Weißer Sonntag - Lj. B


 Liebe Brüder und Schwestern!

"Wer nicht hören will, muss fühlen!"

Ich denke, jeder von uns hat diesen Spruch schon einmal gesagt oder von jemandem zu hören bekommen. Meist meinen wir damit, dass jemand trotz allen guten Zuredens, auf das er nicht reagieren möchte, es besser weiß und eine unangenehme Wahrheit auf die harte Tour wird lernen müssen. "Wer nicht hören will, muss fühlen!", diese Redewendung kündigt in aller Regel negative Konsequenzen an.

Mich erinnert der Spruch aber auch an das Evangelium des heutigen Sonntags. Da ist auch einer, der nicht "hören" will, der das Gehörte einfach nicht glauben kann, der meint, er müsse zuerst buchstäblich "fühlen", die Wundmale Jesu berühren, ehe er der Botschaft der anderen Glauben schenkt. - Und Jesus geht auf die Skepsis des Apostels Thomas ein. Acht Tage nachdem er das erste Mal seinen versammelten Jüngern erschienen ist, während Thomas nicht dabei war, kommt er ein zweites Mal und sagt zu ihm: "Thomas, wer nicht hören will, muss fühlen! - Komm und berühre meine Wundmale! Fühle mit deinen eigenen Sinnen, dass ich es wirklich bin!" - "Wer nicht hören will, muss fühlen", aus dem Mund Jesu klingt dieser Spruch für Thomas allerdings nicht wie eine Drohung, sondern wie eine Einladung, ein Eingehen Jesu auf seine Bedürfnisse. Möglicherweise fühlt sich Thomas ertappt, fühlt er sich jetzt schuldig und beschämt, dass er den anderen nicht glauben wollte, aber auf jeden Fall bekennt er augenblicklich seinen Glauben an den Auferstandenen, wenn er ihn als "Mein Herr und mein Gott" anspricht.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wie oft klagen wir heutzutage, dass kaum jemand noch zur Kirche kommt, dass kaum jemand noch glauben möchte! "Wer nicht hören will, muss fühlen!" - Wie oft sind wir geneigt zu sagen: "Ach Herr, sie wollen nicht hören; so lass sie doch fühlen! Gib dich ihnen zu erkennen!"

Doch, liebe Brüder und Schwestern, was hindert uns eigentlich daran, unsere Mitmenschen "fühlen" zu lassen? Ohne Drohung, sondern wie Jesus selbst durch ein echtes Eingehen auf ihre Bedürfnisse, um sie zum Glauben an ihn zu bringen? Vielleicht liegt es ja an uns, die wir von uns behaupten, an ihn zu glauben, dass wir allzu unglaubwürdig sind! Ja: Wer nicht hören will, muss fühlen! Wer den Worten allein nicht glauben möchte und nicht glauben kann, der muss es spüren, dass es keine leeren Worte sind, dass dahinter eine echte Überzeugung und Hoffnung steckt, die Freude macht, die ausstrahlt und andere anzustecken vermag.

Es mag wahr sein, dass wir in unseren Breiten zahlenmäßig weniger werden, die Sonntag für Sonntag zur Kirche kommen. Aber wenn wir Sonntag für Sonntag überzeugt die Eucharistie feiern - wie die Apostel, die sich acht Tage nach der Auferstehung wieder versammelt haben, und Jesus wieder in ihre Mitte trat - dann dürfen wir wissen: Er tritt tatsächlich auch heute Sonntag für Sonntag in unsere Mitte, lässt uns seine Nähe erahnen und spüren. Und dann können wir gar nicht anders, als die Freude über seine Gegenwart auszustrahlen, in unsere Welt hinauszutragen. Dann wird auch der letzte, der die Botschaft nicht hören will, fühlen müssen, dass etwas an ihr dran ist, das den Menschen in seiner ganzen Existenz zu ergreifen und zu verwandeln vermag.

Ja, wer nicht hören will, muss fühlen! - Und wir sind mit dafür verantwortlich, die Liebe und Nähe Jesu für unsere Mitmenschen fühlbar zu machen, damit sie zum Glauben an ihn kommen und zu ihm mit Thomas sagen können: "Mein Herr und mein Gott!"

Zu den liturgischen Texten

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