Weißer Sonntag

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Das Evangelium des heutigen "Weißen Sonntags" ist uns wohlbekannt. Wie bei vielen Schriftstellen, die wir meinen gut zu kennen, fällt es uns schwer, noch genau hinzuhören. Ich lade Sie daher ein, dieses Evangelium bewusst neu zu bedenken. Und wenn wir es heute zum ersten Mal hören würden, wären wir vielleicht überrascht, welch große Bedeutung den Wundmalen Jesu darin zukommt.

Die Wunden seiner Kreuzigung werden für den Apostel Thomas zum Beweis der Auferstehung Jesu. Hier gilt es, etwas genauer hinzusehen, um so ein wenig besser zu verstehen, was es mit diesem neuen Leben auf sich hat, in das Jesus uns vorausgegangen ist.

Wenn wir nach dem neuen Leben des Auferstandenen fragen, dann müssen wir zunächst feststellen: Es ist ganz anders als dieses irdische Leben. Er geht durch verschlossene Türen - so haben wir es heute gehört. Er wird von seinen engsten Bekannten nicht erkannt - denken wir nur an Maria Magdalena oder die Emmausjünger. Er taucht aus dem Nichts auf und verschwindet ebenso plötzlich wie er erschienen ist. All dies kann uns Ausdruck der Andersartigkeit, der Neuheit des neuen und ewigen Lebens sein. Jesus ist nicht wieder auferstanden; er ist nicht einfach in sein irdisches Leben zurückgekehrt, sonst wäre er ja schließlich und endlich nach ein paar Jahren doch wieder gestorben. Halten wir es nochmals fest: Das Leben des Auferstandenen ist ein anderes, neues, unvergängliches Leben.

Neben die Andersheit tritt aber ebenso auch die Identität: der Auferstandene ist der Gekreuzigte - das zeigt uns der Blick auf die Wundmale Jesu. Auferstehung heißt nicht nur Neuheit, sondern auch Kontinuität: Nichts von dem, was das irdische Leben geprägt hat, und seien es schmerzvoll erlittene Wunden, ist in der Ewigkeit verloren. "Die Wunden rot jetzt, o wie schön, wie Sonn und Mondglanz anzusehn!", singen wir in einem Osterlied. Gerade darin besteht die Größe des Ostergeheimnisses: Was hier auf Erden erlitten wurde, was Schmerz, Trauer, Unzufriedenheit bereitet hat, wird nicht einfach ausgelöscht, sondern verklärt, verwandelt in Freude und Glück.

Der Blick auf die Wundmale zeigt uns noch etwas. Das ewige Leben ist keine rein geistige Angelegenheit. Jesus lässt sich nach seiner Auferstehung leibhaftig berühren, er isst und trinkt mit seinen Jüngern. Auch wenn wir es uns oft schwer vorstellen können: Zum christlichen Osterglauben gehört auch die "Auferstehung des Fleisches". Unser Leib, der nach unserem Tod ins Grab gesenkt wird und verwest, wird einmal auferstehen und verklärt werden. Als ganze Menschen werden wir vor Gott stehen.
Das Christentum ist nicht eine Religion des rein Geistigen. Und gerade darum dürfen und sollen wir uns auch um unser leibliches Wohl und um das unserer Brüder und Schwestern bemühen.

Liebe Brüder und Schwestern!
Das jährliche Osterfest, die Betrachtung der Auferstehung Jesu und unserer eigenen Auferstehung treten an uns mit einem hohen Anspruch heran:
Die Rede vom ewigen Leben bei Gott ist keine billige Vertröstung auf ein Jenseits. Denn nichts von dem, was wir im Diesseits tun und erleiden, wird verloren sein. Als Christen leben wir nicht nur für den Augenblick, sondern jeder Augenblick ist kostbar und aufgehoben in der Ewigkeit.
Lassen wir uns herausfordern von der Osterbotschaft und gestalten wir unser Leben im Dienst an Gott und dem Nächsten so, dass es ewigkeitstauglich ist! Dann dürfen wir tröstend erfahren, dass auch manches Leid von Gott in Freude verwandelt wird.

Zu den liturgischen Texten

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