8. Juli 2022 - Hl. Messe um geistliche Berufe beim Primizkreuz (mit Nachprimiz eines Neupriesters)

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst,
vor allem lieber hochwürdiger Herr Primiziant,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Als Lesung für die heutige Feier hier bei dem Kreuz, das ich anlässlich meiner Priesterweihe und Primiz errichten konnte, habe ich die Geschichte von der "ehernen Schlange" aus dem Buch Numeri gewählt. - Eine vielleicht seltsam anmutende Schilderung, fast schon magisch angehaucht: Wer von einer Giftschlange gebissen wird, braucht nur zur ehernen Schlange aufzublicken und wird automatisch gesund. Vielleicht drängt sich da in uns der Einwand auf: Wenn es doch nur so einfach wäre! Wenn wir doch nur durch einen kurzen Blick auf eine Skulptur zu richten bräuchten, und alle Nöte, Sorgen und Schwierigkeiten wären weggewischt! Wenn ein kurzer Blick doch tatsächlich die Corona-Pandemie beenden könnte! Wenn er doch tatsächlich den Frieden in Europa wiederherstellen würde! Wenn es doch nur so einfach wäre, mit den verschiedenen kleinen und großen Krisen fertigzuwerden! Lieber Thorsten, vielleicht denkst du dir auch: Wenn es doch nur so einfach wäre, die Herausforderungen zu meistern, vor die dein beginnender priesterlicher Dienst dich stellt! Ja, wenn es doch nur so einfach wäre; aber wir wissen wohl, dass es das in aller Regel eben doch nicht ist.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wichtig in dieser Erzählung von der ehernen Schlange ist mir das Wort "aufblicken" geworden. Und hier können wir vielleicht eher mitgehen: Ja, wir Menschen brauchen etwas, brauchen jemanden, zu dem wir aufblicken können. Wir brauchen etwas, das uns Mut machen kann, auch angesichts schwieriger Situationen und Schicksalsschläge. Jesus vergleicht sich in seinem Gespräch mit Nikodemus, von dem wir im Evangelium gehört haben, mit der ehernen Schlange: "Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden" - Ja, Jesus am Kreuz ist für uns die Erfüllung dessen, worauf diese seltsam anmutende Geschihte abzielt. Jesus am Kreuz ist der, zu dem wir aufblicken können, wenn wir Orientierung in den Wechselfällen des Lebens suchen. Jesus am Kreuz ist der, der selber ohnmächtig geworden ist, aber die Ohnmacht in seiner Auferstehung überwunden hat. Jesus am Kreuz ist der, der uns Hoffnung geben kann.

Lieber Thorsten!

Jesus am Kreuz ist auch der, den wir als Priester zu den Menschen bringen dürfen und müssen. Jesus am Kreuz ist der, den wir bei jeder Feier der hl. Messe gegenwärtig werden lassen in den Gestalten von Brot und Wein. Jesus am Kreuz ist der, dessen Liebe und Zuwendung die Menschen an unserem priesterlichen Wirken ablesen sollen - auch über die Feier der hl. Messe oder die Spendung der übrigen Sakramente hinaus.

Seine Eminenz hat bei der Predigt zu eurer Priesterweihe gesagt: "Bitte schaut nicht auf die einfachen Menschen herab!" Ich möchte dieses Wort aufgreifen und es gleichzeitig umwenden: "Bitte lebe als Priester so, dass die Menschen zu dir aufblicken können!" - Und zwar nicht, weil du auf sie herabblicken würdest, weil du selber so super wärst, sondern weil sie hinter deinem Wirken den erkennen können, der letztlich der einzige Priester ist - "sacerdos unicus", wie es die Inschrift meines Primizkreuzes sagt. Lebe so, dass die Menschen zu dir aufblicken können, weil sie in dir, in deinem Dienst, Jesus am Kreuz erkennen!

Liebe Brüder und Schwestern!

Zuweilen wird die Frage gestellt: Braucht die katholische Kirche überhaupt das Priesteramt? Ohne jetzt streng auf die katholische Sakramententheologie einzugehen, können wir antworten: Ja, wir brauchen das Priesteramt, wir brauchen die Priester, weil sie uns Jesus am Kreuz vermitteln, weil sie uns den gegenwärtig setzen, zu dem wir aufblicken können. Und das ist etwas, das wir uns nicht selber geben können - sonst wäre es kein eigentliches Aufblicken, sondern ein Auf-uns-selber-Blicken, das uns erst recht keine Hoffnung geben kann.

So hoffe ich, dass ich diese schöne Tradition, um meinen Primiztag herum, hier eine Festmesse zu organisieren mit dem Anliegen um viele neue geistliche Berufungen, noch lange beibehalten kann und dass dieses Gebetsanliegen nicht auf den heutigen Tag beschränkt bleibt, sondern uns allen wirklich zum Herzensanliegen wird!

Lieber Thorsten!

Lebe so, dass die Menschen zu dir aufblicken können, weil sie in deinem Wirken Jesus am Kreuz erkennen.

Und liebe Brüder und Schwestern!

Bitte betet für uns Priester, dass wir Jesus am Kreuz gut verkörpern und euch erfahrbar machen können. Und bitte betet, dass Gott viele junge Männer auch aus unseren Gemeinden zu diesem Dienst berufen möge.

Amen.


Zu den liturgischen Texten (Erste Lesung und Evangelium vom Fest Kreuzerhöhung)

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