23. Sonntag i. Jkr. - Lj C (Amelungenhadsch, Mariazell)

Liebe Bundesbrüder, liebe Wallfahrer,
liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Die kirchliche Leseordnung legt uns heute in der zweiten Lesung den Philemonbrief des hl. Paulus ans Herz; der kürzeste Paulusbrief überhaupt; an keine Gemeinde, sondern an eine Einzelperson, eben an Philemon gerichtet. Und dieser Brief hat einen einzigen Inhalt: Er ist ein Empfehlungsschreiben des Paulus an Philemon für einen gewissen Onesimus.

Philemon dürfte eine vornehme Person gewesen sein, die der hl. Paulus zum Christentum bekehrt hatte. Und Onesimus ist sein Sklave gewesen. Vielleicht kommt uns das komisch vor, dass ein Christ sich einen Sklaven hält, doch dürfte das damals noch vollkommen normal gewesen sein. Natürlich können wir heute sagen, dass die Sklaverei nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar ist; aber bis sich diese Einsicht durchgesetzt hat, ist es ein langer Prozess gewesen. Zu sehr hat das Sklavenwesen die Gesellschaftsordnung geprägt; da konnte das junge Christentum nicht von heute auf morgen die Revolution anzetteln. Erst als das Christentum sich immer mehr durchgesetzt hat, ist die Skalverei langsam verschwunden - natürlich mit einigen traurigen Rückschlägen im Laufe der Geschichte ...

Onesimus jedenfalls ist der Sklave des Philemon gewesen. Und dieser Onesimus ist seinem Herrn nun davongelaufen. Ein mutiges Unterfangen! Auf dieses Delikt standen hohe Strafen, bis hin zur Todesstrafe. Sklavenjäger für entlaufene Sklaven gab es genug. Es hätte für ihn also durchaus schlecht ausgehen können.

Durch eine Fügung - oder vielleicht auch absichtlich - kommt Onesimus zu Paulus, dem geistlichen Meister seines Herrn Philemon. Paulus selbst ist bereits in Gefangenschaft, kann sich nicht mehr frei bewegen; der entlaufene Sklave ist ein gesellschaftlich Unfreier - da hat es sicher einige Anknüpfungspunkte für die beiden gegeben. Vielleicht hat Paulus ihm von der größeren Freiheit erzählt, die Christus uns geschenkt hat; eine Freiheit, die uns keine Gefängnisketten rauben können. Oder er hat von der neuen sozialen Ordnung des Christentums gesprochen, in der jeder Mensch gleich viel wert ist, wo es nicht mehr Juden und Griechen, Mann und Frau, Freie und Sklaven gibt, sondern in Christus alle eins sind. - Themen, die sich ja durchaus in anderen Paulusbriefen finden.

Auf jeden Fall ist Onesimus Christ geworden und wahrscheinlich von Paulus selbst getauft worden. Und was macht Paulus nun? Er schickt ihn zurück zu seinem Herrn Philemon - zusammen mit dem Begleitbrief, der als Philemonbrief Teil des Kanons der hl. Schrift geworden ist: Nimm ihn zurück "nicht mehr als Sklaven, sondern als Bruder".

Liebe Brüder und Schwestern!

Die gesellschaftsverändernde Kraft des Christentums ist nicht eine, die sich Schlag auf Schlag entfaltet. Die Sklaverei ist nicht von heute auf morgen abgeschafft worden, sobald das Christentum in Rom, in der damaligen Hauptstadt der Welt, angekommen ist. Aber die gesellschaftsverändernde Kraft des Christentums setzt Prozesse in Gang, die sich langsam entwickeln. - Und dort, wo Menschen sich darauf einlassen, wo sie sich enger mit Jesus Christus verbinden, da kann sie ihr Potenzial entfalten; da wird aus dem entlaufenen Sklaven der wiedergewonnene Bruder.

In den letzten Tagen unserer Wallfahrt hat uns das Thema Krieg und Frieden begleitet. - Ein Dauerbrenner in der Menschheitsgeschichte. Und auch hier werden wir sagen müssen: Nein, mit dem Auftreten des Christentums haben die Kriege nicht aufgehört. Der Friede, den die Engel bei der Geburt Jesu verkündet haben, hat sich nicht schlagartig durchgesetzt. Aber wir dürfen auch hier gewiss sein: Wo sich Menschen auf den Weg machen, um sich enger mit Jesus Christus zu verbinden - und genau dafür steht ja unsere Wallfahrt - da können sie ein Motor für eine Friedensbewegung sein, die zwar nicht von heute auf morgen weltbewegenden Erfolg haben wird. Aber was sie in Gang setzen, lässt sich auch nicht mehr aufhalten.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn wir uns nach Mariazell aufgemacht haben und um den Frieden in Europa und der Welt beten, dann kann ich schließlich nicht anders, als an P. Petrus Pavlicek zu denken, der nach dem 2. Weltkrieg bei einer Wallfahrt nach Mariazell die Eingebung der Gottesmutter hatte: "Tut, was ich euch sage, und ihr werdet Frieden haben". - Wir wissen, seine Gründung, der Rosenkranzsühnekreuzzug, hat auf die Fürsprache der Gottesmutter die Befreiung Österreichs erbeten; und wir dürfen überzeugt sein, dass der Staatsvertrag von 1955 nicht zuletzt auch Frucht dieses beharrlichen Gebetes war.

So dürfen auch wir als kleine Wallfahrergruppe uns vereinen mit dem Gebet unzähliger Menschen, die bereits hierhergekommen sind. Wir dürfen Kraft schöpfen, um in unserem eigenen Umfeld dem Frieden zu dienen. Und wir dürfen uns der Fürsprache Mariens anvertrauen, die auf dem Mariazeller Gnadenbild uns mit ihrem überdimensionalen Finger auf ihren Sohn verweist. Mit ihm uns immer enger zu verbinden und auch andere Menschen zu ihm zu führen, das ist das beste, was wir für den Frieden tun können. So wollen wir mit der ungezählten Schar an Betern zu Maria rufen, zur Magna Mater Austriae und Königin des Friedens: "Zeige uns Jesus, die gebeneidete Frucht deines Leibes. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria."

Zu den liturgischen Texten

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