitung seiner Botschaft auf der ganzen Welt, obwohl er nach irdischen Maßstäben kärglich gescheitert ist, als er als Verbrecher am Kreuz hingerichtet wurde?

Alle diese Antworten mögen stimmen und eine gewisse Plausibilität haben. Aber wenn wir das heutige Evangelium bzw. seinen Kontext anschauen, dann werden wir sagen müssen: Dass Jesus etwas ganz Besonderes ist, das haben seine Zeitgenossen schon vorher, unabhängig von all den wunderbaren Taten erkannt, die er später vollbringen wird.

Wir hören in diesem Jahr an den Sonntagen großteils die fortlaufende Lesung aus dem Markusevangelium. Nach herrschender Meinung der Bibelwissenschaftler handelt es sich dabei um den ältesten zusammenhängenden Bericht vom Leben Jesu. Matthäus und Lukas hätten nach dieser Meinung das Markusevangelium bereits gekannt und als Vorlage für ihre eigenen Evangelien verwendet. Jedenfalls ist das Markusevangelium auch das kürzeste der vier kanonischen Evangelien - und gerade in dieser Kürze und Prägnanz liegt auch sein ganz eigener Charme.

Markus spricht etwa gar nicht von der "Vorgeschichte", von der Geburt Jesu in Betlehem, wie sie uns der hl. Lukas überliefert, oder vom Besuch der Sterndeuter, von dem wir bei Matthäus lesen. Nein, Markus beginnt gleich in aller Kürze mit der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan. Und danach, nachdem er kurz davon berichtet, dass Jesus in der Wüste in Versuchung geführt wurde - wir werden den äußerst kurzen Bericht am ersten Fastensonntag hören - beginnt Jesus sein öffentliches Wirken. Ohne viel Herumgeschweife, ohne jegliche Ausschmückung; das Markusevangelium geht medias in res, steigt direkt ein in die Erzählung vom Wirken Jesu.

Damit nimmt uns Markus aber auch mit auf jene Reise, die Jesu Zeitgenossen mit ihm gemacht haben. Die hatten ja auch nicht lange herumstudiert, wer dieser Jesus ist, der ihnen jetzt begegnet. Und doch - so berichtet Markus noch im ersten Kapitel - folgen ihm seine ersten Jünger, obwohl er noch keinerlei wunderbare Dinge hat geschehen lassen; wir haben am vergangenen Sonntag davon gehört.

Und was macht Jesus im Markusevangelium, nachdem er die ersten Jünger um sich gesammelt hat? Nun, da steigt der heutige Evangeliumsabschnitt ein: "In Kafárnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte." - Wir erfahren nichteinmal, was Jesus da gelehrt hat. Anscheinend findet der Evangelist das an dieser Stelle gar nicht so entscheidend. 

Wir können also festhalten: Bis zu dieser Stelle im Markusevangelium hat Jesus keine Wundertaten vollbracht. Er hat wohl gelehrt, aber was er da genau gesagt hat, ist anscheinend gar nicht so wichtig. - Und trotzdem sind ihm seine ersten Jünger schon gefolgt. Trotzdem heißt es heute, dass die Leute voll Staunen über seine Lehre waren; und zwar nicht nur wegen des Inhalts der Lehre, den wir, wie gesagt, gar nicht mitgeteilt bekommen, sondern, weil er sie lehrte "wie einer, der Vollmacht hat". Dabei können wir im Hinterkopf haben, dass das griechische Wort exousia, das hier mit "Vollmacht" übersetzt wird, wörtlich übersetzt "aus dem Wesen / aus dem Sein" bedeutet. Auch wenn dieses Wort auch eine besondere Befähigung durch einen Dritten bezeichnen kann, hat es doch etwas mit dem Wesen, dem Sein, der Persönlichkeit dieses Menschen zu tun. Jesus lehrt die Menschen mit exousia, mit einer Vollmacht, einer Befähigung, die aus seinem inneren Wesen kommt - und das ist es, was die Leute zum Staunen bringt.

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach der Schilderung des Markusevangeliums ist es also nicht zuerst die Botschaft Jesu, sind es nicht zuerst seine Wundertaten, die die Leute begeistern, sondern seine Person an sich. Sie merken: Hier ist einer, bei dem stimmt die Botschaft, die er bringt, mit seinem Wesen überein. Hier ist einer, der authentisch ist. Hier ist einer, der nicht nur von Gott spricht, sondern der uns Gott wirklich nahebringt.

In der ersten Lesung haben wir die Prophezeihung gehört, die Mose dem Volk vor seinem Tod gibt: "Einen Propheten wie mich wird der Herr, dein Gott, erstehen lassen." Vielleicht haben einige der Zeitgenossen Jesu genau an dieses Wort gedacht. Mose, der mit Gott von Angesicht zu Angesicht gesprochen hat, von Du zu Du, galt als der Inbegriff des Propheten, des Mittlers, der das Gesetz Gottes, der seinen Willen, der dadurch Gott selbst, dem Volk nahebringt. Die Prophezeihung des Mose, dass solch ein Prophet aufs Neue auftreten wird, die scheint sich in Jesus erfüllt zu haben - und Jesus überbietet sie nochmals.

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Entscheidende im Markusevangelium sind nicht die Wundertaten Jesu, ist auch nichteinmal in erster Linie der Inhalt seiner Botschaft, sondern ist seine Person, ist er selbst. Darum kann echtes Christentum sich auch nicht darin erschöpfen, das "Übernatürliche" zu erwarten, einer gewissen "Wundersucht" nachzugehen. Es kann auch nicht allein darin bestehen, ein philosophisches oder moralisches System zu entwickeln, das sich auf die Botschaft Jesu stützt. Das Entscheidende im Leben des Christen muss vielmehr die Person Jesu Christi selbst sein; mit anderen Worten: chrisltiches Leben ist ein Beziehungsgeschehen. Nicht eine Lehre steht im Mittelpunkt, sondern eine Person: die Person Jesus, der uns Gott nahebringt, in dem Gott selbst uns begegnet. Papst Franziskus hat das laufende Jahr in Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2025 zum "Jahr des Gebetes" erklärt. Gebet, im Gespräch mit Gott sein, die Begegnung mit ihm suchen, die Beziehung zu ihm pflegen - das sind Schlagworte, die uns in diesem Sinne begleiten können. Sie wirklich zu füllen und im eigenen Leben umzusetzen, das bleibt freilich jedem von uns selbst überlassen und aufgetragen!

Zu den liturgischen Texten

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