28.04.2025 - Requiem f + Papst Franziskus


 Liebe Brüder und Schwestern!

"Ostern ist die größte Protestaktion weltweit: Wir protestieren gegen den Tod!" - Diese Worte habe ich so oder so ähnlich vor etwas mehr als einer Woche hier an dieser Stelle bei der Feier der Osternacht gesagt. Ostern als Protest des Lebens gegen den Tod. 

Und ein paar Stunden später haben wir über die diversen Medien Bilder aus Rom gesehen, bei denen ich mir spontan gedacht habe: Das ist doch eine bildhafte Darstellung dessen, was ich in der Osternacht gesagt habe. Da erscheint ein sichtlich schwacher Papst, den man noch vor wenigen Wochen schon fast für tot erklärt hat, auf dem Balkon der vatikanischen Basilika, spendet den Ostersegen und lässt sich sogar noch über den Petersplatz durch die versammelten Gläubigen fahren. - Ostern als Protest des Lebens, als Protest des vor kurzem noch totkranken Papstes gegen den Tod.

Als ich diese Bilder gesehen habe - und ich denke, es ist uns allen so ergangen - da habe ich nicht gedacht, dass dieser österliche Protest im Nachhinein betrachtet ein letztes Aufbäumen gegen die Übermacht des Todes gewesen ist, ein unbedingt-durchhalten-Wollen des Bischofs von Rom, um noch einmal seiner Bischofsstadt und dem ganzen Erdkreis den Segen des dreifaltigen Gottes zusprechen zu können. Wenige Stunden später ist Papst Franziskus in der Frühe des Ostermontages verstorben. Der österliche Protest des Lebens hat offensichtlich den Tod nicht aufhalten können.

Ostern als Protest des Lebens gegen den Tod - also doch nur eine leere Floskel, die ich in meiner Osterpredigt gesagt habe? Wenn sogar der Papst, der Stellvertreter Christi auf Erden, mit seinem Protest gegen den Tod nichts ausrichten kann, wozu dann überhaupt Ostern feiern?

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Evangelium vom heutigen Montag der zweiten Osterwoche sagt Jesu zu Nikodemus: "Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen." Es ist so, als gäbe Jesus dem Nikodemus und uns allen eine Anleitung, wie man erfolgreich gegen den Tod vorgeht, denn das Reich Gottes, das Reich des Lebendigen und Ewigen, das kann kein Reich des Todes sein. "Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen." - Von oben geboren werden - die Protestaktion gegen den Tod, die auch Erfolg verspricht, die ist nicht eine Initiative von unten, sozusagen von einer beleidigten Menschheit, die sich durch das Faktum des Todes von Gott schlecht behandelt fühlt; sondern sie ist eine Initiative von oben, der man sich anschließen soll, eine Initiative, die von Gott selbst ausgeht. "Mors et vita duello conflixere mirando" - "Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf", so heißt es in der Osterliturgie. Der eigentliche Protest gegen den Tod, der geht nicht von irgendwelchen Menschen aus, sondern vom Leben, vom lebendigen Gott selbst. "Dux vitae mortuus regnat vivus" - "Der Fürst des Lebens, der gestorben ist, herrscht, indem er lebt", so heißt es im Ostergesang weiter. Wenn also jemand "von oben geboren wird", wenn er sich an diesen Fürst des Lebens, an Jesus Christus, anschließt, der den Tod tatsächlich überwunden hat, dann wird er das Reich Gottes schauen, dann wird er durch den Tod ins Leben gehen, dann hat sein Protest gegen den Tod Erfolg. Und wie es funktioniert, sich dieser einzigen erfolgreichen Protestaktion des Lebens gegen den Tod anzuschließen, das sagt Jesus auch zu Nikodemus im heutigen Evangelium: "Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen." Aus Wasser und Geist geboren werden - hier spricht Jesus eindeutig von der Taufe. Die Taufe als das grundlegende Protestmittel gegen den Tod. Unser ganzes Leben lang bleibt es also eine Aufgabe, unserer Taufe gerecht zu werden, als Getaufte, als Christen, unser Leben hier auf Erden zu gestalten. Martin Luther hat es so formuliert: "Man muss täglich neu in die Taufe hineinkriechen." Nur so können wir uns dem Protest Jesu gegen den Tod anschließen. Nur so kann uns letztlich der Tod nichts anhaben.

Liebe Brüder und Schwestern!

Was das lange Leben von Jorge Mario Bergoglio betrifft, so liegt es nicht an mir, zu beurteilen, inwiefern er diese Aufgabe eines christlichen Lebens erfüllt hat. Es liegt jetzt auch nicht an mir, seinen Lebensweg revue passieren zu lassen - das haben in diesen Tagen bereits viele ausführlich und sicher auch kompetenter als ich getan. Mir bleibt nur festzuhalten, dass der Heilige Geist, vermittelt durch die Kardinäle, Jorge Bergoglio, am 13. März 2013 als Papst Franziskus zum irdischen Anführer der großen Protestaktion gegen den Tod namens Christentum gemacht hat - eine Aufgabe, die er bis vor kurzem versucht hat, nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Und man wird wohl sagen dürfen: Nicht wenige sind ihm gefolgt, haben von ihm wertvolle Impulse für ihr eigenes christliches Leben erhalten: die Freude des Evangeliums leben; auf die Barmherzigkeit Gottes vertrauen und selber barmherzig sein; auch an die Ränder gehen, um das Evangelium zu allen Menschen zu bringen; den Armen tatkräftig zur Seite stehen; gegen erstarrte Gewohnheiten die lebendige Flamme des Glaubens weitertragen, auch in sich ändernden Strukturen; sich synodal, das heißt: gemeinsam mit allen anderen, auf den Weg machen - nur um einige Stichworte zu nennen, die sein päpstliches Lehramt ausgemacht haben.

Ostern als Protestaktion des Lebens gegen den Tod. Irdisch betrachtet ist Jorge Mario Bergoglio mit seinem Protest, der sich am Ostersonntag ein letztes Mal öffentlich geäußert hat, gescheitert, hat er nicht, wie die Apostel Petrus und Johannes in der Lesung, durch sein Gebet die Erde zum Beben gebracht, um gerettet zu werden. Aber wir dürfen davon ausgehen, dass das auch gar nicht sein Ziel war. Vielmehr wollte dieser geschwächte Papst, der sich am Ostertag ein letztes Mal gegen den Tod aufbäumt, für uns ein Zeichen jenes Protestes gegen den Tod sein, der von Jesus Christus selbst angeführt wird. Irdisch gesehen mag er mit seinem Protest - wie jeder sterbliche Mensch - gescheitert sein, aber von Jesus, dem Sieger über Tod, her gesehen dürfen wir im Glauben für ihn und für uns alle hoffen und beten, dass Jesus, dem er in seinem irdischen Leben gefolgt ist und auf dessen Weg er versucht hat, auch viele andere zu führen, ihn nun teilhaben lässt an seinem endgültigen Ostersieg.

Zu den liturgischen Texten (Schriftlesungen vom Montag der zweiten Osterwoche)

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